Das Wichtigste in Kürze:

1. Nach § 251 Abs. 1 können (nichtrichterliche und richterliche) Protokolle und Urkunden, die eine von der Auskunftsperson stammende schriftliche Erklärung enthalten, verlesen werden.
2. Entscheidend für die Zulässigkeit der Verlesung eines früheren Vernehmungsprotokolls gem. § 251 ist die Rolle, die die zu vernehmende Person bei einer Vernehmung im gegenwärtigen Verfahren einnehmen würde.
3. Die Regelung in § 251 Abs. 1 bezieht sich insbesondere auf Protokolle, die von Polizei-, Finanz-, Bußgeld- oder anderen Behörden, gleichgültig in welchem Verfahren, aufgenommen worden sind.
4. Verlesen werden darf nach h.M. nach Abs. 1 auch ein fehlerhaft, also z.B. ein unter Verstoß gegen die Benachrichtigungspflicht, zustande gekommenes Protokoll über eine richterliche Vernehmung, das nach § 251 Abs. 2 nicht verwertet werden darf.
5. Nach § 251 Abs. 1 Nr. 1 ist die Verlesung der Urkunden erlaubt, wenn der StA, der Verteidiger und der Angeklagte einverstanden sind.
6. Nach § 251 Abs. 1 Nr. 2 ist die Verlesung von Protokollen/Urkunden erlaubt, wenn sie lediglich der Bestätigung eines Geständnisses des Angeklagten dient und der Angeklagte, der keinen Verteidiger hat, sowie der Staatsanwalt der Verlesung zustimmen.
7. Nach § 251 Abs. 1 Nr. 3 ist die Verlesung in bestimmten Fällen erlaubt, wenn der Zeuge nicht oder nicht mehr vernommen werden kann.
8. Nach § 251 Abs. 1 Nr. 4 ist die Verlesung des Protokolls oder der Urkunde erlaubt, wenn das Protokoll oder die Urkunde das Vorliegen oder die Höhe eines Vermögensschadens betrifft.
9. Die Verlesung des Vernehmungsprotokolls wird gem. § 251 Abs. 4 S. 1 und 2 durch Gerichtsbeschluss angeordnet.
 

Rdn 3528

 

Literaturhinweise:

S. die Hinw. bei → Urkundenbeweis, Allgemeines, Teil U Rdn 3162, bei Verlesung von Protokollen, Allgemeines, Teil V Rdn 3488, m.w.N., bei → Verlesung Protokollen, Geständnisprotokolle, Teil V Rdn 3494, bei → Verlesung von Protokollen, Verlesung nach Zeugnisverweigerung, Teil V Rdn 3573, und bei → Verlesung von Protokollen, Verlesung zur Gedächtnisstützung, Teil V Rdn 3594.

 

Rdn 3529

1. Nach § 251 Abs. 1 können (nichtrichterliche und richterliche) Protokolle und Urkunden, die eine von der Auskunftsperson stammende schriftliche Erklärung enthalten, verlesen werden (vgl. eingehend Gubitz/Bock NJW 2008, 958; Mosbacher NStZ 2014, 1 ff.). Die Anwendung der Vorschrift ist auch neben der Vernehmung eines Zeugen zur Erlangung ergänzender Erkenntnisse, z.B. zur Frage der Glaubwürdigkeit, zulässig (BGH StV 2008, 123; zur ergänzenden Verlesung Mosbacher NStZ 2014, 1 ff.; OLG Hamm, Beschl. v. 1.9.2020 – III 5 RVs 72/20, StraFo 2021, 345; zur [ergänzenden] Verlesung polizeilicher Vernehmungsprotokolle des Angeklagten Kloke NStZ 2019, 374).

 

☆ Bei Anwendung/Prüfung der älteren Rspr. ist darauf zu achten, dass § 251 Abs. 1 durch das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens v. 17.8.2017 erweitert worden ist, indem man eine neue Nr. 2 (dazu Teil V Rdn  3535  ff.) eingefügt hat. Dadurch haben sich die übrigen Anwendungsfälle in der Bezeichnung verschoben.§ 251 Abs. 1 durch das "Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens" v. 17.8.2017 erweitert worden ist, indem man eine neue Nr. 2 (dazu Teil V Rdn 3535 ff.) eingefügt hat. Dadurch haben sich die übrigen Anwendungsfälle in der Bezeichnung verschoben.

 

Rdn 3530

2. Entscheidend für die Zulässigkeit der Verlesung eines früheren Vernehmungsprotokolls gem. § 251 ist nicht die Stellung, die die Auskunftsperson (Zeuge, SV oder Mitangeklagter) im Zeitpunkt der Aufnahme der (zu verlesenden) Vernehmung hatte, sondern die Rolle, die sie bei einer Vernehmung im gegenwärtigen Verfahren einnehmen würde (BGHSt 10, 186; BGH NStZ 2010, 403; LR-Sander-Cirener, § 251 Rn 43). Es kann daher auch die Aussage eines früheren Mitbeschuldigten verlesen werden, gegen den das Verfahren erledigt oder abgetrennt ist (BGH, a.a.O.; NJW 1985, 76; Meyer-Goßner/Schmitt, § 251 Rn 4 m.w.N.). Das gilt aber dann nicht, wenn dem früheren Beschuldigten, würde er jetzt als Zeuge vernommen, ein Zeugnisverweigerungsrecht nach den §§ 52 ff. zustehen würde (BGHSt 10, 186; OLG Koblenz StV 2014, 330; → Zeuge, Zeugnisverweigerungsrecht, Teil Z Rdn 4242, → Verlesung von Protokollen, Verlesung nach Zeugnisverweigerung, Teil V Rdn 3573).

 

☆ § 251 erfasst aber nicht die Verlesung von Protokollen früherer Vernehmungen/Erklärungen des Angeklagten oder von Mitangeklagten (vgl. BGH NStZ 2012, 322 zur (vernehmungsergänzenden) Verlesung einer Erklärung des Mitangeklagten aus einem anderen Verfahren; BGH, Beschl. v. 23.5.2018 – 4 StR 584/17, NStZ 2019, 106; zur Zulässigkeit vernehmungsergänzender Verlesung a. Mosbacher NStZ 2014, 1; Kloke NStZ 2019, 374). Diese richtet sich i.Ü. nach §§ 231a Abs. 1 S. 2, 233 Abs. 2 S. 2 und 254 (OLG Köln NJW 1982, 2457 [Ls.]; →  Entbindung des Angeklagten vom Erscheinen in der Hauptverhandlung , Teil E Rdn  1714 ; →  Verhandlungsfähigkeit , selbst herbeige...

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