Das Wichtigste in Kürze:

1. § 253 Abs. 1 erlaubt zur Unterstützung des Gedächtnisses der Auskunftsperson die – ggf. teilweise – Verlesung des Protokolls über eine frühere Vernehmung.
2. Voraussetzung der Verlesung nach § 253 ist zunächst die Anwesenheit des Zeugen oder SV in der HV.
3. Verlesen werden können nach § 253 sowohl richterliche als auch nichtrichterliche Vernehmungen aus jedem Abschnitt des Strafverfahrens, aber auch aus anderen Verfahren.
4. Die Entscheidung über die Verlesung trifft zunächst nach § 238 Abs. 1 der Vorsitzende.
5. Die Verlesung und der Grund sind nach § 255 auf Antrag des Angeklagten und des Verteidigers im Protokoll zu erwähnen.
6. Die gesetzliche Regelung des § 253 ist nach h.M. eine Kombination zwischen Zeugen- und Urkundenbeweis Der Urkundenbeweis darf jedoch nicht den Zeugenbeweis ersetzen, sondern muss Vernehmungsbehelf bleiben.
 

Rdn 3595

 

Literaturhinweise:

Geerds, Über Vorhalt und Urkundenbeweis mit Vernehmungsprotokollen, in: Festschrift für Günter Blau, 1985, S. 67

Gerst, Vorhalt und § 253 StPO, StraFo 2018, 273

Grünwald, Beweisverbote und Verwertungsverbote im Strafverfahren, JZ 1966, 489

Hanack, Protokollverlesungen und -vorhalte als Vernehmungsbehelf, in: Festschrift für Erich Schmidt-Leichner, 1977, S. 83

Kirchmann/Petzold, Der Umgang mit dem Vorhalt – oder: Strafverteidigung bei Vorhalten, StRR 2013, 444

Kloke, Zur Zulässigkeit der ergänzenden Verlesung von Vernehmungsprotokollen, die Angaben des Angeklagten enthalten zugleich eine Besprechung von BGH, Beschl. v. 23.5.2018 – 4 StR 584/17, NStZ 2019, 374

Kuckuck, Zur Zulässigkeit von Vorhalten aus Schriftstücken in der Hauptverhandlung des Strafverfahrens, 1977

Mosbacher, Zur Zulässigkeit vernehmungsergänzender Verlesung, NStZ 2014, 1

Riegner, Verhörsbeamte als Zeugen in der Hauptverhandlung, NJW 1961, 63

Wömpner, Ergänzender Urkundenbeweis neben §§ 253, 254 StPO? – Zur Bedeutung und zum wechselseitigen Verhältnis der §§ 250, 253, 254 StPO, NStZ 1983, 293

s.a. die Hinw. bei → Urkundenbeweis, Allgemeines, Teil U Rdn 3162, und bei → Verlesung von Protokollen, Allgemeines, Teil V Rdn 3488, m.w.N.

 

Rdn 3596

1.a) Häufig erklären Zeugen oder SV bei ihrer Vernehmung, dass sie sich an etwas nicht mehr erinnern können. In diesen Fällen erlaubt § 253 Abs. 1 zur Unterstützung des Gedächtnisses der Auskunftsperson die – ggf. teilweise – Verlesung des Protokolls über eine frühere Vernehmung (vgl. Teil V Rdn 3600). § 253 erlaubt aber nicht die vernehmungsergänzende Verlesung von Vernehmungsprotokollen, wenn nicht die Voraussetzungen des § 253 vorliegen (dazu → Verlesung von Protokollen, richterliche Vernehmungsprotokolle, Teil V Rdn 3558 ff.; zur Abgrenzung a. Mosbacher NStZ 2014, 1, 4; Gerst StraFo 2018, 273, 276 und zur ergänzenden Verlesung polizeilicher Vernehmungsprotokolle Kloke NStZ 2019, 374). Eine Verlesung einer von einem Vernehmungsbeamten polizeilichen Vernehmungsniederschrift nach § 253 Abs. 1 kommt auch nicht in Betracht, wenn der Vernehmungsbeamte erklärt, er könne sich an den Inhalt der Vernehmung nicht erinnern. Denn die Vorschrift ist nur anwendbar, wenn es sich bei dem Zeugen, dessen Gedächtnis unterstützt werden soll, um dieselbe Person handelt, deren Aussage in dem zu verlesenden Protokoll festgestellt wurde (BGH NStZ 2013, 479 m. Anm. Burhoff StRR 2013, 217).

 

Rdn 3597

b) Nach § 253 Abs. 2 ist die Verlesung außerdem erlaubt, wenn ein in der Vernehmung hervorgetretener Widerspruch mit der früheren Aussage nicht auf andere Weise ohne Unterbrechung der HV festgestellt oder behoben werden kann (dazu Gerst StraFo 2018, 273, 277 f.). Kann der Widerspruch anders geklärt werden, insbesondere durch Vernehmung der Verhörsperson, ist die Verlesung unzulässig (BGH NStZ 2002, 46). Der Verlesung bedarf es auch dann nicht, wenn der Zeuge nach Vorhalt der früheren Aussage angibt, zwar so ausgesagt zu haben, dies sei aber gelogen gewesen (BGH, a.a.O.).

 

☆ Da es sich bei der Protokollverlesung zur Gedächtnisstützung in der Form des förmlichen Vorhalts um eine (besondere) Form des Urkundenbeweises ( Meyer-Goßner/Schmitt , § 253 Rn 1; a.A. z.T. die o.a. Lit.-Hinw. [nur besondere Form des Vorhalts]) handelt, durch die die Vernehmung der Verhörsperson ersetzt wird, muss der Verteidiger besonders darauf achten, dass die Voraussetzungen des § 253 vorliegen (s.a. Teil V Rdn  3598  ff.)."förmlichen Vorhalts" um eine (besondere) Form des Urkundenbeweises (Meyer-Goßner/Schmitt, § 253 Rn 1; a.A. z.T. die o.a. Lit.-Hinw. [nur besondere Form des Vorhalts]) handelt, durch die die Vernehmung der Verhörsperson ersetzt wird, muss der Verteidiger besonders darauf achten, dass die Voraussetzungen des § 253 vorliegen (s.a. Teil V Rdn 3598 ff.).

Neben der Protokollverlesung nach § 253 bleibt die Möglichkeit, der Auskunftsperson aus dem ­Protokoll Vorhalte zu machen (Meyer-Goßner/Schmitt, § 253 Rn 10 m.w.N.; → Vorhalt aus und von Urkunden, Teil V Rdn 4000).

 

Rdn 3598

2.a) Voraussetzung der Verlesung nach § 253 ist zunächst die Anwesenheit des Zeugen oder SV in der ...

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