Verkäuferpflicht beim Rücktransport sperriger mangelhafter Ware

Der EuGH hat hilfreiche Grundsätze aufgestellt für Fälle, in denen der Verkäufer schwere, sperrige oder zerbrechliche Waren liefert, an denen der Verbraucher Mängel feststellt. Die Rücksendung solcher Produkte kann im Einzelfall so aufwändig sein, dass der Kunde hiervon zu befreien ist.

Selbst wenn unstreitig ein Gewährleistungsrecht besteht, kann ein enttäuschter Käufer vor Problemen stehen, wenn sich der Kaufgegenstand nicht unproblematisch versenden lässt.

Amtsgericht Norderstedt legt dem EuGH Verbraucherschutz-Fragen vor

Ein deutscher Fall, vorgelegt vom Amtsgericht Norderstedt, war Auslöser dieser jüngsten EuGH-Entscheidung zum Verbraucherschutz. Ihren Anfang nahm die Geschichte mit einem sechs mal fünf Meter großem Partyzelt, das der Kunde bei einem Fachgeschäft telefonisch bestellt hatte und das sich bald als mangelhaft erwies.

Käufer verlangt vom Verkäufer Fehlerbehebung an seinem Wohnsitz

Bei Lieferung musste der Käufer enttäuscht feststellen, dass das Zelt Mängel aufwies.

  • Darüber informierte er die Firma und forderte sie auf,
  • bei ihm vor Ort den vertragsgemäßen Zustand des Zelts herzustellen.

Weder fanden sich im Vertrag Vereinbarungen, wo in einem solchen Fall der fehlerfreie Zustand herzustellen ist, noch hatten die Parteien dazu etwas abgesprochen. Der Verkäufer beschränkte sich darauf, die Mängelrüge von sich zu weisen.

Nach unterbliebener Reparatur Rücktritt vom Vertrag erklärt

Nachdem seitens des Verkäufers nichts passierte, trat der Kunde vom Vertrag zurück und verlangte den Kaufpreiserstattung gegen Rückgabe des Zeltes.

Deutsches Recht schreibt den Versand der Rücktrittsware an den Verkäufer vor

Nach deutschem Recht hätte der Kunde das Zelt unter Verauslagung der Kosten an die Lieferfirma zurückschicken müssen (§ 269 BGB i.V.m. BGH-Rechtsprechung). Das kam dem Amtsgericht angesichts des riesigen Zeltes nicht besonders verbraucherfreundlich vor, weshalb es beim EuGH nachfragte, ob diese Lösung mit der EU-Richtlinie 1999/44 vereinbar sei.

Vorgaben des EuGH beim Verbrauchsgüterkauf

Eine Lösung, die allen Verbrauchsgüterkäufen übergestülpt werden kann, gibt es nicht. Der EuGH stellt aber Grundsätze auf, die sich an der EU-Richtlinie 1999/44 orientieren und mit denen sich maßgeschneiderte Ergebnisse für den Einzelfall finden lassen.

Kunde kann von der Rücksendung befreit sein, wenn sie zu aufwändig ist

1. Der Verkäufer schuldet den vertragsgemäßen Zustand in einem angemessenen Zeitrahmen, m.a.W. so schnell wie möglich. Der Ort, an dem das geschieht, darf für den Verbraucher keine erheblichen Unannehmlichkeiten mit sich bringen. Bei dieser Einschätzung spielen die Art der Ware (z.B. schwer, sperrig, zerbrechlich) sowie der Zweck zu dem der Verbraucher das Produkt bestellt hat eine Rolle.

Bei extrem hohen Transportkosten kann Kunde Vorschuss verlangen

2. Der Verkäufer muss grundsätzlich keinen Vorschuss auf die Transportkosten der Rücksendung leisten. Stellt aber die Verauslagung dieser Kosten für den Verbraucher eine so starke finanzielle Belastung dar, dass sie ihn davon abhalten könnte, seine Rechte geltend zu machen, dann ist das Verlangen eines Vorschusses gerechtfertigt.

Untätigkeit des Verkäufers berechtigt Käufer zum Rücktritt 

3. Teilt der Käufer dem Verkäufer mit, dass die Rücksendung für ihn zu schwierig ist und sie deshalb bei sich zu Hause bereitstellt, ist es an dem Verkäufer tätig zu werden. Insbesondere muss er den Kunden anweisen, an welchem Ort er das Produkt zur Verfügung stellen soll. Tut der Verkäufer nichts, kann der Käufer komplett vom Vertrag Abstand nehmen.

Mit diesen Antworten des EuGH ist der Ausgangsfall entschieden. Wegen der Sperrigkeit des Zeltes durfte der Kunde es zunächst bei sich bereitstellen. Die Firma in ihrer Verweigerungshaltung hat keinerlei anderweitige Anweisung gegeben, sodass sie nun die Konsequenzen des wirksam erklärten Rücktritts tragen muss.

(EuGH, Urteil v. 23.5.2019, C-52/18)
Anmerkung: Für den BGH und die Instanzgerichte hat diese Entscheidung ebenfalls Folgen; sie werden ihre Rechtsprechung entsprechend anpassen müssen.
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Hintergrund:

Die Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie "EU-Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter"  bezweckt die Harmonisierung der Gewährleistungsrechte eines Verbrauchers gegenüber einem Unternehmer in den  Mitgliedsstaaten und ein einheitliches Mindestniveau. Sie wurde in Deutschland durch die Schuldrechtsreform 2002 umgesetzt.


Schlagworte zum Thema:  EuGH, Gewährleistungsrecht