Rz. 55

Stand: EL 114 – ET: 01/2018

Ebenfalls nicht durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst und deshalb kein Arbeitslohn sind Vorteile, die sich für den ArbN reflexhaft aus dem Umfeld und aus der Art der ausgeübten Berufsarbeit ergeben; hier sind nicht das Dienstverhältnis und der Entlohnungsgedanke, also das Interesse des ArbN, sondern betriebliche Interessen ursächlich. Man spricht von Leistungen, die der ArbG im ganz überwiegenden betrieblichen Interesse erbringt (BFH 147, 357 = BStBl 1986 II, 868; BFH 171, 74 = BStBl 1993 II, 687 unter 2a/aa). Zu Beispielen > Rz 60 ff.

 

Rz. 55/1

Stand: EL 114 – ET: 01/2018

Die Praxis hat diese Fallgestaltungen fortentwickelt. Nicht zum Arbeitslohn gehören deshalb Fälle, in denen entweder

ein Vorteil der Belegschaft als Gesamtheit zugewendet wird (zu Ausnahmen > Betriebsveranstaltungen Rz 1)

oder

dem ArbN zwar ein Vorteil zufließt, dieser Vorteil aber keine Marktgängigkeit besitzt und dem ArbN in einer Weise aufgedrängt worden ist, die ihm keine freie Wahl lässt, die Annahme des Vorteils abzulehnen,

oder

dem ArbN zwar ein Vorteil zufließt, der ihm nicht aufgedrängt worden ist, das Interesse des ArbG an der Zuwendung aber das Interesse des ArbN an der Bereicherung deutlich überwiegt. Solche Vorteile können besonders als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen entstehen, die sich bei objektiver Würdigung nicht als Entlohnung erweisen (BFH 171, 74 – aaO mwN; BFH 203, 53 = BStBl 2003 II, 886). Zur Wechselwirkung der Interessen > Rz 57.
 

Rz. 56

Stand: EL 114 – ET: 01/2018

BFH 146, 262 = BStBl 1986 II, 575 hat betont, dass diese Kennzeichnung nicht mit dem generellen Begriff der betrieblichen Veranlassung gleichzusetzen ist, sondern nur solche Zuwendungen meint, die keine Gegenleistung für eine erbrachte (oder arbeitsrechtlich zu erbringende) Leistung des ArbN darstellen (vgl auch BFH 160, 447 = BStBl 1990 II, 711). Dabei kann es sich um Zuwendungen aus übergeordneten, alle Dienstverhältnisse eines Betriebs betreffenden Erwägungen handeln (Offerhaus, BB 1982, 1061). Eine Zuwendung liegt nicht bereits deswegen im ganz überwiegenden betrieblichen Interesse, weil für sie betriebliche Gründe ursächlich sind, beim ArbG also BA entstehen. Denn eine betriebliche Veranlassung liegt grundsätzlich jeder Lohnzahlung zugrunde. Vielmehr muss sich aus den Begleitumständen wie Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seiner besonderen Eignung für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck ergeben, dass diese Zielsetzung ganz im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesse des ArbN, den betreffenden Vorteil zu erlangen, deshalb vernachlässigt werden kann (BFH 195, 373 = BStBl 2001 II, 671 mwN; BFH 203, 53 = BStBl 2003 II, 886). Diese Kriterien leitet der BFH im Auslegungswege aus dem in § 19 EStG enthaltenen Tatbestandsmerkmal der Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis ab (> Rz 44/1). Vgl dazu aus dem Schrifttum ua Gersch, Festschrift für Franz Klein, 1994, 889; Albert/Heitmann, DB 1985, 2524; Krüger, DStR 2013, 2029; Strohner, DStR 2014, 731; Heger, DB 2014, 1277.

 

Rz. 57

Stand: EL 114 – ET: 01/2018

Motiv für eine solche Zuwendung kann zB sein, die für die Ausführung der Arbeit erforderlichen oder erwünschten Bedingungen zu schaffen, aber auch zwischenmenschliche Kontakte innerhalb der Belegschaft zu ermöglichen und damit das Betriebsklima zu fördern (BFH 143, 550 = BStBl 1985 II, 532). Eine Leistung liegt nicht im ganz überwiegenden betrieblichen Interesse des ArbG, wenn sie im weitesten Sinne Ertrag aus dem Dienstverhältnis ist, weil durch besondere Umstände eine Beziehung zur individuellen Arbeitsleistung des ArbN hergestellt wird. Das gilt zB, wenn ein arbeitsrechtlicher Anspruch auf die Leistung besteht (BFH 143, 539 = BStBl 1985 II, 641; > Rz 44); ferner für die Belohnung einer kleinen Gruppe oder für Geschenke (> Gelegenheitsgeschenke). Zwischen der Intensität des betrieblichen Interesses des ArbG und dem Ausmaß der (wirtschaftlichen) Bereicherung des ArbN durch die zum Lohn hinzukommende Sonderzuwendung besteht eine Wechselwirkung: Je mehr die Leistung aus der Sicht des ArbN (> Rz 51) als Bereicherung anzusehen ist, desto geringer zählt das aus der Sicht des ArbG vorhandene betriebliche Interesse (vgl BFH 228, 85 = BStBl 2010 II, 700 mwN).

 

Rz. 58

Stand: EL 114 – ET: 01/2018

Das Ergebnis einer Gesamtwürdigung, ob dem ArbN ‚etwas’ – nämlich Geld oder Geldeswert – im ganz überwiegenden betrieblichen Interesse zugewendet wird oder Arbeitslohn darstellt, kann grundsätzlich nur eine dieser Alternativen sein (BFH 181, 76 = BStBl 1997 II, 97; ebenso BFH 228, 505 = BStBl 2010 II, 763 Arbeitslohn bei Übernahme von Kurkosten durch den ArbG). Diese Abwägung unterliegt allerdings subjektiven Einflüssen und damit der Gefahr, dass der Arbeitslohn im Einzelfall – wie früher der Begriff der "Annehmlichkeit" – ergebnisbezogen b...

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