Der Kläger macht gegen die Beklagten einen Anspruch auf seinen Zusatzpflichtteil nach § 2305 BGB geltend.[80] Die Erblasserin hatte in ihrem eigenhändigen Testament u.a. verfügt: "Wenn alles Verkauft ist, bekommen alle 10 % + 5 % die ich jetzt Namentlich schreibe. Der Rest ist für die Beerdigung und, 20 Jahre Pflege des Grabes." Die Beklagte, die von der Erblasserin als Testamentsvollstreckerin eingesetzt wurde, errichtete ein Nachlassverzeichnis, in dem sie Nachlassverbindlichkeiten (ohne Grabpflegekosten) i.H.v. 6.337,55 EUR verzeichnete. Ferner holte die Testamentsvollstreckerin Angebote für die Kosten einer 20-jährigen Grabpflege ein. Nach einem Angebot beliefen sich die Kosten auf 11.682,83 EUR, nach einem weiteren auf 7.329,57 EUR.

Der Kläger hat sich erstinstanzlich darauf berufen, ihm stehe ein Zusatzpflichtteil zu, da die Grabpflegekosten bei dem Zusatzpflichtteil nicht zu berücksichtigen seien. Das AG Mannheim[81] hat die Klage abgewiesen. Das LG Mannheim hat die hiergegen gerichtete Berufung mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Grabpflegekosten als Nachlassverbindlichkeiten anzusehen seien. Zwar handele es sich nicht um Beerdigungskosten i.S.d. § 1968 BGB, da die Beerdigung mit der erstmaligen Herrichtung der Grabstätte abgeschlossen sei. Hier sei jedoch die Anordnung im Testament, dass der "Rest" des Vermögens für eine 20-jährige Grabpflege zu verwenden sei, so auszulegen, dass den Erben testamentarisch die Pflicht auferlegt worden sei, für eine solche Grabpflege zu sorgen.[82]

Der BGH hat auf die vom Berufungsgericht zugelassene Revision hin das Urteil aufgehoben und dem Kläger seinen Zusatzpflichtteil aus dem nicht um die Grabpflegekosten gekürzten Nachlass zugesprochen. Die Kosten für die Grabpflege sind im Rahmen der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs gem. § 2311 BGB nicht als Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen. Zwar trägt gem. § 1968 BGB der Erbe die Kosten der Beerdigung des Erblassers. Hiervon erfasst werden aber nur die eigentlichen Kosten der Beerdigung, also des Bestattungsakts selbst, der seinen Abschluss mit der Errichtung einer zur Dauereinrichtung bestimmten und geeigneten Grabstätte findet. Kosten der Instandhaltung und Pflege der Grabstätte und des Grabmals zählen nicht mehr zu den Kosten der Beerdigung, sondern entspringen allenfalls einer sittlichen Verpflichtung des Erben.[83] Die Anordnung im Testament der Erblasserin, den Rest ihres Vermögens für die Beerdigung sowie 20 Jahre Grabpflege zu verwenden, vermag keine dem Kläger als Pflichtteilsberechtigten entgegenzuhaltende Nachlassverbindlichkeit zu begründen. Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören gem. § 1967 Abs. 2 BGB außer den vom Erblasser herrührenden Schulden die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten, insb. die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen. Eine auf einer Auflage beruhende Nachlassverbindlichkeit führt jedoch nicht zu einer Kürzung eines Pflichtteils- oder Zusatzpflichtteilsanspruchs. Nach einhelliger Auffassung ist der Pflichtteilsanspruch gegenüber den Ansprüchen aus Auflagen und Vermächtnissen vorrangig.[84]

Der Kläger ist als Miterbe in Höhe seiner Erbquote durch die Anordnung der Grabpflege mit einer Auflage beschwert. Bei der Berechnung des Werts des Zusatzpflichtteils bleiben Beschränkungen und Beschwerungen der in § 2306 BGB bezeichneten Art außer Betracht (§ 2305 S. 2 BGB). Der Berechtigte muss also die seinen Erbteil betreffenden Beschränkungen und Beschwerungen stets voll tragen, wenn er nicht ausschlägt. Lediglich für den Zusatzpflichtteil gem. § 2305 BGB bleiben die Beschränkungen und Beschwerungen außer Betracht.

[81] AG Mannheim v. 9.4.2019 – 2 C 5493/18, BeckRS 2019, 55112.
[82] LG Mannheim v. 2.7.2020 – 10 S 23/19, ZErb 2020, 369.
[83] BGH v. 20.9.1973 – III ZR 148/71; BGH v. 20.9.1973 – III ZR 148/71, BGHZ 61, 238, 239; RG v. 13.5.1939 – VI 256/38, RGZ 160, 255, 256; OLG Düsseldorf v. 12.2.2016 – 7 U 3/15, ZErb 2018, 104 = juris Rn 28; OLG Köln v. 21.11.2014 – 20 W 94/13, ZEV 2015, 355 Rn 4; OLG Schleswig v. 6.10.2009 – 3 U 98/08, ZErb 2010, 90 = juris Rn 32–35; OLG München v. 27.2.2008 – 3 U 2427/07, ErbR 2010, 59 = juris Rn 70; OLG Oldenburg v. 28.1.1992 – 5 U 96/91, FamRZ 1992, 987 = juris Rn 25 f.; LG Rottweil v. 5.2.2004 – 2 O 186/03, BeckRS 2004, 10336; aus der Literatur Staudinger/Herzog, BGB, 2015, § 2311 Rn 55; Staudinger/Kunz, BGB, 2020, § 1968 Rn 15; MüKo-BGB/Küpper, 8. Aufl., § 1968 Rn 4; Erman/Horn, § 1968 Rn 7; Palandt/Weidlich, 80. Aufl., § 1968 Rn 4; BeckOK-BGB/Lohmann, Stand: 1.2.2021, § 1968 Rn 5; Damrau/Tanck/Gottwald, Praxiskommentar Erbrecht, 4. Aufl., § 1968 Rn 14; jurisPK-BGB/Ehm, 9. Aufl., § 1968 Rn 14; Märker, MDR 1992, 217; a.A. LG Heidelberg v. 31.5.2011 – 5 O 306/09, ZEV 2011, 583 = juris Rn 61; AG Neuruppin v. 17.11.206 – 42 C 324/05, ZEV 2007, 597 = juris Rn 35, jeweils mit Verweis auf die Argumentation von Damrau, ZEV 2004, 456.

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