a) Zeitpunkt der Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes nach § 17 EStG

Ein Auflösungsverlust nach § 17 EStG kann erst in dem Jahr erfasst werden, in dem der Auflösungsverlust der Höhe nach feststeht. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn

  • der gemeine Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens einerseits und
  • die Liquidations- und Anschaffungskosten des Gesellschafters andererseits

feststehen. Gleiches gilt, wenn sicher ist, dass eine Zuteilung oder Zurückzahlung von Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter ausscheidet und wenn die durch die Beteiligung veranlassten Aufwendungen feststehen.

Im Fall der Liquidation oder Insolvenz einer Gesellschaft ist eine Zuteilung oder Zurückzahlung von Gesellschaftsvermögen an den Gesellschafter regelmäßig erst nach Abschluss des Verfahrens ausgeschlossen. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn schon bei Verfahrenseröffnung feststeht, dass die Gesellschaft vermögenslos war.

Feststehen nachträglicher AK: Zusätzlich hierzu setzt die Entstehung eines Auflösungsverlusts voraus, dass die Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten des Gesellschafters feststeht. Es muss absehbar sein,

  • ob und
  • in welcher Höhe

dem Gesellschafter noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige i.R.d. § 17 Abs. 2 EStG berücksichtigungsfähige Veräußerungs- oder Aufgabekosten entstehen. Insofern dürfen keine wesentlichen Änderungen mehr eintreten. Nach diesen Maßstäben ist ein Auflösungsverlust noch nicht entstanden, solange noch ein Zivilprozess über eine als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigende Bürgschaftsforderung schwebt.

FG Münster v. 3.11.2021 – 13 K 3187/19 F

b) Verluste nach § 17 Abs. 4 EStG und aus § 20 EStG im Zusammenhang mit Auflösung einer GmbH

Sachverhalt: A und B waren mit 50 % Gesellschafter der AB-GmbH. In den ersten Jahren nach Gesellschaftsgründung wurden verschiedene Bankdarlehen der AB-GmbH durch selbstschuldnerische Bürgschaften des A besichert. Nachdem über das Vermögen der AB-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, trafen A und B mit den Gläubigern der GmbH diverse Zahlungs- und Verzichtsvereinbarungen. Darin verpflichteten sie sich jeweils gesamtschuldnerisch zur Zahlung von Teilbeträgen, wohingegen die Gläubiger auf den Einzug der Restforderung verzichteten.

Kläger A behandelte seine Zahlungen in erster Linie als nachträgliche AK auf seine Beteiligung.

Das FA argumentierte dagegen, dass die Bürgschaften und sonstige Sicherheiten des A bereits vor Eintritt der Krise gestellt worden seien und die späteren Zahlungen infolge der Wertlosigkeit etwaiger Rückgriffsansprüche bei Kriseneintritt wertmäßig nicht mehr in die Verlustberechnung einzustellen seien.

Das FG unterschied:

  • als Auflösungsverlust (§ 17 Abs. 4 EStG) berücksichtigte das FG nur die ursprünglich vom Kläger eingezahlte Stammeinlage. Hinsichtlich der weiteren Zahlungen seien zwar die bisherigen Grundsätze zur Berücksichtigung von nachträglichen AK auf eine wesentliche Beteiligung – entsprechend der vom BFH getroffenen Vertrauensschutzregelung – weiterhin anwendbar. Allerdings habe der Senat nicht feststellen können, inwieweit es sich bei den Bürgschaften um eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfen gehandelt habe.
  • als Verlust aus Kapitalvermögen sei der Ausfall der (Regress)Forderungen des A (auf Grund der Zahlungs- und Verzichtsvereinbarungen) gegenüber der GmbH zu berücksichtigen.

Die Einkünfteerzielungsabsicht des bürgenden Gesellschafters aus der Regressforderung ist aus der Sicht des Zeitpunkts der Übernahme der Bürgschaft zu beurteilen.

FG Düsseldorf v. 11.11.2021 – 14 K 2330/19 E, Rev. eingelegt, Az. des BFH: IX R 2/22

c) AK für im Wege einer Umwandlung von Rücklagen in Nennkapital hinzuerworbene Genossenschaftsanteile

Streitig ist die Höhe von Verlusten aus der Veräußerung von Genossenschaftsanteilen, insbesondere die Anschaffungskosten für die veräußerten Anteile.

Veräußerung mehrerer Anteile: Ist ein Steuerpflichtiger Inhaber mehrerer Anteile an einer unter die Bestimmungen des § 17 Abs. 1 und Abs. 7 EStG fallenden Genossenschaft, die er

  • zu verschiedenen Zeiten und/oder
  • zu unterschiedlichen Anschaffungskosten

erworben hat, kann er formfrei bestimmen, welche Anteile er "veräußert". Für die Ermittlung eines Veräußerungsgewinns/-verlustes i.S.d. § 17 EStG sind dann die Anschaffungskosten des jeweils veräußerten Anteils maßgebend.

Die Vorschrift des § 3 KapErhStG, durch die im Falle einer Umwandlung von Rücklagen in Nennkapital die Anschaffungskosten der Anteile vor der Kapitalerhöhung gleichmäßig auf die Alt- und Neuanteile verteilt werden, ist auf Genossenschaften nicht anwendbar.

Thür. FG v. 16.6.2021 – 1 K 89/16, Rev. eingelegt, Az. des BFH: IX R 19/21

Beraterhinweis Ob § 1 KapErhStG gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt, wenn hier nur Kapitalgesellschaften i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG erfasst werden, während eine Genossenschaft durch ihre Verortung in § 1 Abs. 1 Nr. 2 KStG vom Anwendungsrahmen des KapErhStG ausgeklammert wird, hat der BFH in der Revision zu klären.

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