Festsetzung eines Ordnungsgeldes ist Ermessenssache

Ver­hin­dert ist nicht gleich ver­hin­dert. Zwar gibt es Richter, die gro­ß­zügig Termine ver­legen und sich mit einem Anwalt statt der Partei begnügen, doch andere sind sehr genau. Das gilt, beson­ders, wenn immer wieder verlegt wird und ein Ver­fahren dadurch wie in einer Flaute vor sich hin „dümpelt“ oder der Anwalt nicht sehr viel zur Sachverhaltsaufklärung beitragen kann, während die Partei nicht erscheint.    

Immer wieder hören Richter Anwälte sagen, ihr Mandant sei „ver­hin­dert“. Doch das ist keine aus­rei­chende Ent­schul­di­gung i.S.v. §§ 141 Abs. 3 Satz 1, 381 Abs. 1 ZPO, um von einem Ord­nungs­geld abzu­sehen. Die Fest­set­zung eines Ord­nungs­geldes käme aller­dings dann nicht in Betracht, wenn die Anord­nung des per­sön­li­chen Erschei­nens recht­lich feh­ler­haft gewesen wäre. Das Gericht besitzt bei einer solchen Anord­nung einen Ermes­sens­spiel­raum.

Mandant ist ver­hin­dert, aber hätte er über­haupt erscheinen müssen?

Die Anord­nung des per­sön­li­chen Erschei­nens dient sowohl dem Ziel, durch umfas­sende Sach­ver­halts­auf­klä­rung mög­lichst rasch zu einer der Sach- und Rechts­lage ent­spre­chenden Ent­schei­dung zu gelangen, als auch dazu, den Abschluss eines Ver­glei­ches zu erleich­tern. Richter sind nicht selten daran inter­es­siert, durch die Anord­nung des per­sön­li­chen Erschei­nens die Mög­lich­keit zu erhalten, auf die Par­teien unmit­tel­barer ein­wirken zu können, um auf diese Weise die Wahr­schein­lich­keit für den Abschluss eines Ver­glei­ches zu erhöhen.

Bei der Ermes­sens­aus­übung im Rahmen von § 141 ZPO hat der Richter zu berück­sich­tigen, inwie­weit eine Anhö­rung der jewei­ligen Partei zur Sach­ver­halts­auf­klä­rung zweck­mäßig sein könnte. Da das Gericht nicht ver­pflichtet ist, Fragen, die an die Partei gerichtet werden sollen, vor dem Termin anzu­kün­digen, spielt es auch auf der Ebene der Ermes­sens­aus­übung keine Rolle, welche Schlüsse die Par­teien aus frü­heren rich­ter­li­chen Hin­weisen etwa zur Schlüs­sig­keit einer Klage gezogen haben. Die Par­teien müssen viel­mehr häufig damit rechnen, dass sich im Termin neue Fragen ergeben können, die das Gericht an sie richten will. Es ist für die Ver­hän­gung eines Ord­nungs­geldes deshalb nicht erfor­der­lich, dass das Gericht im Ter­min­s­pro­to­koll fest­hält, dass bestimmte Fragen an die Par­teien gerichtet werden sollten. Denn eine solche Pro­to­kol­lie­rungs­pflicht ist in § 141 Abs. 3 ZPO nicht vor­ge­sehen.

Pro­zess­ver­zö­ge­rung ist oft reine Spe­ku­la­tion

Nach Ansicht des BGH soll bei einer Ord­nungs­geld­fest­set­zung gem. § 141 Abs. 3 ZPO berück­sich­tigt werden, ob und inwie­weit durch das unent­schul­digte Aus­bleiben der Partei die Sach­auf­klä­rung erschwert und der Prozess ver­zö­gert wird (Beschluss v. 12.06.2007, VI ZB 4/07). Die Frage, ob das unent­schul­digte Aus­bleiben einer Partei Sach­ver­halts­fest­stel­lungen erschwert und den Prozess ver­zö­gert, lässt sich in den meisten Fällen nicht ein­deutig beant­worten, denn die Frage, welche Angaben die Partei auf Fragen des Gerichts im Termin gemacht hätte, ist in der Regel spe­ku­lativ. In der Praxis sehen Gerichte häufig von der Verhängung eines Ordnungsgeldes ab, wenn der Prozessvertreter über den Sachverhalt gut informiert ist.

Wann ist ein Ver­treter nicht aus­rei­chend infor­miert?

Da der fiktive Pro­zess­ver­lauf für den Fall einer Anwe­sen­heit der unent­schul­digt aus­ge­blie­benen Partei sich oft nicht ohne wei­teres beur­teilen lässt, kann es für die Ver­hän­gung eines Ord­nungs­geldes nicht darauf ankommen, ob das Gericht positiv eine Ver­zö­ge­rung des Recht­streits durch das Aus­bleiben der Partei fest­stellen kann. Viel­mehr reicht es aus, dass eine Erschwe­rung der Sach­ver­halts­fest­stel­lungen durch das Aus­bleiben der Partei jeden­falls in Betracht kommt.

Das OLG Karls­ruhe (Beschluss v. 2.3.2012, 9 W 69/11) leitet in einem Fall,in dem der Pro­zess­be­voll­mäch­tigte nichts zu einem zwi­schen den Pro­zess­par­teien strei­tigen Ver­trags­ge­spräch sagen konnte, daraus fol­gende Regel ab:

„Das Gericht muss im Rahmen von § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO nicht die Erschwe­rung bestimmter Sach­ver­halts­fest­stel­lungen konkret fest­stellen. Nur dann, wenn umge­kehrt eine Erschwe­rung von Sach­ver­halts­fest­stel­lungen durch das Aus­bleiben der Partei nach den Umständen aus­ge­schlossen erscheint, kann dies der Fest­set­zung eines Ord­nungs­geldes ent­gegen stehen. Wenn die mehr oder weniger spe­ku­la­tiven Über­le­gungen zum fik­tiven Verlauf des Pro­zesses bei Anwe­sen­heit der aus­ge­blie­benen Partei zu keinem ein­deu­tigen Ergebnis führen, geht dies zu Lasten der aus­ge­blie­benen Partei“.

Pra­xis­hin­weis: Nach der nicht von allen Instanz­ge­richten geteilten Recht­spre­chung des BGH kann ein Ord­nungs­geld nur fest­ge­setzt werden, wenn das unent­schul­digte Aus­bleiben einer Partei die Sach­auf­klä­rung erschwert und der Prozess hier­durch ver­zö­gert wird. Hieraus folgert der BGH, dass die Ver­hän­gung eines Ord­nungs­geldes nicht in Betracht kommt, wenn eine güt­liche Bei­le­gung schei­tert und die Erle­di­gung des Rechts­streits ohnehin eine Beweis­auf­nahme in einem geson­derten Termin erfor­der­lich macht (BGH, Beschluss v. 22.6.2011, I ZB 77/10; anders: LAG Hamm, Beschluss v. 28.12.2017, 4 Ta 88/17).

Schlagworte zum Thema:  Gerichtsverfahren, Sanktion