Neue EU-Richtlinie erlaubt bald EU-weite Sammelklagen für Verbraucher

Die „EU Richtlinie 2020/1828 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG“ vom 25.11.2020 tritt am Heiligabend 2020 in Kraft.
EU-Richtlinie muss bis Ende 2022 in deutsches Recht umgesetzt werden
Die Mitgliedstaaten haben anschließend 24 Monate Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen, und weitere sechs Monate, um sie anzuwenden.
- Verstöße und illegale Praktiken von Unternehmen in allen möglichen Wirtschaftszweigen sind im Fokus der Richtlinie.
- Verbraucherschädigende Geschäftspraktiken sollen großflächig unterbunden werden
Die Auswahl der Tätigkeitsbereiche ist weit gefasst. So soll es z.B. um Ansprüche im Reiseverkehr, im Finanzdienstleistungsbereich und zu Ansprüchen im Zusammenhang mit Datenschutz, Energie, Telekommunikation, Gesundheit und Umwelt zusätzlich zum allgemeinen Verbraucherrecht gehen. Doch wie verträgt sich das mit der erst vor Kurzem installierten Musterfeststellungsklage?
Musterfeststellungsklage „nur“ auf grundsätzliche Feststellung der Ansprüche gerichtet
Viele Verbraucher gegen ein großes Unternehmen, das gibt es seit gut zwei Jahren schon in Form der Musterfeststellungsklage (Stichwort: VW-Abgas-Skandal). Damit können sich betroffene Verbraucher an einer Klage auf Feststellung der Haftung beteiligen. Im Anschluss an ein gewonnenes Verfahren können und müssen sie ihre Leistungsansprüche noch individuell durchsetzen.
Neue Sammelklage kann auch Leistungen von Unternehmen einfordern
Die EU-Sammelklage geht weiter. Mit ihr kann auf Unterlassung, aber auch direkt auf Abhilfe geklagt werden, also z.B. auf Schadensersatz, Reparatur, Ersatzleistung, Preisminderung, Vertragsauflösung oder Erstattung des gezahlten Preises. Ein darüber hinausgehender Strafschadensersatz, der einen überhöhten Schadensausgleich der Klagepartei zur Folge hätte, ist ausdrücklich verboten.
Nur Verbraucherverbände und öffentliche Einrichtungen sind klagebefugt
Wie im Musterfeststellungsverfahren dürfen auch Sammelklagen nicht von Anwaltskanzleien, sondern nur von sog. qualifizierten und unabhängigen öffentlichen Einrichtungen erhoben werden. Diese müssen bestimmte Mindestkriterien erfüllen, u.a. die Gemeinnützigkeit und Unabhängigkeit. Bei Abhilfeklagen besteht z.B. die Pflicht zur Offenlegung der finanziellen Ausstattung und Mittelherkunft gegenüber Gericht bzw. Behörde.
Das soll Interessenkonflikte oder externe Einflussnahme verhindern. Zudem gilt das Prinzip, dass der Verlierer alle Kosten trägt. Wirtschaftsvertreter äußern dennoch große Sorgen vor einem Klagemissbrauch und schweren Schäden für die betroffenen Unternehmen.
Sammelklagen in der Praxis erst 2023 zu erwarten
Losgeklagt werden kann in den Mitgliedsstaaten aber erst nach Ablauf der Umsetzungs- und Anwendungsfrist, es sei denn, diese wird von einzelnen nationalen Gesetzgebern unterboten. Die ersten Sammelklagen nach der neuen EU-Richtlinie wird es daher voraussichtlich erst im Jahr 2023 geben.
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