Weiteres Risiko: die Scheinsozietät

Da insbesondere bei kleineren Kanzleien die Notwendigkeit und auch die Bereitschaft zu einem echten Zusammenschluss mit allen Konsequenzen nur sehr bedingt vorhanden ist, treten zunehmend Sozietäten auf den Markt, die im Innenverhältnis allenfalls Kooperationen darstellen. Hier handelt es sich also um sog. Außen- oder Scheinsozietäten.

Beispiel: Der angestellte Rechtsanwalt oder freie Mitarbeiter wird in den Briefkopf aufgenommen, ohne seinen tatsächlichen Status deutlich zu machen. Dies erweckt den Anschein des Sozienstatus. Rechtsanwalt A und B arbeiten in Bürogemeinschaft. Das Praxisschild lautet „A&B Rechtsanwälte“. Es liegt kein Sozietätsvertrag zugrunde, sondern lediglich eine Vereinbarung über die Teilung der gemeinsamen Bürokosten.

Gefahr der Unterdeckung durch Scheinsozietät

Versicherungsrechtlich können bei einer Scheinsozietät erhebliche Probleme auftreten, die mit großen finanziellen Konsequenzen verbunden sein können. Der Versicherungsschutz als Versicherungsnehmer setzt grundsätzlich freie Berufsausübung voraus. Dementsprechend  werden Angestellte oder als freie Mitarbeiter tätige Berufsträger in den Versicherungsschutz der Sozietät als versichert mit einbezogen – sind aber keinesfalls Versicherungsnehmer.
Werden diese Angestellten oder freien Mitarbeiter aber nach außen als Sozien geführt (Briefkopf, Kanzleischild etc.), dann haften sie auch wie „echte“ Sozien. Hierdurch kann im Schadenfall eine gravierende Unterdeckung auftreten, da der Scheinsozius nicht den Versicherungsschutz eines Sozius vorweisen kann. Die zur Verfügung stehende Deckungssumme für den einzelnen Schadenfall wäre entsprechend reduziert.

Selbst die lockere Kooperation kann Scheinsozietät sein

Zu beachten ist, dass eine Scheinsozietät nicht nur dann vorliegt, wenn ein angestellter oder als freier Mitarbeiter tätiger Rechtsanwalt auf dem Briefkopf mit aufgeführt wird, sondern auch bei einer Bürogemeinschaft oder Kanzleigemeinschaft. Selbst bei einer bloßen Kooperation lässt sich zumindest dann, wenn mit dem Kooperationshinweis der Briefkopf ausgeschmückt wird, eine Rechtsscheinhaftung nicht mit Sicherheit ausschließen. Für die Haftung kommt es entscheidend darauf an, ob für den außenstehenden Rechtssuchenden der Eindruck einer gemeinschaftlichen Berufsausübungstätigkeit erzeugt wird. Die internen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages sind unerheblich. Handelt es sich nach Rechtsscheingrundsätzen eine Sozietät, so werden auch die Scheingesellschafter von der Haftung mitumfasst.

Scheingesellschafter in die Mindestdeckungssummen einbeziehen

Ob der erzeugte Rechtsschein einer gemeinschaftlichen Berufsausübung die Geltung der Mindestversicherungssummen der §§ 59n, 59o BRAO auslöst, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Vorsichtshalber sollte man aber davon ausgehen. Scheingesellschafter sind dann auch bei der Maximierung der Haftungsfälle zu berücksichtigen.

Haftung der Scheinsozien für wissentliche Pflichtverletzungen

Darüber hinaus droht sowohl bei einer Sozietät als auch bei einer Scheinsozietät die Haftung mit dem Privatvermögen, wenn man als Gesamtschuldner für eine wissentliche Pflichtverletzung des Sozius bzw. Scheinsozius in Anspruch genommen wird. Denn die vom Versicherungsschutz ausgeschlossene wissentliche Pflichtverletzung des Sozius beeinflusst auch negativ den Versicherungsschutz des Scheinsozius. Dieses Haftungsrisiko besteht nicht, wenn ein Rechtsanwalt im Rahmen einer Partnerschaftsgesellschaft seinen Beruf ausübt. Hier haftet per Gesetz nur der das Mandat betreuende Partner.