Rz. 63

Umstritten ist, ob für das Beschwerdegericht das Verschlechterungsverbot gilt (zur Abhilfeentscheidung des Erinnerungsgerichts vgl. Rdn 52). Ein Verschlechterungsverbot ist für einfache Beschwerdeverfahren weder im RVG noch z.B. in der StPO vorgesehen.[164] Das spricht dafür, dass das Verschlechterungsverbot im Beschwerdeverfahren nach Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 ff. nicht gilt.[165] Auf die Beschwerde der Staatskasse kann deshalb in der Beschwerdeentscheidung eine geringere Vergütung als in der Erinnerungsentscheidung festgesetzt werden. Allerdings ist auf die Beschwerde der Staatskasse dann auch eine nachteilige Änderung möglich (Erhöhung der Vergütung).[166] Auf die Beschwerde des Rechtsanwalts darf ein niedrigerer Betrag als in der Erinnerungsentscheidung festgesetzt werden, wenn das Verschlechterungsverbot verneint wird.[167] Wird davon ausgegangen, dass das Verschlechterungsverbot eingreift, gilt dies aber nur für den insgesamt festgesetzten Betrag, nicht aber für die diesem Betrag zugrunde liegenden einzelnen Gebühren- und Auslagenpositionen. Insoweit können deshalb für den Beschwerdeführer nachteilige Änderungen erfolgen bzw. Positionen bei unverändertem Gesamtergebnis ausgetauscht werden.[168]

 

Rz. 64

Ob auf die Beschwerde des Rechtsanwalts gegen eine teilweise Absetzung der Vergütung auch die gesamte vom Urkundsbeamten bereits festgesetzte Vergütung überprüft werden kann, auch wenn die Staatskasse insoweit keine Erinnerung/Beschwerde eingelegt hat, ist umstritten.[169] Wird der Auffassung gefolgt, dass die vollständige Überprüfung möglich ist, kann sich der Rechtsanwalt bei Anwendung des Verschlechterungsverbots nur sicher sein, dass auf seine Erinnerung/Beschwerde keine geringere Vergütung festgesetzt wird als bisher geschehen.[170] Er kann hingegen nicht damit rechnen, dass ihm insgesamt ein höherer Vergütungsbetrag zuerkannt wird, selbst wenn die Absetzung einer Gebühr oder eines Auslagenbetrags zu Unrecht erfolgt ist. Auf die Erinnerung/Beschwerde der Staatskasse ist dann ebenfalls die gesamte Vergütung zu überprüfen, es kann aber nur eine geringere, aber keine höhere Vergütung festgesetzt werden.[171]

[164] Meyer-Goßner, StPO, § 464b Rn 8; OLG Hamburg NStZ-RR 2011, 64; OLG Hamburg RVGreport 2012, 67 = StraFo 2010, 307; OLG Hamburg NStZ-RR 2010, 327; OLG Düsseldorf JurBüro 1991, 1662; OLG Karlsruhe JurBüro 1986, 1539.
[165] Vgl. OLG Düsseldorf 22.9.2014 – III-1 Ws 307/14, III-1 Ws 312/14; OLG Hamburg RVGreport 2012, 67 = StraFo 2010, 307; OLG Hamburg NStZ-RR 2011, 64; OLG Hamburg NStZ-RR 2010, 327; so auch für die Beschwerde gegen die Kostenfestsetzung gem. § 464b StPO: KG RVGreport 2012, 583 = wistra 2012, 324; noch zur BRAGO OLG Celle Rpfleger 2001, 97; OLG Düsseldorf JurBüro 1991, 1662; KG MDR 1982, 251; OLG Karlsruhe JurBüro 1986, 1539; a.A. OVG Hamburg AGS 2015, 90 = Rpfleger 2013, 544; OLG Oldenburg NJW 2011, 1614; BayLSG 8.1.2013 – L 15 SF 232/12 B E; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, § 56 Rn 29; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, § 33 Rn 15; Mayer/Kroiß/Kießling, RVG, § 56 Rn 19, 29.
[166] OLG Hamburg RVGreport 2012, 67 = StraFo 2010, 307; OLG Hamburg NStZ-RR 2011, 64; so auch für die Beschwerde gegen die Kostenfestsetzung gem. § 464b StPO: KG RVGreport 2012, 583 = wistra 2012, 324; OLG Hamburg NStZ-RR 2010, 327; noch zur BRAGO OLG Celle Rpfleger 2001, 97; OLG Düsseldorf JurBüro 1991, 1662; KG MDR 1982, 251; OLG Karlsruhe JurBüro 1986, 1539; Meyer-Goßner, StPO, § 464b Rn 8; a.A. OLG Oldenburg NJW 2011, 1614; BayLSG8.1.2013 – L 15 SF 232/12 B E; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, § 56 Rn 29; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, § 33 Rn 15; Mayer/Kroiß/Kießling, RVG, § 56 Rn 19, 29.
[167] OLG Düsseldorf 22.9.2014 – III-1 Ws 307/14, III-1 Ws 312/14; OLG Hamburg NStZ-RR 2011, 64; OLG Hamburg RVGreport 2012, 67 = StraFo 2010, 307; a.A. ThürLSG 17.7.2018 – L 1 SF 680/16 B, ohne Erinnerung der Staatskasse ist die Festsetzung auf die Gesamthöhe der von der Vorinstanz zuerkannten Gebühren garantiert; OLG Oldenburg NJW 2011, 1614, auf die Beschwerde des Rechtsanwalts darf das Beschwerdegericht nur prüfen, ob die Vergütung zu erhöhen ist; OVG Hamburg AGS 2015, 90 = Rpfleger 2013, 544, Änderung nicht möglich für die nicht angegriffenen Kostentatbestände.
[168] Vgl Zöller/Heßler, § 572 Rn 40; Riedel/Sußbauer/Ahlmann, § 56 Rn 7; krit. OLG Frankfurt 12.5.2014 – 20 W 236/13.
[169] Dafür LSG NRW 5.10.2016 – L 19 AS 1104/16 B; LSG Sachsen-Anhalt RVGreport 2015, 302; Riedel/Sußbauer/Ahlmann, § 56 Rn 7; abl. BayLSG 8.1.2013 – L 15 SF 232/12 B E; BayLSG 16.12.2016 – L 15 SF 63/15.
[170] Vgl. Riedel/Sußbauer/Ahlmann, § 56 Rn 7.
[171] Riedel/Sußbauer/Ahlmann, § 56 Rn 7.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge