Gesetzestext

 

(1) 1Die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung und der Vorschuss hierauf werden auf Antrag des Rechtsanwalts von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszugs festgesetzt. 2Ist das Verfahren nicht gerichtlich anhängig geworden, erfolgt die Festsetzung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts, das den Verteidiger bestellt hat.

(2) In Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses bestimmen, erfolgt die Festsetzung durch den Urkundsbeamten des Gerichts des Rechtszugs, solange das Verfahren nicht durch rechtskräftige Entscheidung oder in sonstiger Weise beendet ist.

(3) Im Fall der Beiordnung einer Kontaktperson (§ 34a des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz) erfolgt die Festsetzung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Landgerichts, in dessen Bezirk die Justizvollzugsanstalt liegt.

(4) Im Fall der Beratungshilfe wird die Vergütung von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des in § 4 Abs. 1 des Beratungshilfegesetzes bestimmten Gerichts festgesetzt.

(5) 1§ 104 Abs. 2 Satz 1 und 2 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. 2Der Antrag hat die Erklärung zu enthalten, ob und welche Zahlungen der Rechtsanwalt bis zum Tag der Antragstellung erhalten hat. 3Bei Zahlungen auf eine anzurechnende Gebühr sind diese Zahlungen, der Satz oder der Betrag der Gebühr und bei Wertgebühren auch der zugrunde gelegte Wert anzugeben. 4Zahlungen, die der Rechtsanwalt nach der Antragstellung erhalten hat, hat er unverzüglich anzuzeigen.

(6) 1Der Urkundsbeamte kann vor einer Festsetzung der weiteren Vergütung (§ 50) den Rechtsanwalt auffordern, innerhalb einer Frist von einem Monat bei der Geschäftsstelle des Gerichts, dem der Urkundsbeamte angehört, Anträge auf Festsetzung der Vergütungen, für die ihm noch Ansprüche gegen die Staatskasse zustehen, einzureichen oder sich zu den empfangenen Zahlungen (Absatz 5 Satz 2) zu erklären. 2Kommt der Rechtsanwalt der Aufforderung nicht nach, erlöschen seine Ansprüche gegen die Staatskasse.

(7) 1Die Absätze 1 und 5 gelten im Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde entsprechend. 2An die Stelle des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle tritt die Verwaltungsbehörde.

A. Allgemeines

I. Überblick

1. Allgemeines

 

Rz. 1

§ 55 ist eine zentrale Verfahrensvorschrift, damit die öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisse infolge Beiordnung oder Bestellung des Anwalts nach einheitlichen Grundsätzen überschaubar abgewickelt werden können. § 55 regelt das Verfahren zur Festsetzung des öffentlich rechtlichen Vergütungsanspruchs des beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse (§ 45).[1] Die Vorschrift regelt die Zuständigkeit sowie das Verfahren zur Festsetzung der Vergütung der gerichtlich beigeordneten und bestellten Rechtsanwälte. Bei dem in § 55 geregelten Festsetzungsverfahren gegen die Staatskasse handelt es sich um ein dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (zum Urkundsbeamten vgl. Rdn 107 ff.) übertragenes justizförmiges Verwaltungsverfahren,[2] in dem sich der beigeordnete oder bestellte Rechtsanwalt einerseits und die Staatskasse andererseits gegenüberstehen.[3]

[1] KG AGS 2014, 405 = RVGreport 2014, 391 = JurBüro 2015, 25; OLG Düsseldorf AGS 2016, 485; OLG Hamburg RVGreport 2012, 457 = NStZ-RR 2012, 390; OLG Hamburg AGS 2013, 428 = RVGreport 2013, 348; OLG Koblenz NStZ-RR 2014, 327; OLG RVGreport 2015, 383 = Köln NStZ-RR 2015, 294; OLG München 6.4.2009 – 6 Ws 2/09; OLG München AGS 2016, 528 = RVGreport 2016, 456; OLG Nürnberg RVGreport 2014, 436; BayLSG 2.12.2015 – L 15 SF 133/15.
[3] LSG NRW 30.4.2018 – L 9 AL 223/16 B; LSG NRW 9.9.2015 – L 16 KR 716/14 B.

2. Einordnung des Verfahrens

 

Rz. 2

Das Verfahren nach § 55 ist ein vereinfachtes Betragsfestsetzungsverfahren.[4] Die Festsetzung stellt keinen originären Verwaltungsakt, sondern einen Akt der Rechtsprechung im weiteren funktionellen Sinne dar.[5] Die Bestimmung wird ergänzt durch bundeseinheitlich geltende Verwaltungsbestimmungen (Verwaltungsvorschrift Vergütungsfestsetzung – VwV Vergütungsfestsetzung).[6] Von den Bundesländern können ergänzende Bestimmungen erlassen werden. Die Verwaltungsbestimmungen gelten zwar unmittelbar nur für die internen Abläufe im Rahmen der Justiz, wirken sich aber auch auf die gerichtlich beigeordneten und bestellten Rechtsanwälte aus.[7]

[5] OLG Naumburg NJW 2003, 2921.
[6] Bund: Verwaltungsvorschrift über die Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung (VwV Vergütungsfestsetzung) vom 19.7.2005, BAnz 2005 Nr. 147 S. 1997, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 11.4.2014; NRW: Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung, AV d. JM vom 30.6.2005 (5650 – Z. 20) – JMBl. NRW S. 181 – idF v. 8.11.2018.
[7] Hansens, RVGreport 2005, 405.

3. Gegenstand des Verfahrens

 

Rz. 3

Sämtliche in Betracht kommende Zahlungsansprüche sowohl eines beigeordneten oder bestellten Anwalts als auch eines im Rahmen der Beratungshilfe tätig gewordenen Anwalts jeweils gegen die Staatskasse sollen in ei...

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