Leitsatz (amtlich)

1. Bei einer Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr kann nicht aus einer zugleich erfolgten Eigenschädigung prima facie geschlossen werden, dass der Schuldner in eigenen Angelegenheiten nicht sorgfältiger zu verfahren pflegt, denn der öffentliche Straßenverkehr kann seiner Natur nach keinen Spielraum für individuelle Sorglosigkeit oder persönliche Eigenarten und Gewohnheiten dulden.

2. Die erstmalige Erhebung der Verjährungseinrede im Berufungsrechtszug ist gem. § 531 Abs. 2 ZPO unanhängig davon, ob die Tatsachen, auf die sich die Erhebung der Verjährungseinrede gründet, unstreitig sind, nicht zuzulassen (im Anschluss an BGH, Urt. v. 21.12.2005 - X ZR 165/04, BGHReport 2006, 599, 601/602 = MDR 2006, 766).

 

Normenkette

BGB §§ 277, 323 Abs. 1, § 346 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 3, § 437 Nr. 2, § 440 S. 1; ZPO § 531 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Mannheim (Urteil vom 13.06.2006; Aktenzeichen 3 O 379/05)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Mannheim vom 13.6.2006 - 3 O 379/05 - wird zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Berufungsrechtszugs tragen der Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger bestellte bei der Beklagten am 24.3.2003 ein Motorrad der Marke Kawasaki, Typ ZZR 600, zum Kaufpreis von 7.990 EUR zzgl. Nebenkosten i.H.v. 130 EUR (vgl. die Bestellung, vorgelegt als Anl. K 1), die zu den Bedingungen des Kreditvertrages vom 24.3.2003 mit der CC-Bank (vorgelegt als Anl. K 2) finanziert wurde. Am 29.4.2005 wurde der Kläger mit dem Fahrzeug einen Verkehrsunfall verwickelt. Für die Reparatur sind Kosten i.H.v. 3.112 EUR brutto aufzuwenden. In diesem Zusammenhang stellt der Kläger fest, dass das Fahrzeug im Jahr 1999 produziert und im Jahr 2001 Deutschland importiert wurde. Mit Schreiben vom 19.5.2005 (Anl. K 3) trat er deshalb vom Kaufvertrag zurück und forderte die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises bis zum 1.6.2005 Zug um Zug gegen Rückgabe des Motorrades auf. Dieser kam der Aufforderung nicht nach.

Der deshalb erhobenen Klage hat das LG, auf dessen Urteil wegen des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug und der dort getroffenen Feststellungen verwiesen wird, unter Berücksichtigung einer Verpflichtung des Klägers zum Wertersatz in Höhe der unstreitigen Reparaturkosten von 3.112 EUR zum Teil stattgegeben.

Dagegen und gegen die Abweisung des Antrags auf Feststellung des Annahmeverzuges richtet sich die Berufung des Klägers.

Er ist der Auffassung, die Rechtsprechung des BGH zur einschränkenden Auslegung des § 277 BGB bei der Teilnahme am Straßenverkehr sei auf § 346 Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht übertragbar. Weiter bestreitet er, dass eine Nachlieferung nach § 439 BGB möglich gewesen wäre. Jedenfalls sei es ihm auf Grund der Täuschung über das Alter des Fahrzeugs durch den Beklagten nicht zumutbar, weiter mit ihm zusammen zu arbeiten und ihm eine Frist zur nach Erfüllung zu setzen. Zudem habe der Beklagte mit Schreiben vom 25.5.2005 jegliche Gewährleistung abgelehnt.

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und behauptet, der Kläger habe den Verkehrsunfall grob fahrlässig verursacht. Der Rücktritt sei unberechtigt, da der Kläger keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt habe, die im Hinblick darauf, dass es sich um ein Gattungskauf handle, möglich gewesen sei. Außerdem werde die Einrede der Verjährung erhoben. Gehe man davon aus, dass die Lieferung kurze Zeit nach dem Kauf erfolgt und die Rücktrittserklärung das Datum des 19.5.2005 trage, seien mehr als zwei Jahre seit der Lieferung der Sache vergangen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags im Berufungsrechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze und Anlagen, wegen der Antragstellung im Berufungsrechtszug wird auf das Protokoll vom 12.9.2007 (II 103) verwiesen. Die Bußgeldakten des AG M. lagen vor und waren zur Ergänzung des Parteivortrags Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.1. Der Kläger ist nach §§ 437 Nr. 2, 440 Satz 1, 323 Abs. 1 BGB zum Rücktritt berechtigt, da die gekaufte Sache mangelhaft und die Setzung einer Frist zur Nacherfüllung gem. § 439 BGB entbehrlich war.

a) Das am 24.3.2003 als Neufahrzeug verkaufte Motorrad war unstreitig bereits im Jahr 1999 hergestellt und im Jahr 2000 nach Deutschland importiert worden und damit mangelhaft i.S.v. § 434 Abs. 1 BGB (vgl. BGH NJW 2004, 160; NJW 2006, 2694, 2695).

b) Das vor Ausübung des Rücktritts grundsätzlich erforderliche (vgl. §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB) Verlangen nach Nacherfüllung gem. § 439 Abs. 1 BGB war hier entbehrlich.

aa) Die Beklagte hat nach Prüfung des an sie mit Schreiben vom 19.5.2005 gerichteten Rücktrittsbegehrens mit Schreiben vom 25.5.2005 (vorgelegt als Anl. K 5, II 81) jegliche Gewährleistung ohne jede Einschränkung ...

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