Aus den Gründen:„ … [9] B. II. Der Große Senat verneint die Vorlagefrage des XI Zivilsenats. § 531 Abs. 2 ZPO ist auf die erstmals in zweiter Instanz erhobene Verjährungseinrede nicht anzuwenden, wenn zwischen den Parteien sowohl die Erhebung der Einrede als auch die sie begründenden tatsächlichen Umstände unstreitig sind.

[10] 1. Nach gefestigter Rspr. des BGH sind unstreitige Tatsachen, die erstmals in der Berufungsinstanz vorgetragen werden, unabhängig von den Zulassungsvoraussetzungen des § 531 ZPO zu berücksichtigen. Aus der den Zweck des Zivilprozesses und der Präklusionsvorschriften berücksichtigenden Auslegung der § 529 Abs. 1 Nr. 2, § 531 ZPO ergibt sich, dass unter “neue Angriffs- und Verteidigungsmittel’ i.S.d. § 531 ZPO lediglich streitiges und damit beweisbedürftiges Vorbringen fällt. Nicht beweisbedürftiges Vorbringen hat das Berufungsgericht gem. § 529 Abs. 1 ZPO seiner Entscheidung ohne Weiteres zu Grunde zu legen (BGHZ 161, 138, 141 ff.; = NJW 2005, 291; BGHZ 166, 29, 31 = NJW-RR 2006, 630 Rn 6; BGH NJW-RR 2995, 437 = MW 2005, 295, 296; FamRZ 2005, 1555, 1557 = BeckRS 2005, 08881; NJW 2006, 298, 299, Rn 19, NJW 2008, 68 = WM 2007, 1933, 1938, Rn 63; NJW-RR 2006, 755 = WM 2006, 1115 Rn 5). Die in der Literatur daran geübte Kritik (vgl. Ostermeier, ZZP 120 [2007], 219 ff.) gibt zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass. Dabei kann hier offen bleiben, ob das neue unstreitige Vorbringen auch dann zuzulassen ist, wenn infolge seiner Berücksichtigung eine bis dahin nicht notwendige Beweisaufnahme erforderlich wird (so BGHZ 161, 138, 144).

[11] 2. Danach ist auch unstreitiger Tatsachenvortrag zu berücksichtigen, der der erstmals in der Berufung erhobenen Einrede der Verjährung zu Grunde liegt. Für die unstreitige Einrede selbst gilt nichts anderes (so auch: BGHZ 166, 29, 31, = NJW-RR 2006, 630 Rn 6; BGH NJW 2006, 298, 299 Rn 19; OLG Naumburg NJOZ 2005, 3651 = OLG-Report 2006, 141 f.; OLG Karlsruhe, OLG-Report 2006, 526 [528] = BeckRS 2006, 04933; OLG Hamm, Urt. v. 23.2.2006 – 28 U 217/04, BeckRS 2006, 03935; OLG Stuttgart BKR 2006, 280, 285; OLG Celle NJW-RR 2006, 1530, 1531; OLG Köln, Urt. v. 20.12.2006 – 17 U 103/04, BeckRS 2007, 01443; OLG Schleswig, Urt. v. 21.12.2006 – 5 U 101/06, S. 15; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 6. Aufl., § 531 Rn 13; Rimmelspacher, in: MüKo-ZPO, 3. Aufl., § 531 Rn 28; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 214 Rn 3; Zimmermann, ZPO, 7. Aufl., § 531 Rn 10, 13 Nr. 3; Schumann/Kramer, Die Berufung in Zivilsachen, 7. Aufl., Rn 476; Meller-Hannich, NJW 2006, 3385, 3386 ff.; Noethen, MDR 2006, 1024, 1026 f.; Rixecker, NJW 2004, 705, 707).

[12] Die dagegen vorgebrachten Bedenken rechtfertigen keine andere Beurteilung.

[13] a) Von einem Teil der Rspr. und Literatur wird die Auffassung vertreten, es sei zu unterscheiden zwischen den Fällen, in denen der Tatsachenvortrag ohne besondere Geltendmachung entscheidungserheblich sei, und den Fällen, in denen – wie bei der Einrede der Verjährung – der Vortrag erst Bedeutung erlange, wenn ein Leistungsverweigerungsrecht wahrgenommen werde; in letzteren Fällen sei bereits die Einrede als neues Verteidigungsmittel zurückzuweisen, sodass sich das Gericht mit den das Leistungsverweigerungsrecht begründenden Tatsachen erst befassen müsse, wenn die Einrede nicht zurückgewiesen werde (BGH GRUR 2006, 401, 404 Rn 26 f.; OLG Oldenburg, Urt. v. 4.7.2007 – 5 U 106/06, BeckRS 2007, 12673; OLG Karlsruhe NJW 2008, 925; vgl. auch Grothe, in: MüKo, 5. Aufl., § 214 Rn 4; Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 12. Aufl., § 214 Rn 3; Schenkel, MDR 2005, 726 ff.). Dem kann nicht gefolgt werden:

[14] aa) Der Umstand, dass ein Tatsachenvortrag erst auf Grund einer Einrede materiell-rechtliche Wirkung entfaltet, gibt keinen Anlass, ihn in der Berufungsinstanz anders zu behandeln als sonstigen, etwa materiell-rechtliche Einwendungen stützenden Tatsachenvortrag. Der den Wortlaut der Norm einschränkenden Auslegung des § 531 ZPO liegt im Wesentlichen die Erwägung zu Grunde, dass das geltende Präklusionsrecht keine Entscheidung in der Berufungsinstanz verhindern will, die auf unstreitiger Tatsachengrundlage ergehen müsste (BGHZ 161, 138, 142 = NJW 2005, 291). Diese Erwägung gilt auch dann, wenn neuer Vortrag mit einer Einrede verbunden und unstreitig ist.

[15] bb) Eine Unterscheidung zwischen Einwendungen und Einreden im materiellen Sinne ist dem Prozessrecht zudem fremd (vgl. auch §§ 282, 146 ZPO). Sowohl der Einwendung als auch der Einrede liegt ein Sachverhalt zu Grunde. Für § 529 ff. ZPO geht es vorrangig um dessen Berücksichtigung. Insoweit ist eine Differenzierung nicht geboten. Es ist zwar richtig, dass Einreden erst dann Bedeutung erlangen, wenn sie erhoben werden. Das gilt prozessual gleichermaßen jedoch auch für Einwendungen, die von Amts wegen zu berücksichtigen sind. Auch diese erlangen im Prozess grundsätzlich erst dann Bedeutung, wenn sie von einer Partei vorgetragen, d.h. in den Rechtsstreit eingeführt werden. So setzt etwa die Berücksichtigung der mater...

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