Rz. 15

Die Vorschrift umfasst mehrere Formen der Vollzeitpflege, die sich nach geplanter Zeitdauer und Anlass unterscheiden. Die Vorschrift spricht ausdrücklich von zeitlich befristeten Erziehungshilfen und von solchen, die auf Dauer angelegt sind (vgl. zu den beiden Formen der Hilfe auch van Santen/Pluto/Seckinger, ZKJ 2021 S. 100). Dabei steht die Hilfeart "Vollzeitpflege" stets im Spannungsverhältnis zwischen Forcierung der alsbaldigen Rückkehr des Kindes und, falls diese innerhalb des dafür am Alter des Kindes orientierten zeitlichen Rahmens nicht gelingt, die Sicherstellung der Dauerhaftigkeit seines Aufwuchsplatzes (so bereits die gesetzgeberischen Erwägungen, BT-Drs. 11/5948 S. 71).

 

Rz. 16

Zeitlich befristet sollen Kurzzeitpflegestellen und Bereitschaftspflegestellen sein. Bereitschaftspflegestellen dienen der Sicherung eines akuten Kindeswohlbedarfs, insbesondere nach Inobhutnahmen (§ 42), um Kinder schnell einem erheblich nachteiligen familiären Einfluss oder Umfeld zu entziehen. Angelegt sind diese Kurzzeitpflegen auf eine nur vorübergehende Unterbringung, insbesondere wenn Aussicht auf eine Verbesserung der Lebensbedingungen in der Herkunftsfamilie in überschaubarem Zeitrahmen besteht. Es besteht eine Rückkehroption; Rückkehroption schreibt insoweit § 37 Abs. 1 Satz 2 fest und gibt damit grundsätzlich der Herkunftsfamilie Vorrang. Ist diese nachhaltige Verbesserung jedoch innerhalb eines vertretbaren Zeitraumes nicht zu erreichen, so § 37 Abs. 1 Satz 4, wird eine Bereitschaftspflegestelle in eine Dauerpflege umzuwandeln sein (vgl. Komm. zu § 37 unter dem Abschnitt Rückkehroption – Vorrang der Herkunftsfamilie nach Satz 2; und Komm. zu § 37 unter dem Abschnitt Erarbeitung der Lebensperspektive in der Pflegefamilie nach Satz 4; vgl. Hanseatisches OLG in Bremen, Beschluss v. 24.4.2002, 5 WF 26/02 b; zur Definition von "Pflegepersonen" vgl. BVerwG, Urteil v. 1.9.2011, 5 C 20.10; ferner OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 7.6.2005, 12 A 2677/02). Strittig ist, ob die Bereitschaftspflege als Vollzeitpflege i. S. d. § 33 anzusehen ist. Überwiegend wird sie lediglich als Schutzmaßnahme im Rahmen der Inobhutnahme angesehen, die in eine Vollzeitpflege münden kann, aber nicht muss (so Salgo, in: GK-SGB VIII, § 33 Rz. 40; Wiesner, SGB VIII, § 33 Rz. 46; Kunkel, in: LPK-SGB VIII, § 33 Rz. 7; a. A. Struck, in: Münder u. a., SGB VIII, § 33 Rz. 8). Bei der befristeten Betreuung (vgl. Rz 13) können drei Pflegeformen unterschieden werden: (1) Kurzzeitige Vollzeitpflege, (2) Interims-Vollzeitpflege und (3) Familiäre Übergangs-/Bereitschaftsbetreuung (Stähr, in: Hauck/Noftz, Stand: 01/2019, Werkstand 2023, § 33 SGB VIII Rz. 18). § 33 Satz 1 macht ansonsten im Übrigen keine Angaben über die Dauer der Vollzeitpflege als zeitlich befristete Maßnahme. Die Dauer der Vollzeitpflege hängt daher von der Beurteilung des Einzelfalls ab und davon, inwieweit die Ziele der Vollzeitpflege mit einer vorübergehenden oder einer dauerhaften Fremdplatzierung des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall erreicht werden können (Nellissen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 33 Rz. 37).

 

Rz. 17

Alternativ zur befristeten Form der Hilfeart kann die Vollzeitpflege auch als eine auf Dauer angelegte Lebensform i. S. d. § 33 Satz 1, 2. Alt. gewählt werden. Diese Entscheidung, ob eine befristete Vollzeitpflege in Betracht zu ziehen ist oder eine dauerhafte Fremdplatzierung, hat sich – wie insgesamt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – am Kindeswohl zu orientieren. Insbesondere in den Fällen, in denen sich zeigt, dass ein Leben in der Herkunftsfamilie perspektivisch nicht denkbar ist, soll der Aufenthalt in der Pflegefamilie von Dauer sein (OLG Koblenz, Beschluss v. 30.9.2016, 11 UF 418/16, mit Anm. von Dürbeck, FamRZ 2017 S. 306). Ein Wechsel der Hilfeform von der zeitlich begrenzten Pflege zur dauerhaften Pflege kommt in Betracht, wenn "qualifizierte Elternarbeit" mit den Herkunftseltern innerhalb eines vertretbaren Zeitraumes offensichtlich erfolglos geblieben ist (Nellissen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 33 Rz. 45). Sofern ein Dauerpflegeplatz nötig wird, spricht die Literatur von "faktischer Adoption" (Stähr ,in: Hauck/Noftz, Stand: 01/2019, Werkstand 2023, § 33 SGB VIII Rz. 15).

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