Das Wichtigste in Kürze:

1. Der Urkundenbeweis im Strafverfahren ist in den §§ 249 – 256 geregelt. § 249 beschreibt das Beweisverfahren an sich, die §§ 250 ff. regeln besondere Formen des Urkundenbeweises.
2. Urkundenbeweis ist Kenntnisnahme vom Inhalt einer Urkunde durch Verlesen, d.h. durch unmittelbares Umsetzen von Schrift- und Zahlzeichen in Worte. Er ist immer dann anzuwenden, wenn es auf den gedanklichen Inhalt ankommt.
3. Die Grenzen des Urkundenbeweises ergeben sich aus den allgemeinen Beweis- und Beweisverwertungsverboten.
4. Der strafprozessuale Urkundenbegriff deckt sich nicht mit dem des materiellen Strafrechts. Was Urkunden i.S.d. Vorschriften über den Urkundenbeweis sind, ist z.T. in § 249 Abs. 1 geregelt.
5. Der Urkundenbeweis wird regelmäßig in der Form der Verlesung erhoben. Es muss nicht die gesamte Urkunde verlesen werden.
6. Unabhängig von der Frage, ob die Urkunde überhaupt als Beweismittel verwendet werden darf, muss der Verteidiger immer auch die Frage der Beweiskraft sorgfältig prüfen sowie in welchem Umfang eine Urkunde verlesen werden soll. Verstöße gegen § 249 sind mit der Verfahrensrüge geltend zu machen.
 

Rdn 3163

 

Literaturhinweise:

Armbrüster, Fremdsprachen im Gerichtsverfahren, NJW 2011, 812

Deutscher, Fotokopien und Faxe als Tatobjekte der Urkundenfälschung, StRR 2008, 51

M. Feldmann, Transparenz statt Mündlichkeit, Konzentration von Verhandlungsstoff statt von Verhandlungstagen! – Ein Konzept zur Modernisierung des Selbstleseverfahrens, wistra 2020, 1

­Geerds, Über Vorhalt und Urkundenbeweis mit Vernehmungsprotokollen, in: Festschrift für Günter Blau, 1985, S. 67

Heuer, Beweiswert von Mikrokopien bei vernichteten Originalunterlagen, NJW 1982, 1505

Kloke, Zur Zulässigkeit der ergänzenden Verlesung von Vernehmungsprotokollen, die Angaben des Angeklagten enthalten zugleich eine Besprechung von BGH, Beschl. v. 23.5.2018 – 4 StR 584/17, NStZ 2019, 374

Krüger, Erklärungen von Behörden, Sachverständigen und Ärzten im Strafprozess,, in

Festgabe für Imme Roxin, 2012, S. 601

ders., Zur Änderungen von § 256 Abs. 1 Nr. 2 StPO durch das "Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens", StV 2018, 316

Mosbacher, Zur Zulässigkeit vernehmungsergänzender Verlesung, NStZ 2014, 1

Paulus, Rechtsdogmatische Bemerkungen zum Urkundenbeweis in der Hauptverhandlung im Strafverfahren, JuS 1988, 873

Sommer, Von der richterlichen Faszination polizeilicher Vernehmungsprotokoll und wie Verteidigung sie trüben kann, StraFo 2018, 451

Weiß, Elektronische Dokumente in der Hauptverhandlung nach neuem Strafverfahrensrecht, wistra 2018, 245

Welp, Strafurteile als Beweismittel im Strafprozess, in: Festschrift für Egon Müller, 2008, S. 765

Wömpner, Zum Urkundenbeweis mit Fotokopien und anderen Reproduktionen, MDR 1980, 889

ders., Zur Verlesung früherer Urteile, NStZ 1984, 481.

 

Rdn 3164

1. Der Urkundenbeweis im Strafverfahren ist in den §§ 249 – 256 geregelt. § 249 beschreibt das Beweisverfahren an sich, die §§ 250 ff. regeln besondere Formen des Urkundenbeweises (zum Urkundenbeweis eingehend Alsberg/Dallmeyer, Rn 426 ff.).

 

☆ Die Verlesung des Urteils 1. Instanz in der Berufungs-HV im Bericht des Vorsitzenden ist keine Beweiserhebung durch Urkundenbeweis (RGSt 61, 287; KG, Beschl. v. 4.3.2020 – 121 Ss 32/20, StRR 11/2020, 18; OLG Hamm NJW 1974, 1880; OLG Stuttgart NStZ-RR 2003, 269; Meyer-Goßner/Schmitt , § 324 Rn 5; zum Bericht des Vorsitzenden und zur Verlesung von Schriftstücken u.a. gem. § 325 in der Berufungs-HV → Berufung, Berufungshauptverhandlung , Teil B Rdn  722 ).Berufungs-HV im Bericht des Vorsitzenden ist keine Beweiserhebung durch Urkundenbeweis (RGSt 61, 287; KG, Beschl. v. 4.3.2020 – 121 Ss 32/20, StRR 11/2020, 18; OLG Hamm NJW 1974, 1880; OLG Stuttgart NStZ-RR 2003, 269; Meyer-Goßner/Schmitt, § 324 Rn 5; zum Bericht des Vorsitzenden und zur Verlesung von Schriftstücken u.a. gem. § 325 in der Berufungs-HV → Berufung, Berufungshauptverhandlung, Teil B Rdn 722).

 

Rdn 3165

Grds. ist der Urkundenbeweis immer zulässig, es sei denn, das Gesetz untersagt ihn ausdrücklich (zuletzt BGH NStZ 2012, 322 m.w.N.). Der Richter darf nämlich aus allen Erkenntnisquellen, also auch aus allen Arten von Protokollen, ohne Bestätigung durch Auskunftspersonen jeden denkgesetzlich möglichen Schluss ziehen (KK-Diemer, § 249 Rn 5 m.w.N.; dazu auch BGH, a.a.O., für von Mitangeklagten in anderen Verfahren abgegebene eidesstattliche Versicherungen). Es dürfen aber nicht ärztliche Bescheinigungen/Berichte zur "Untermauerung" der Einlassung des Angeklagten verlesen werden (BGH NStZ 2015, 476 [Umgehung von § 250 S. 2; → Unmittelbarkeitsgrundsatz, Teil U Rdn 3116).

 

Rdn 3166

2.a) Urkundenbeweis ist Kenntnisnahme vom Inhalt einer Urkunde i.S. des § 249 Abs. 1 durch Verlesen, d.h. durch unmittelbares Umsetzen von Schrift- und Zahlzeichen in Worte. Er ist immer dann anzuwenden, wenn es auf den gedanklichen Inhalt ankommt (vgl. u.a. Meyer-Goßner/Schmitt, § 249 Rn 1; BGH NStZ 2014, 606 m.w.N.; NStZ-RR 2017, 74; zur Abgrenz...

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