Rdn 3695

 

Literaturhinweise:

Artkämper/Jacobs, Polizeibeamte als Zeugen vor Gericht, 2017

Farthofer/Rückert, Die höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 252 StPO im Lichte eines grund- und menschenrechtskonformen Strafverfahrens, HRRS 2017, 123

Gerst (Hrsg.), Zeugen in der Hauptverhandlung, 2. Aufl. 2020

Hof, Polizeizeugen – Zeugen im Sinne der StPO, HRRS 2015, 277

Meyer, Die Vernehmung der richterlichen Verhörsperson trotz § 252 StPO, StV 2015, 319

Theune, Polizeibeamte als Berufszeugen in Strafverfahren, StV 2020, 321

s.a. die Hinw. bei → Verlesung von Protokollen, Geständnisprotokolle, Teil V Rdn 3494, bei → Verlesung von Protokollen, Verlesung nach Zeugnisverweigerung, Teil V Rdn 3573, bei → Vernehmung eines Polizeibeamten, Teil V Rdn 3703, und bei → Zeuge, Zeuge vom Hörensagen, Teil S Rdn 4236.

 

Rdn 3696

1. In der Praxis müssen sich Verteidiger häufig mit den Fragen der Vernehmung einer Verhörsperson auseinandersetzen, und zwar insbesondere dann, wenn der Angeklagte im EV Angaben gemacht hat, aber in der HV schweigt, oder wenn er ein im EV abgelegtes Geständnis widerrufen hat (dazu Teil V Rdn 3697), aber auch dann, wenn es um die Verwertung der früheren Aussage eines nun das Zeugnis verweigernden Zeugen geht (dazu Teil V Rdn 3698). Die Einzelheiten der damit zusammenhängenden Fragen, die für den Angeklagten erhebliche Bedeutung haben können, sind bei den nachstehend angeführten Stichwörtern im Einzelnen eingehend dargestellt. Sie sollen hier aber wegen ihrer Bedeutung in einem Überblick noch einmal zusammengefasst werden (eingehend zum Zeuge vom Hörensagen → Zeuge, Zeuge vom Hörensagen, Teil Z Rdn 4236, Eisenberg, Rn 1027 ff.; Detter NStZ 2003, 1; s. auch noch Artkämper/Jacobs, Polizeibeamte als Zeugen vor Gericht, 2017).

 

☆ Allgemein gilt: Bei der Vernehmung einer Verhörsperson handelt es sich nach h.M. um eine an sich mittelbare Beweiserhebung. Da dieser Zeuge vom Hörensagen (→  Zeuge vom Hörensagen , Teil Z Rdn  4236 ) in der HV jedoch unmittelbar als Zeuge vernommen wird, liegt insoweit keine Durchbrechung des →  Unmittelbarkeitsgrundsatzes , Teil U Rdn  3116 , vor. Wegen der Mittelbarkeit des Zeugnisses muss das Gericht den Beweiswert der Bekundungen dieses Zeugen aber besonders kritisch prüfen (OLG Koblenz StV 2007, 519; s. die weit. Rspr.-Nachw. bei →  V-Mann in der Hauptverhandlung , Teil V Rdn  3930 ). gilt: Bei der Vernehmung einer Verhörsperson handelt es sich nach h.M. um eine an sich mittelbare Beweiserhebung. Da dieser "Zeuge vom Hörensagen" (→ Zeuge vom Hörensagen, Teil Z Rdn 4236) in der HV jedoch unmittelbar als Zeuge vernommen wird, liegt insoweit keine Durchbrechung des → Unmittelbarkeitsgrundsatzes, Teil U Rdn 3116, vor. Wegen der Mittelbarkeit des Zeugnisses muss das Gericht den Beweiswert der Bekundungen dieses Zeugen aber besonders kritisch prüfen (OLG Koblenz StV 2007, 519; s. die weit. Rspr.-Nachw. bei → V-Mann in der Hauptverhandlung, Teil V Rdn 3930).

 

Rdn 3697

2. Will das Gericht eine frühere Aussage des Angeklagten, der nun schweigt oder sich gegenüber seinen Angaben im EV anders einlässt, durch die Vernehmung einer Verhörsperson verwerten, gilt:

Das Gericht kann die Verhörsperson vernehmen, und zwar sowohl den (Ermittlungs-)Richter als auch den vernehmenden Ermittlungsbeamten (vgl. u.a. BGHSt 14, 310, 312; 22, 170, 171; Eisenberg, Rn 883).
Es kann nach § 254 Abs. 1 auch ein richterliches Geständnis des Angeklagten verlesen werden (→ Verlesung von Protokollen, Geständnisprotokolle, Teil V Rdn 3494; zu den Einschränkungen Teil V Rdn 3505 ff.). Die Verlesung von Protokollen polizeilicher Vernehmungen ist hingegen unzulässig. Dem steht § 250 entgegen (BGH, Beschl. v. 23.5.2018 – 4 StR 584/17, NStZ 2019, 106; a.A., wenn der Angeklagte einverstanden ist, Bohlander NStZ 1998, 396; a.A. auch Kloke, NStZ 2019, 374, der die ergänzende Verlesung nach abgeschlossener Vernehmung der Verhörsperson für zulässig hält).
Die Verlesung polizeilicher Vernehmungsprotokolle ist auch dann unzulässig, wenn der Vernehmungsbeamte sich nicht mehr an die Richtigkeit der Protokollierung erinnern kann, allerdings ist ein Vorhalt zur Gedächtnisstütze erlaubt (BGHSt 22, 170; BGH NStZ 2010, 406 für Vernehmung eines Richters nach Zeugnisverweigerung; wegen der Einzelh. → Verlesung von Protokollen, Geständnisprotokolle, Teil V Rdn 3494; → Vorhalt aus und von Urkunden, Teil V Rdn 4000).
 

Rdn 3698

3. Für die früheren, i.d.R. im EV gemachten Angaben eines Zeugen gilt:

Sie sind ebenso wie die früheren Angaben des Angeklagten zu behandeln, so dass polizeiliche Vernehmungsprotokolle nicht als Vernehmungsersetzung, wohl aber als Ergänzung verlesen werden dürfen (vgl. im Einzelnen Meyer-Goßner/Schmitt, § 250 Rn 11).

Macht der Zeuge in der HV von einem sich aus den §§ 52, 53 ergebenden Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch (→ Zeuge, Zeugnisverweigerungsrecht, Teil Z Rdn 4242) dann gilt nach h.M. ein über den Wortlaut des § 252 hinausgehendes (allgemeines) Verwertungsverbot (wegen der Einzelh. → Verlesung von Protokollen, Verlesun...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge