haftungsfallen bei der elektronischen Signatur

Das Bundessozialgericht (BSG) hat in einem Beschluss vom 16. 03.2022 die Anforderungen an die einfache Signatur bei über das beA versandten Schriftsätzen präzisiert.

In einer grundlegenden Entscheidung hat das BSG die Anforderungen an die einfache Signatur unter einen über das beA versandten Schriftsatz präzisiert (BSG, Beschluss v. 16.2.2022, B 5 R 198/21). Besteht die Signatur lediglich aus einem unleserlichen Gekritzel, so ist nach Auffassung des BSG der Schriftsatz dem Gericht nicht wirksam zugegangen und eine davon abhängige Frist gegebenenfalls versäumt (BAG, Beschluss v. 14.9.2020, 5 AZB 23/20).

Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen

Gegenstand des vom BSG entschiedenen Falls war eine Klage auf eine Rente wegen Erwerbsminderung. Sowohl die Klage als auch die anschließende Berufung waren erfolglos. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision hat das BSG als unzulässig verworfen, weil die Beschwerde dem Gericht nicht form- und fristgerecht zugegangen war.

Kanzleikollege half mit seinem persönlichen beA aus

Der Prozessvertreter des Klägers hatte die Nichtzulassungsbeschwerde über sein beA einreichen wollen. Wegen technischer Probleme übernahm ein zur Kanzlei gehörender Rechtsanwaltskollege die Übermittlung über sein beA mit eigenem Absenderzertifikat. Der hiernach innerhalb der Beschwerdefrist bei Gericht eingegangene Schriftsatz trug den Briefkopf des Prozessvertreters des Klägers sowie am Ende die maschinengeschriebene Namensbezeichnung des Prozessbevollmächtigten, darunter den handschriftlichen Zusatz: „für den verhinderten Rechtsanwalt …“. Im Anschluss darauf folgten zwei nicht entzifferbare Namenskürzel mit dem Zusatz „Rechtsanwalt“.

Elektronische Übermittlungsanforderungen nicht erfüllt

Die auf diese Weise eingereichte Nichtzulassungsbeschwerde entsprach nach dem Verwerfungsbeschluss des Bundessozialgerichts (BSG) nicht den Anforderungen an die Einreichung eines elektronischen Dokuments gemäß § 65a Abs. 1 SGG. Danach müsse das elektronische Dokument

  • entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) der verantwortenden Person oder
  • mit einer auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereichten einfachen Signatur der verantwortenden Person versehen sein,
  • wobei ein über das beA versandter Schriftsatz nur dann über einen im Sinne des § 65a Abs. 1 SGG sicheren Übermittlungsweg eingereicht wurde, wenn die das Dokument signierende und verantwortende Person mit dem tatsächlichen Versender übereinstimmt (BAG, Beschluss v. 5.6.2020, 10 AZN 53/20).

Erfordernis eines sicheren Übermittlungswegs nicht erfüllt

Diesen Anforderungen genügte der eingereichte Schriftsatz nach der Bewertung des BSG nicht. Da das Dokument keine qeS enthielt, hätte es mit einer einfachen Signatur des tatsächlichen Absenders versehen sein müssen. Die am Textende vorhandene maschinengeschriebene Bezeichnung des ursprünglichen Prozessvertreters reicht nach Bewertung des BSG grundsätzlich für eine einfache Signatur aus. Der Prozessvertreter selbst hatte die Nichtzulassungsbeschwerde aber nicht über sein persönliches beA versandt, so dass insoweit das Erfordernis eines sicheren Übermittlungswegs nicht erfüllt war.

Signatur muss den Unterzeichner erkennen lassen

Die beiden unter dem Zusatz „für den verhinderten Rechtsanwalt …“ angefügten unleserlichen Handzeichen ließen nach Bewertung des BSG nicht erkennen, ob diese Kürzel von dem tatsächlichen Absender oder von einer anderen Person stammten. Zwar könne eine eingescannte handschriftliche Unterschrift als einfache Signatur anzusehen sein (BAG, Beschluss v. 14.9.2020, 5 AZB 23/20), dies gelte aber nicht, wenn die Unterschrift nicht entzifferbar ist und damit ohne Sonderwissen oder sogar Beweisaufnahme keiner bestimmten Person zugeordnet werden kann.

Signatur dient der Identifizierbarkeit des inhaltlich Verantwortlichen

Das Gericht fügte hinzu, dass selbst bei einer Erkennbarkeit der Kürzel die Voraussetzungen an eine elektronische Signatur hier nicht erfüllt seien. Die Identifizierbarkeit der Signatur habe nicht nur den Sinn der Identifizierbarkeit des Absenders, vielmehr solle mit der Signatur auch die Person identifizierbar sein, die die inhaltliche Verantwortung für den eingegangenen Schriftsatz übernimmt.

Wiedereinsetzung abgelehnt

Nach Auffassung des BSG kam in diesem Fall auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Fristversäumnis nicht in Betracht. Nach Auffassung des Gerichts wäre die aufgetretene Problematik leicht zu umgehen gewesen, da der Prozessbevollmächtigte das Dokument einfach mit einer qeS hätte versehen können. Auf diese Weise wären keine Fristprobleme aufgetreten. Selbst eine Ersatzeinreichung - z. B.  über Telefax - sei bei technischen Störungen des beA gemäß § 65d Satz 3 und 4 SGG möglich (BSG, Beschluss v. 16.2.2022, B 5 R 198/21).

Hinweis:

Der DAV rät zur Vermeidung ähnlicher Probleme bei der Versendung von fristgebundenen Schriftsätzen über das beA dazu, bevorzugt die qeS einzusetzen. Bei Verwendung der einfachen Signatur sei grundsätzlich die maschinenschriftliche Unterschrift zu präferieren, da hier keine Lesbarkeitsprobleme auftreten könnten.

Signatur nur auf den Anlagen reicht nicht

Die Signatur muss auf allen bestimmenden Schriftsätzen angebracht sein. Eine Signatur lediglich auf Anlagen reicht nicht und ist im Fall eines Versehens auch kein Wiedereinsetzungsgrund, selbst wenn die Umstände dafürsprechen, dass der bestimmende Schriftsatz nur versehentlich nicht mit einer Signatur versehen war (BGH, Beschluss v. 19.1.2023, V ZB 28/22).