Entscheidungsstichwort (Thema)

Auskunftspflicht des Erben gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten: Anforderungen an die Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses durch einen Notar

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Aufnahme eines notariellen Verzeichnisses über den Nachlass steht der Umfang der Ermittlungen über den Nachlassbestand nicht allein im Ermessen des Notars; vielmehr hat der Notar diejenigen Nachforschungen anzustellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde.

 

Normenkette

BGB § 2314 Abs. 1 Sätze 1-3

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Aktenzeichen 12 O 217/18)

 

Tenor

Die vom Streifhelfer für die Beklagte geführte Berufung gegen das am 20. April 2020 verkündete Teilurteil der Einzelrichterin der 12. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das angefochtene Urteil teilweise geändert und die Beklagte weiter verurteilt, den Kläger bei der Errichtung des notariellen Nachlassverzeichnisses hinzuzuziehen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 10.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Erfüllung der Auskunftspflicht durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses zur Berechnung eines im Wege der Stufenklage geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs.

Der Kläger ist der Sohn des am 13. Juni 2016 in H. verstorbenen F. M. (Erblasser). Die Beklagte ist die Ehefrau des Erblassers und dessen Alleinerbin. Nachdem die Beklagte auf Aufforderung des Klägers am 26. September 2016 Auskunft über den Nachlass erteilt hatte, forderte der Kläger sie mit Schreiben vom 8. Mai 2017 zur Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses auf (Anlage K6 Anlagenband Kläger). Nach erneuter Anmahnung durch den Kläger meldete sich der Streithelfer mit Schreiben vom 21. Juli 2017 und teilte mit, dass die Ausarbeitung des Nachlassverzeichnisses für den Zeitraum nach Beendigung der Sommerurlaubsperiode eingeplant sei. Am 17. Oktober 2017 ließ der Streithelfer dem den Kläger seinerzeit außergerichtlich vertretenden Prozessbevollmächtigten mitteilen, dass am 23. Oktober 2017 das notarielle Nachlassverzeichnis aufgenommen werde. Der Klägervertreter bat um Mitteilung von drei Terminen zur Aufnahme des Nachlassverzeichnisses, woraufhin ihm der Streithelfer mit Schreiben vom 26. Oktober 2017 einen Entwurf des notariellen Nachlassverzeichnisses übersandte und drei Terminvorschläge für den 8., 11. und 12. Dezember 2017 machte (vgl. Anlage K11. Anlagenband Kläger). Anschließend gab es weitere Korrespondenz zwischen Klägervertreter und Streithelfer betreffend die erforderlichen Tätigkeiten eines Notars bei Errichtung des Nachlassverzeichnisses. Unter dem 15. Januar 2018 übersandte der Streithelfer eine als "Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeichnisses" überschriebene notarielle Urkunde (URNr. 27/2018, vgl. Anlage K 14, Anlagenband Kläger).

Der Kläger hat mit der Stufenklage Auskunft über den Bestand des Nachlasses des Erblassers durch Vorlage eines notariellen Verzeichnisses, welches auf einer eigenen Ermittlungstätigkeit des Notars beruht, verlangt, daneben Vollständigkeitsversicherung und Zahlung von noch zu beziffernden Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen. Er hat gemeint, das notarielle Nachlassverzeichnis vom 15. Januar 2018 stelle keine Erfüllung seines Auskunftsanspruchs durch Vorlage eines notariellen Verzeichnisses dar. Der Streifhelfer habe sich überwiegend nur auf die Angaben der Erbin verlassen, jedoch keine eigene Ermittlungstätigkeit ausgeführt.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt. Sie hat die Ansicht vertreten, der Streithelfer habe keine weiteren Ermittlungen zum Zwecke der Erstellung des Nachlassverzeichnisses vornehmen müssen; das Verzeichnis sei vollständig. Der Notar habe die Ergebnisse seiner Ermittlungen in ausreichender Weise festgehalten.

Das Landgericht hat die Beklagte auf der Auskunftsstufe durch Teilurteil antragsgemäß verurteilt. Der Kläger habe einen Anspruch auf Auskunftserteilung über den Nachlass des Erblassers durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses aus § 2314 Abs. 1. S. 1 und 3 Variante 3 BGB. Der Anspruch sei nicht durch Vorlage des Verzeichnisses vom 15. Januar 2018 des Streithelfers erfüllt, denn das vorgelegte Nachlassverzeichnis entspreche nicht den Anforderungen. Das Verzeichnis sei offensichtlich unvollständig. Es fehlten Angaben zum Güterstand des Erblassers. Die Angaben im Verzeichnis hinsichtlich der Ölgemälde, des Eheringes, der Uhr des Erblassers, der Manschettenknöpfe und Krawattennadeln seien unzureichend, weil wertbildende Faktoren fehlten. Sofern eine genauere Beschreibung nicht möglich sei, müsse wenigstens ein Foto der Gegenstände dem Nachlassverzeichnis beigefügt und darauf Bezug genommen werden. Weiterhin seien die Angaben zu den unentgeltlichen Verfügungen des Erblassers unzureichend. Die Angaben i...

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