Leitsatz (amtlich)

Der Einwand, der Patient hätte sich auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung für den Eingriff entschieden, kann nicht erstmals in der Berufungsinstanz erhoben werden.

 

Verfahrensgang

LG Aurich (Urteil vom 03.11.2006; Aktenzeichen 4 O 1106/05)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 18.11.2008; Aktenzeichen VI ZR 198/07)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Aurich vom 3.11.2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des Urteils unter Ziff. 2.) wie folgt neu gefasst wird:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen materiellen und zukünftigen immateriellen Schaden zu ersetzen, soweit dieser auf die zerebrale Angiographie vom 27.11.2003 im H.-Krankenhaus E. zurückzuführen ist und soweit Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind.

Die Kosten der Berufung werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die Klägerin hatte sich bereits im Jahr 1975 einer Gehirnoperation unterziehen müssen. 12 Jahre später erlitt sie einen Schlaganfall; seitdem war sie rechtsseitig gelähmt. Im Jahre 2002 traten Gehirnblutungen in Form beiderseitiger Ponsblutungen auf. Im September 2003 verstarb eine Nichte der Klägerin infolge einer Aneurysmenruptur. Am 20.11.2003 wurde die Klägerin stationär im H.-Krankenhaus, dessen Trägerin die Beklagte ist, aufgenommen. Ausweislich des Entlassungsberichts der Klinik erfolgte die Aufnahme "wegen vor dreieinhalb Wochen für einen Tag bestehender Kopfschmerzen links im Hinterhaupt- sowie Scheitelbereich und in einem ambulanten CCT beschriebener Blutung rechtsparamedian im Ponsbereich". Nach Durchführung eines MRT hielten die Mitarbeiter der Beklagten die Vornahme einer zerebralen Angiographie für geboten, die am 27.11.2003 stattfand. Im Verlauf der Untersuchung stellten sich bei der Klägerin Sprechstörungen ein. Die Klägerin wurde somnolent und musste auf die Intensivstation verlegt werden. Als Ursache wurden Infarkte im Bereich des Thalamus beidseits sowie im Hirnstamm diagnostiziert. Seitdem ist das Gesichtsfeld der Klägerin stark eingeschränkt. Die Lähmungserscheinungen an der rechten Hand haben zugenommen, beim Laufen treten massive Gleichgewichtsstörungen auf, so dass die Klägerin außerstande ist, selbständig zu gehen. Zudem sind Trink-, Ess-, Sprach- und Gedächtnisstörungen zu beklagen; die Klägerin leidet unter Inkontinenz.

Mit der Klage hat die Klägerin ggü. der Beklagten Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche verfolgt. Sie hat behauptet, sie habe die H.-Klinik aufgesucht, weil sie befürchtet habe, erblich bedingt unter einer Gefäßwandschwäche zu leiden. Dementsprechend sei es ihr darum gegangen, dass ihr Körper auf Aneurysmen untersucht werde. Im Widerspruch zu der dokumentierten Patientenaufklärung sei sie nicht über die Risiken der angiographischen Untersuchung aufgeklärt worden. Im Gegenteil habe Dr. V. auf Nachfrage ihres Ehemannes erklärt, es bestehe keine Gefahr. Er habe diese Operation inzwischen 3000 Mal durchgeführt und niemals sei etwas passiert. Hätte dieser sie auch nur ansatzweise über das Risiko in Kenntnis gesetzt, erneut einen Schlaganfall zu erleiden, hätte sie die rein prophylaktische Untersuchung keinesfalls durchführen lassen. Im Übrigen habe die Behandlung im Krankenhaus der Beklagten nicht dem ärztlichen Standard entsprochen. So würden angiographische Untersuchungen nicht mehr durchgeführt, weil es inzwischen bessere Verfahren gebe. Zudem sei der Versuch, den Katheter an der einen Seite ihres Körpers zu verlegen, erfolglos geblieben. Danach hätte ein erneuter Versuch an der anderen Seite nicht stattfinden dürfen, weil dies zu einer Überlastung des Körpers mit der Folge geführt habe, dass die Voraussetzungen für einen weiteren Schlaganfall gesetzt worden seien. Demgegenüber hat die Beklagte behauptet, die Klägerin sei ordnungsgemäß und vollständig über die Indikation, den Verlauf und die Risiken der angiographischen Untersuchung informiert worden. Dementsprechend habe Dr. V. u.a. handschriftlich als Komplikationsmöglichkeit "Schlaganfall" auf dem Aufklärungsbogen vermerkt. Soweit dieser von 3000 komplikationslosen Untersuchungen gesprochen habe, die er vorgenommen habe, habe dieser Angiographien insgesamt und nicht nur zerebrale Angiographien gemeint. Bei dem dann bei der Klägerin aufgetretenen Schlaganfall handele es sich um eine seltene, aber trotz sachgerechter Durchführung mögliche Komplikation der angiographischen Untersuchung. Von einer fehlerhaften Behandlung könne keine Rede sei. Insbesondere habe die durchgeführte Untersuchung in keiner Weise eine Überlastung des Körpers herbeigeführt ebenso wie sie nicht Ursache für einen Schlaganfall gewesen sei.

Die 4. ...

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