Für die Praxis sind die obigen Anforderungen alles andere als trivial, da erst bei ihrer Einhaltung eine Erfüllung des Auskunftsanspruchs und mithin dessen Erlöschen gegeben ist.[102] Der in Rechtsprechung und Literatur zu lesende Satz, dass Nachlassverzeichnisse grundsätzlich nicht zu berichtigen oder zu ergänzen seien und stattdessen die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung zu verlangen wäre,[103] führt bei Unkenntnis über die oben dargestellten formellen Anforderungen an Inhalt und Umfang eines Nachlassverzeichnisses in die Irre. Das gilt gleichermaßen für das privatschriftliche Nachlassverzeichnis wie das notarielle Nachlassverzeichnis.[104]

[102] OLG Hamburg v. 28.9.2016 – 2 U 29/15, BeckRS 2016, 125135 Rn 31; MüKoBGB/Lange, 8. Aufl. 2020, § 2314 Rn 28 aE.
[103] St.Rspr. BGH, Urt. v. 6.3.1952 – IV ZR 45/50, IV ZR 16/51, BeckRS 1952,103508 Rn 26; Urt. v. 20.5.2020 – IV ZR 193/19, NJW 2020, 2187 (2187 Rn 10) m. Anm. Schönenberg-Wessel; statt vieler nur BeckOK BGB/Müller-Engels, 58. Ed. 1.5.2021, BGB § 2314 Rn 21 m.w.N.; Koroch, RNotZ 2020, 537 (537).
[104] BGH, Urt. v. 31.10.2018 – IV ZR 313/17, NJW 2019, 234 (236 Rn 22) zeigt auf, dass sie "wesensgleich" sind; Heinze, RNotZ 2019, 260 (263).

1. Erfüllungsvoraussetzung

Die Erfüllung eines Auskunftsanspruchs gem. § 260 Abs. 1 BGB ist laut BGH nicht gegeben, wenn sie nicht ernst gemeint, unvollständig oder von vornherein unglaubhaft ist.[105] Dies bestimmt sich nach den gegebenen objektiven Umständen und unter Berücksichtigung der Lebenserfahrung.[106] Irrelevant ist hingegen, ob der Gläubiger die erteilte Auskunft für nicht ernst gemeint, unvollständig und/oder unwahr hält.[107]

Soweit ersichtlich, scheitert die Erfüllung des Auskunftsanspruchs gem. § 2314 Abs. 1 BGB in der Praxis vor allem (scil. eigentlich nur) an der Unvollständigkeit – also der Lückenhaftigkeit – der erteilten Auskunft.[108] Erfüllung tritt insofern laut BVerfG dann ein, wenn der Schuldner seiner Auskunftspflicht hinreichend nachkommt, indem die Auskunft formell vollständig und hinreichend substantiiert ist.[109] Bei formeller Lückenhaftigkeit des Inhalts und Umfangs der Auskunft gem. §§ 2314 Abs. 1, 260 Abs. 1 BGB ist der Anspruch folglich nicht erfüllt.[110]

Eine derartige formelle Lückenhaftigkeit ist unter Beachtung der oben dargestellten Anforderungen insbesondere gegeben bei Unübersichtlichkeit der Auskunft (z.B. wegen mehrerer eingereichter Schriftsätze und außergerichtlicher Schreiben[111]), bei (rechts-)irrtümlicher Unvollständigkeit (z.B. Besitz sei nicht Teil der Auskunft[112]), beim gänzlichen Fehlen von sachlichen und zeitlichen Auskunftsteilen (z.B. keine Stellungnahme zu Schenkungen bzw. allgemein zu pflichtteilsergänzungsrelevanten Vorgängen[113]), bei Unvollständigkeit der gemachten Angaben (z.B. fehlende wertbildende Faktoren und/oder fehlende Zustandsbeschreibungen[114]), beim Nichtverschaffen von fremdem Wissen trotz Zumutbarkeit (z.B. über (insb. ausländische) Bankbeziehungen[115]) sowie bei Angaben, die auf falschen Grundlagen beruhen (z.B. gefälschte Unterlagen[116]) oder den Stichtag gem. § 2311 Abs. 1 S. 1 BGB bzw. i.S.d. § 2325 BGB nicht berücksichtigen (z.B. wenn nicht eindeutig zu erkennen ist, ob auf den Todestag abgestellt wird[117]).[118] Notare müssen zudem insbesondere darauf achten, dass sie ihre eigenen Ermittlungstätigkeiten im Verzeichnis dokumentieren und sich vor allem nicht bloß auf die ungeprüfte Wiedergabe von Mitteilungen des Erben beschränken.[119]

[105] BGH, Urt. v. 24.3.1994 – I ZR 42/93, juris Rn 15; BGH, Urt. v. 17.5.2001 – I ZR 291/98, juris Rn 44; BGH, Beschl. v. 31.7.2013 – VII ZR 177/12, BeckRS 2013, 15156 Rn 8. Verfassungsrechtlich sei dies nicht zu beanstanden laut BVerfG, Beschl. v. 28. 10. 2010 - 2 BvR 535/10, NJOZ 2011, 1423 (1424). OLG Koblenz, Beschl. v. 22.9.2004 – 5 W 574/04, NJW-RR 2005, 160 spricht im zweiten Ls. von "unvollständig, oberflächlich oder sonst unzureichend".
[106] BGH, Beschl. v. 31.7.2013 – VII ZR 177/12, BeckRS 2013, 15156 Rn 8.
[107] BGH, Urt. v. 24.3.1994 – I ZR 42/93, juris Rn 15; siehe auch Freifrau von Weichs/Foerstl, ZUM 2000, 897 (901).
[108] BVerfG, Beschl. v. 25.4.2016 – 1 BvR 2423/14, ZEV 2016, 578; BGH, Urt. v. 6.3.1952 – IV ZR 45/50, IV ZR 16/51, BeckRS 1952, 103508; Urt. v. 2.11.1960 – V ZR 124/59, NJW 1961, 602; Urt. v. 18.10.1961 – V ZR 192/60, NJW 1962, 245; Urt. v. 21.12.1964 – III ZR 226/62, BeckRS 2015, 3041; Urt. v. 28.2.1989 – XI ZR 91/88, NJW 1989, 1601; Beschl. v. 13.9.2018 – I ZB 109/17, RNotZ 2019, 82; Urt. v. 20.5.2020 – IV ZR 193/19, NJW 2020, 2187; OLG Brandenburg, Urt. v. 14.7.2020 – 3 U 38/19, ErbR 2020, 801 m. Anm. Krüger; Beschl. v. 11.2.1997 – 10 W 5/96, FamRZ 1998, 179; OLG Celle, Urt. v. 29.10.2020 – 6 U 34/20, NotBZ 2021, 145; Beschl. v. 25.3.2021 – 6 U 74/20, ZErb 2021, 199; OLG Düsseldorf, Beschl. 2.7.1993 – 7 W 36/93, BeckRS 1993, 09437; Beschl. v. 31.7.2007 – I-7 W 60/07, RNotZ 2008, 105; Urt. v. 6.7.2018 – 7 U 8/17, ZEV 2019, 90; Beschl. v. 16.12.2019 – 7 W 50/19, BeckRS 2019, 45110; OLG Frankfurt a. ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge