Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflichtteilsrecht: Auskunftsanspruch auf Grundstückswertgutachten

 

Normenkette

BGB §§ 2050, § 2050 ff, § 2314 Abs. 1

 

Gründe

Der Senat weist die Beklagte darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

I. Die Berufung dürfte keine Aussicht auf Erfolg bieten. Das LG hat die Beklagte zu Recht dazu verurteilt, Auskunft über ergänzungspflichtige Schenkungen (Urteilsformel zu cc., nachfolgend 1.) und ausgleichspflichtige Zuwendungen gem. §§ 2050 ff. BGB (Urteilsformel zu dd., nachfolgend 2.) zu erteilen sowie ein Sachverständigengutachten zum Wert des Kiedricher Hausgrundstücks einzuholen (Urteilsformel zu b., nachfolgend 3.).

1. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass sich die Auskunftspflicht des Erben gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten gem. § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB auf die fiktiven Nachlassaktiva erstreckt, d.h. auf nach § 2316 BGB ausgleichspflichtige Zuwendungen i.S.d. §§ 2050 ff. BGB und auf nach § 2325 BGB ergänzungspflichtige Schenkungen (vgl. nur BGHZ 33, 373, 374). Der Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten, der nicht Erbe ist, hängt bezüglich etwaiger Schenkungen nicht davon ab, dass Anhaltspunkte für solche bestehen (vgl. Palandt-Weidlich, BGB, 70. Aufl. 2011, § 2314 Rz. 9; Schindler ZEV 2007, 279); derartige Indizien setzt allein der aus § 242 BGB hergeleitete Anspruch des pflichtteilsberechtigten Erben voraus (vgl. BGHZ 61, 180, 185). Der auskunftspflichtige Erbe wird durch ein derart offenes Auskunftsbegehren entgegen der Ansicht der Beklagten nicht vor eine unlösbare Aufgabe gestellt. Inhalt seiner Auskunft kann auch insoweit selbstverständlich nur sein, was er weiß oder mit zumutbaren Anstrengungen in Erfahrung bringen kann. In zeitlicher Hinsicht ist der Urteilsausspruch durch das Kriterium "ergänzungspflichtig" ausreichend eingegrenzt (§ 2325 Abs. 3 BGB).

2. Am Rechtsschutzbedürfnis für den Auskunftsantrag zu dd. bezüglich ausgleichspflichtiger Zuwendungen i.S.d. §§ 2050 ff. BGB bestehen keine Zweifel. Die Kläger wissen nicht, ob ihr Vater noch weitere Abkömmlinge hatte. Wenn diese Frage im notariellen Nachlassverzeichnis mit "nein" beantwortet wird, ist sie insgesamt beantwortet.

3. Der Anspruch der Kläger auf Wertermittlung in Form eines Sachverständigengutachtens ergibt sich aus § 2314 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB. Die Kläger können nach dieser Vorschrift als enterbte Pflichtteilsberechtigte von der Beklagten als Erbin verlangen, ein Sachverständigengutachten einzuholen, weil der Kaufvertrag über das Kiedricher Hausgrundstück und die Schätzung eines Maklers für eine sachgerechte Bewertung des Objekts allein nicht ausreichen (vgl. BGH NJW 1975, 258, 259). Aus der von der Beklagten herangezogenen Rechtsprechung zur Bewertung von Nachlassgegenständen anhand des im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erbfall tatsächlich erzielten Verkaufserlöses (vgl. BGH NJW 2011, 1004 f. m.w.N.) ergibt sich nichts Anderes. Diese Rechtsprechung bezieht sich auf die 3. Stufe einer pflichtteilsrechtlichen Stufenklage, d.h. auf die Frage, auf welcher Bewertungsgrundlage der Pflichtteilsanspruch zu errechnen ist. Ein nach § 2314 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB einzuholendes Sachverständigengutachten dient letztlich nicht der Beantwortung dieser Frage, sondern vielmehr der vorläufigen Unterrichtung des Pflichtteilsberechtigten, dem die Beurteilung des Risikos eines Rechtsstreits über den Pflichtteil erleichtert werden soll (vgl. BGHZ 107, 200, 204), etwa eine Einschätzung zu der Frage, ob der tatsächlich erzielte Kaufpreis dem Verkaufswert entspricht oder ob besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise eine abweichende Bewertung rechtfertigen könnten.

II. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hätte oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erforderten.

Gelegenheit zu etwaiger Stellungnahme - auch zum Streitwert, der sich auf 1.500 EUR belaufen dürfte (geschätztes Interesse der Beklagten daran, die Auskünfte zu cc. und dd. des landgerichtlichen Urteils nicht erteilen und das Bewertungsgutachten zum Kiedricher Hausgrundstück nicht erteilen zu müssen, § 3 ZPO) - besteht bis zum 20.5.2011. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass auch im Anhörungsverfahren des § 522 Abs. 2 ZPO neuer Tatsachenvortrag gem. §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO grundsätzlich nicht zulässig ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2767393

NWB 2011, 3344

ZAP 2011, 1027

ZEV 2011, 379

NWB direkt 2011, 1056

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