Die Angeklagten haben den von einem Mitangeklagten entwickelten Tatplan in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken in bandenmäßiger Organisation umgesetzt, dass in den Jahren 2006 bis 2008 eine GmbH mit einer Depotbank Aktienleerkäufe um den Dividendenstichtag (sog. "Cum-/Ex"-Geschäfte) tätigte. Ein in Großbritannien ansässiges Broker-Unternehmen verkaufte Aktien deutscher DAX-Unternehmen am Tag der Hauptversammlung mit Dividendenberechtigung ("cum Dividende") leer an die besagte GmbH. Die Abwicklung der Leerverkaufsgeschäfte dieser GmbH erfolgte mit im Ausland ansässigen Depotbanken, um sicherzustellen, dass keine Kapitalertragsteuer (KapErtrSt.) auf die Dividendenausgleichszahlungen einbehalten und abgeführt wurde. Dies war deswegen notwendig, weil ein im Ausland ansässiges Kreditinstitut bzw. eine ausländische Stelle vom deutschen Gesetzgeber durch ein Bundesgesetz nicht zum Einbehalt und zur Abführung von KapErtrSt. verpflichtet werden konnte. Die Aktien zur Belieferung der abgeschlossenen Leerverkäufe stellten zwei Mitangeklagte auf der Grundlage einer Wertpapierleihe von ihren Bestandskunden und soweit erforderlich über Wertpapierleihen von anderen Marktteilnehmern zur Verfügung, indem sie diese nach dem Hauptversammlungstag aus dem Inland in die Lieferkette einspeisten und über mehrstufige Verkaufsketten ohne wirtschaftlichen Zweck zur Verschleierung über im In- und Ausland ansässige Broker ins Ausland transferierten, um damit den am Hauptversammlungstag abgeschlossenen Leerverkauf mit Aktien "ex Dividende" zu erfüllen. Nach Abschluss der Geschäfte wurden die Aktien wiederum über mehrere Stufen an die Bank zurückveräußert. Nach dem Tatplan der Angeklagten handelte es sich bei allen getätigten Aktientransaktionen der Jahre 2006 bis 2008 um ungedeckte Leerverkäufe, die auf Absprachen der Beteiligten basierten, ohne dass eine echte Marktsituation bestand. Das Gesamthandelsvolumen aller Aktientransaktionen in den Jahren 2006 bis 2008 betrug ca. 15,8 Milliarden EUR.

Das OLG Frankfurt sieht hierdurch nicht nur den dringenden Tatverdacht der Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall nach § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO, sondern auch den des bandenmäßigen Betruges nach § 263 Abs. 5 StGB als gegeben an (vgl. aber die anders lautende h.M.: Wulf/Peters, wistra 2021, 231; BGH v. 1.2.1989 – 3 StR 179/88, BGHSt 36, 100 = wistra 1986, 172; v. 23.3.1994 – 5 StR 91/94, BGHSt 40, 109 = wistra 1994, 194; vgl. auch BFH v. 25.10.2005 – VII R 10/04, BStBl. II 2006, 356 = NJW 2006, 1550; in der Lit.: Adick/Linke, NZWiSt 2021, 238, 239; Joecks in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 370 AO Rz. 129; Rolletschke in Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz. 1050 [Nov. 2020]; Schott in Hüls/Reichling, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2020, § 370 AO Rz. 443; Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz. 881 f. [August 2020]; Tormöhlen in Papperitz/Keller, ABC Betriebsprüfung, Fach 5 Stichwort "Steuerhinterziehung" Rz. 24 [Sept. 2019]).

OLG Frankfurt v. 9.3.2021 – 2 Ws 132/20

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