Entscheidungsstichwort (Thema)

Inhaltliche Anforderungen an das notarielle Nachlassverzeichnis

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nochmals: Der Notar, der ein Nachlassverzeichnis aufzunehmen hat, ist regelmäßig auch zur selbständigen Ermittlung der aufzunehmenden Gegenstände und Forderungen verpflichtet. Ein Verzeichnis, das sich lediglich auf die Beurkundung von Angaben des Erben gegenüber dem Notar beschränkt, erfüllt die Anforderungen nicht.

2. Inwieweit der Notar bei Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses zur Durchsicht von Kontounterlagen verpflichtet ist, insbesondere um zu prüfen, ob im Verwendungszweck "Schenkung" oder eine ähnliche Formulierung gebraucht ist, oder ob er die Kontoauszüge auf Auffälligkeiten überprüfen muss, die für eine Schenkung sprechen, lässt sich nur für den konkreten Einzelfall bestimmen.

 

Normenkette

BeurkG § 37 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; BGB § 2314 Abs. 1 S. 3; ZPO § 91

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Aktenzeichen 12 O 198/19)

 

Tenor

Nach übereinstimmender Erklärung der Erledigung der Hauptsache werden die Kosten des Rechtsstreits nach einem Wert von bis zu 6.000 EUR gegeneinander aufgehoben.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht durch eine isolierte Auskunftsklage als Pflichtteilsberechtigte einen Auskunftsanspruch durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses geltend.

Am 6. Februar 2018 verstarb die gemeinsame Mutter der Parteien. Der Beklagte ist testamentarischer Alleinerbe.

Mit Anwaltsschreiben vom 13. März 2018 (Anlagenband Klägerin) verlangte die Klägerin vom Beklagten Auskunft durch Vorlage eines geordneten Bestandsverzeichnisses über den Nachlass sowie Auskunft über mögliche "Vorschenkungen" der Erblasserin.

Mit Anwaltsschreiben vom 15. Mai 2018 (Anlagenband Klägerin) verlangte sie die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses. Mit weiterem Anwaltsschreiben vom 24. Juli 2018 (Anlagenband Klägerin) konkretisierte die Klägerin ihre Anforderungen an das zu erstellende notarielle Nachlassverzeichnis.

Der Notar C. erstellte unter dem 1. März 2019 zur UR-Nr. 80/19 ein "notarielles Nachlassverzeichnis", in dem niedergelegt wurde, welche Angaben der Beklagte zum Nachlass der Erblasserin zum Zeitpunkt des Todes machte (Anlagenband Klägerin). Danach hat der Beklagte nach seinen Angaben am 23. Februar 2017 eine Schenkung der Erblasserin in Höhe von 50.000 EUR erhalten. Außerdem heißt es, weitere Guthaben/Konten als die mit der Nr. 259 783 70.. und das Sparkonto 259 783 72.. (Mietsicherheit), H. V., seien nicht vorhanden. Beigefügt wurden insbesondere Kontoauszüge für das Konto 259 783 70.. der Erblasserin bei der H. V..

Unter dem 20. November 2019 ergänzte der Notar zur UR-Nr. 501/19 (Anlagenband Beklagter) das "notarielle Nachlassverzeichnis" durch die Erklärung des Beklagten, dass er andere Zuwendungen und Schenkungen zu Lebzeiten seiner Mutter als in dem Nachlassverzeichnis angeführt, nicht erhalten habe.

Mit am 11. November 2020 verkündetem Urteil hat die Einzelrichterin der 12. Zivilkammer des Landgerichts Hannover die Klage abgewiesen.

Der Antrag der Klägerin sei dahingehend auszulegen, dass sie nicht die Vorlage eines neu angefertigten notariellen Nachlassverzeichnisses begehre, sondern vielmehr eine Ergänzung um die im Schriftsatz vom 17. September 2020 angekündigten Fragen.

Im Grundsatz könne keine Ergänzung verlangt werden. Ein Ausnahmefall liege nicht vor. Eine Unrichtigkeit sei nicht ersichtlich. Der Notar sei kein Detektiv; ohne konkrete Anhaltspunkte müsse er nicht in alle Richtungen ermitteln. Der Notar habe nicht jede Barabhebung der Erblasserin in das Nachlassverzeichnis als mögliche Schenkung aufnehmen müssen. Zu berücksichtigen sei auch, wie transparent der Erbe von Anfang an hinsichtlich der Darstellung des Nachlasses vorgegangen sei.

Gegen das Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Das Nachlassverzeichnis erfülle die Anforderungen nicht. Einige Konten der Erblasserin seien dort gar nicht wiedergegeben worden, weil sie der Beklagte dem Notar nicht bekannt gegeben habe. Nicht ausreichend sei, dass der Beklagte nach dem Hinweis der Klägerin im Schriftsatz vom 27. Mai 2020 versucht habe, Erklärungen zu diesen Konten abzugeben. Sie lege aber Wert darauf, dass insoweit der Notar die Verantwortung übernehme. Dieser habe Informationen von Seiten der H. V. einzuholen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Beklagte der Klägerin eine umfassende unwiderrufliche Vollmacht erteilt, selbst Auskünfte bei der H. V. einzuholen. Im Anschluss daran haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

II. Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, war nach § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO über die Kosten des Rechtsstreits "unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen" zu entscheiden. Dies führte dazu, diese Kosten in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 1 ZPO gegeneinander aufzuheben.

1. Unzweifelhaft stehen der Klägerin grundsätzlich die Ansprüche aus § 2314 Ab...

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