Rz. 5

Beiordnung und Bestellung sind rechtsgestaltende Verwaltungsakte. Durch sie werden öffentlich-rechtliche Schuldverhältnisse begründet zwischen dem Anwalt und der Körperschaft, welche die Beiordnung oder Bestellung vorgenommen hat. Diese Sonderrechtsbeziehung wird zwar einseitig geschaffen, ist aber vertragsähnlich konzipiert, entfaltet Schutzwirkungen zugunsten der Partei[1] und hat Elemente einer fremdnützigen Beauftragung (vgl. § 7 Rdn 6). Durch die Beiordnung oder Bestellung wird der Anwalt aufgefordert, der Partei im Rahmen des Verfahrens, für das die Beiordnung oder Bestellung gelten soll, seine Dienste anzubieten. Kommt es deshalb zu einer gebührenpflichtigen Tätigkeit des beigeordneten oder bestellten Anwalts (dazu und im Übrigen siehe Rdn 30 ff.),[2] etwa weil die Partei mit dessen Geschäftsbesorgung tatsächlich oder mutmaßlich einverstanden ist, kann der Anwalt dafür im Allgemeinen oder nach Erfüllung spezieller Anspruchsvoraussetzungen (Abs. 2) eine Entlohnung aus der Staatskasse verlangen. Mit der "Staatskasse" ist der (Justiz-)Fiskus gemeint. Die Bezeichnung umfasst als gesetzlicher Oberbegriff sämtliche Landeskassen und die Bundeskasse (vgl. § 47).

 

Rz. 6

Zuständig für die Beiordnung oder Bestellung sind allerdings nicht die Kassen, sondern die Gerichte oder Verwaltungsbehörden (Abs. 5), bei denen die Verfahren stattfinden, in denen eine Beiordnung oder/und Bestellung als erforderlich angesehen werden (vgl. § 127 Abs. 1 S. 2 ZPO). Der Sache nach handelt es sich aber nicht um eine Aufgabe der Rechtsprechung im eigentlichen Sinne, sondern um die Wahrnehmung von Fürsorgepflichten des Rechts- und Sozialstaates.[3]

 

Rz. 7

Soweit durch die Beiordnung oder Bestellung des Anwalts ihm gegenüber eine Zahlungsverpflichtung der Staatskasse begründet wird, hat diese bürgschaftsähnlichen Charakter. Die Begründung des Sonderrechtsverhältnisses ist zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für die Entstehung eines gegen die Staatskasse gerichteten Vergütungsanspruchs. Vergleichbar einer Bürgschaftserklärung im Zivilrecht enthält sie lediglich die öffentlich-rechtliche Zusage, für eine fremde Schuld, nämlich die Zahlungsverpflichtung der vertretenen Person,[4] bis zur Höhe der festgelegten ("garantierten") Vergütung[5] einstehen zu wollen (vgl. § 59 Rdn 26). Erforderlich ist also die Begründung der "Hauptschuld" infolge einer gebührenpflichtigen Tätigkeit des Anwalts zugunsten der Partei, wenn auch mit der Besonderheit, dass diese für den Anwalt in der Regel (zu den Ausnahmen in Abs. 2 siehe Rdn 15) nicht durchsetzbar ist (§ 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO), während die Staatskasse gleichsam auf erstes Anfordern zahlen muss (§ 55) und sogar vorschusspflichtig ist (§ 47). Es besteht eine andauernde Abhängigkeit (Akzessorietät) der "Hilfsschuld" der Staatskasse von der "Hauptschuld" der Partei.

[1] Vgl. BGH 22.6.1959 – III ZR 52/58, NJW 1959, 1732.
[2] Rechtsgrundlage ist in der Regel ein (schlüssiger) Anwaltsvertrag (vgl. BGH 23.9.2004 – IX ZR 137/03, NJW-RR 2005, 494).
[3] Siehe dazu für die Beiordnung im Wege der Prozesskostenhilfe LAG Hamm MDR 1997, 405 (Leistung der staatlichen Daseinsvorsorge; Form der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege).
[4] Eine Sonderstellung nimmt die Beiordnung als Zeugenbeistand ein (§ 68b StPO). In diesen Fällen entsteht ein Vergütungsanspruch des Anwalts nur gegenüber der Staatskasse.
[5] Das ist bei Wertgebühren die Grundvergütung nach § 49 und bei Betragsrahmengebühren die jeweilige Festgebühr des Vergütungsverzeichnisses in den Teilen 4–6.

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