a) Das Strafgericht darf die Besteuerungsgrundlagen im Falle einer Steuerhinterziehung schätzen, wenn die Angeklagte keine Angaben macht und bei einer Durchsuchung auch keine Buchführungsunterlagen sichergestellt werden konnten. Dies ist der Fall, wenn feststeht, dass der Steuerpflichtige einen Besteuerungstatbestand erfüllt hat, die tatsächlichen Verhältnisse, die für die Bemessung der Steuer maßgebend sind, aber ungewiss sind (vgl. BGH v. 16.9.2020 – 1 StR 140/20, wistra 2021, 278 = NStZ-RR 2021, 15; v. 7.11.2018 – 1 StR 143/18, wistra 2019, 244 = NStZ 2020, 172 = AO-StB 2020, 14; Rolletschke in Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz. 237 [Oktober 2013]; Tormöhlen, AO-StB 2013, 256; vgl. auch Peters in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 370 AO Rz. 333 ff. [Juli 2019]).

Eine Beweiswürdigung ist jedoch fehlerhaft, wenn die Strafkammer in den Urteilsgründen feststellt, dass die Angeklagte Schönheitsbehandlungen bei 350 Kunden pro Jahr in Form einer Unterspritzung von Hyaluronsäure mit einem durchschnittlichen Behandlungsentgelt von 300 EUR durchgeführt und einen Jahresumsatz von 105.000 EUR erzielt habe und dies darauf stützt, dass die Angeklagte an 200 Arbeitstagen pro Jahr durchschnittlich 1,5 Kunden pro Tag behandelt habe. Unter Zugrundelegung dieser Schätzgrundlage ergibt sich lediglich eine Anzahl von 300 Kunden pro Jahr sowie ein entsprechend niedrigerer Jahresumsatz i.H.v. lediglich 90.000EUR.

BGH v. 28.10.2020 – 1 StR 158/20

b) Für die Feststellung einer Steuerhinterziehung, die nach § 76 Abs. 1 Sätze 1 und 5 FGO von Amts wegen zu treffen ist, ist im finanzgerichtlichen Verfahren kein höherer Grad von Gewissheit erforderlich als für die Feststellung anderer Tatsachen (vgl. hierzu BFH v. 7.11.2006 – VIII R 81/04, BStBl. II 2007, 364; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 96 FGO Rz. 78 m.w.N. [Februar 2020]). Im Rahmen der Prüfung, ob eine Steuerhinterziehung vorgelegen hat, können zur Ermittlung der verkürzten Steuern die Besteuerungsgrundlagen gem. § 162 AO geschätzt werden. Gleichwohl gilt der strafverfahrensrechtliche Grundsatz "in dubio pro reo" auch im Besteuerungs- und Finanzgerichtsverfahren (vgl. Paetsch in Gosch, AO/FGO, § 169 AO Rz. 48 [Januar 2017]; Tormöhlen in Papperitz/Keller, ABC Betriebsprüfung, Fach 5 Stichwort "Festsetzungsfrist" Rz. 8 [Januar 2021]). Die Schätzungsgrundlagen müssen von der FinBeh. so dargelegt werden, dass ihre Nachprüfung möglich ist. Das zahlenmäßige Ergebnis der Schätzung muss auf Schlüssigkeit hin kontrollierbar sein.

FG München v. 5.1.2021 – 12 V 2528/20

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