Berufshaftpflicht des Anwalts als Dauerthema

Anwältinnen und Anwälte sind gesetzlich verpflichtet, eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung abzuschließen. Ohne Nachweis erhält der Anwalt keine Zulassung. Ab dem 1.8.2022 gilt dies unabhängig von der Rechtsform auch für Berufsausübungsgemeinschaften.

Berufshaftpflichtversicherung gehört zu den anwaltlichen Berufspflichten 

Nach § 51 BRAO ist die Berufshaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte eine Pflichtversicherung. Die Mindestversicherungssumme beträgt für den einzelnen Rechtsanwalt seit Jahren 250.000 Euro. Den Nachweis über das Bestehen des Versicherungsschutzes hat der Rechtsanwalt durch Vorlage der Musterbescheinigung nach § 51 BRAO bei der zuständigen RAK zu erbringen; die Versicherungspolice allein genügt nicht. Eine Lücke im Versicherungsschutz stellt eine Berufspflichtverletzung dar, die berufsrechtlich geahndet werden kann.

Mitteilungspflichten

Gemäß § 51 Abs. 6 BRAO zeigt der Versicherer der zuständigen RAK die Beendigung oder Änderung des Versicherungsvertrages an. Gemäß § 51 Abs. 6 Satz 3 BRAO erteilt die RAK Dritten, die Haftungsansprüche gegen einen Rechtsanwalt geltend machen wollen, auf Antrag Auskunft über Namen und Anschrift des Berufshaftpflichtversicherers des Versicherungsnehmers.

Haftungsgefahren können lange andauern

Angesichts der mandantenfreundlichen Rechtsprechung des BGH zur Verjährung von Haftungsansprüchen sind Anwälte kaum zu einer exakten Abschätzung des Zeitpunkts in der Lage, zu dem sie in einer Haftungsangelegenheit endgültig aus dem Schneider sind. Haf­tungs­an­sprüche der Man­danten gegen ihren Anwalt verjähren gemäß § 195 BGB innerhalb von 3 Jahren. Der Beginn der Verjährungsfrist richtet sich nach § 199 Abs. 1 BGB. Die gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Mandanten von den haftungsbegründenden Umständen legt der BGH im Hinblick auf die regelmäßig bestehende überlegene Fachkunde des Anwalts sehr großzügig zugunsten der Mandanten aus. Sie beginnt erst, wenn dem Mandanten die maßgeblichen Umstände bekannt werden, aus denen sich ein Rechtsverlust zu seinen Lasten ergibt. Allein die Kenntnis von einem verlorenen Prozess reicht nicht, vielmehr ist auch die Kenntnis bzw. die grob fahrlässige Unkenntnis der haftungsbegründenden Umstände, die in der Person des Anwalts liegen, erforderlich (BGH, Urteil v. 6.2.2014, IX ZR 245/12).

Die Mindestversicherungssumme kann Unterdeckung bedeuten

Bei 90% der Mandate reicht die Pflicht­ver­si­che­rung in der Regel aus. Oft sind es aber gerade die ver­blei­benden 10% der Mandate, die so genannten expo­nierten Mandate, die im Falle eines Haft­pflicht­scha­dens zur Exis­tenz­be­dro­hung werden können. Wer seine Police also nicht regel­mäßig im Auge behält, läuft Gefahr, unzu­frie­dene Man­danten mit seinem hart ver­dienten Pri­vat­ver­mögen ent­schä­digen zu müssen.

Versicherungspflicht auch für Berufsausübungsgesellschaften

Die seit Jahren unveränderte Versicherungspflicht für Rechtsanwälte erfuhr durch die am 1.8.2022 in Kraft getretene BRAO-Reform eine grundlegende Änderung. Nach dem neu eingeführten § 59n Abs.1 BRAO ist - anders als vor der Reform - jede Berufsausübungsgesellschaft, gleichgültig in welcher Rechtsform, zum Abschluss und Unterhaltung einer eigenen Berufshaftpflichtversicherung verpflichtet. Eine Einzelversicherung der einzelnen Partner reicht nicht. Wird die Berufshaftpflichtversicherung nicht oder nicht in dem vorgeschriebenen Umfang unterhalten, so haften neben der Berufsausübungsgesellschaft die Gesellschafter und die Mitglieder des Geschäftsführungsorgans persönlich in Höhe des fehlenden Versicherungsschutzes, § 59n Abs. 3 BRAO.

Mindestdeckungssummen für Berufsausübungsgesellschaften

Die erforderlichen Mindestdeckungssummen sind für Berufsausübungsgesellschaften je nach Größe und Haftungsbegrenzung unterschiedlich geregelt.

  • Die Höhe der Mindestdeckung für in der Haftung beschränkte Berufsausübungsgesellschaften beträgt 2,5 Mio Euro, § 59o Abs.1 BRAO.
  • Eine Ausnahme besteht für kleine haftungsbeschränkte Berufsausübungsgesellschaften mit maximal 10 Berufsträgern. Hier gilt eine Mindestversicherungssumme von 1 Mio Euro, § 59o Abs.2 BRAO.
  • Für nicht haftungsbeschränkte Sozietäten beträgt die Mindestdeckung 500.000 Euro, § 59o Abs. 3 BRAO.

Wichtig: Die einfache Partnergesellschaft fällt nicht unter § 59o Abs. 1 BRAO.  Grund: Die Haftung ist dort nicht für alle Personen beschränkt, sondern nur für den jeweils handelnden Berufsträger. Dies gilt auch für Sozietäten, die standardmäßig von der Möglichkeit der Haftungskonzentration auf die handelnden Partner Gebrauch machen.

Versicherungspflicht der einzelnen Anwälte auch in Berufsausübungsgesellschaften

Durch die Sozietätsversicherung wird die Versicherungspflicht der einzelnen Berufsträger nach § 51 BRAO nicht ausgesetzt. Die Sozietätsversicherung kann jedoch mit den Versicherungen der einzelnen Berufsträger in einem gemeinsamen Versicherungsvertrag zusammengefasst werden.

Worst case mit in die Planung ein­be­ziehen 

Alle vier Jahre ist jeder Anwalt sta­tis­tisch gesehen in einen Haf­tungs­fall ver­wi­ckelt. Im Laufe eines Berufs­le­bens sind das 7 bis 8 Fälle, in denen die Ver­mögensschaden-Haft­pflicht eigent­lich ein­springen müsste. Ob und in welcher Höhe - das ist allerdings noch fraglich. Denn das Ver­si­che­rungs­recht zählt spä­tes­tens seit Ein­füh­rung des Fach­an­walts für Ver­si­che­rungs­recht zu den Spe­zi­al­ma­te­rien und hält seit jeher zahl­reiche Fall­stricke bereit. Neben einer pro­fes­sio­nellen Kanz­lei­or­ga­ni­sa­tion, einem erst­klas­sigen Qua­li­täts­ma­nage­ment und der regel­mä­ßigen per­sön­li­chen Fort­bil­dung gehört die Kenntnis über die berufs­spe­zi­fi­schen Risiken und deren Ver­mei­dung zu den wesent­li­chen Aspekten anwalt­li­chen Unter­neh­mer­tums.