Gesetzestext

 

(1) Der Verwalter ist gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer berechtigt und verpflichtet, die Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu treffen, die

1. untergeordnete Bedeutung haben und nicht zu erheblichen Verpflichtungen führen oder
2. zur Wahrung einer Frist oder zur Abwendung eines Nachteils erforderlich sind.

(2) Die Wohnungseigentümer können die Rechte und Pflichten nach Absatz 1 durch Beschluss einschränken oder erweitern.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Der Verw führt die Geschäfte der GdW als deren Organ. Für die Erfüllung seiner Organaufgaben räumt ihm das WEG nach § 9b I grds umfassend Vertretungsmacht ein. Die Willensbildung der GdW obliegt grds den WEigtümern nach § 19 I. Etwas anderes folgt aus § 27 I Nr 1 und Nr 2 (dazu Rn 2 ff und Rn 7 ff) und nach Bestimmung der WEigtümer durch Beschl (dazu Rn 11) und/oder durch eine Vereinbarung nach § 10 I 2. Eine Vertretung der WEigtümer ist vorstellbar, wenn diese dem Verw individuell Vertretungsmacht einräumen. Die WEigtümer können den Verw jederzeit anweisen (Rn 6). Die GdW hat gegen den Verw einen Anspruch auf Erfüllung der Aufgaben und Pflichten nach § 27 I. Jeder WEigtümer kann seinerseits nach § 18 II ohne Vorbefassung der anderen WEigtümer insoweit von der GdW Leistung verlangen und einklagen.

B. Entscheidungspflichten (§ 27 I Nr 1).

I. Unerhebliche Verpflichtungen für WEigtümer.

 

Rn 2

Ob eine Verpflichtung unerheblich ist, hängt von der Sichtweise eines durchschnittlichen WEigtümers in der konkreten WE-Anlage unter Berücksichtigung von §§ 16 II 1, 9a IV 1 ab (BTDrs 19/22634, 46). Maßgeblich ist also, ob derjenige Teil der Verpflichtung, für den der einzelne WEigtümer nach § 9a IV 1 einstehen muss, so bedeutsam ist, dass eine vorherige Beschl-Fassung geboten ist (BTDrs 19/22634, 46; s.a. BGH ZMR 21, 830 Rz 11).

 

Rn 3

Wo diese Erheblichkeitsschwelle konkret liegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls und dem WEigtümer ab. Nach aA ist für die Erheblichkeit auf das Gemeinschaftsvermögen abzustellen. Insoweit wird vorgeschlagen, an 2,5 % oder 5 % des Wirtschaftsplanvolumens anzuknüpfen. Mit der Größe der WE-Anlage wächst idR der Kreis der Maßnahmen, die der Verw eigenverantwortlich treffen kann und muss.

 

Rn 4

Bsp: IdR wird der Austausch defekter Leuchtelemente im Bereich des gemE oder die Erhaltung eines Fensterglases, eine Graffitientfernung (BTDrs 19/22634, 47), der Abschluss von Versorgungs- und/oder Dienstleistungsverträgen in beschränktem Umfang (BTDrs 19/22634, 47) § 27 I Nr 1 unterfallen. Gegenbeispiel: kostenträchtige Erhaltungsmaßnahmen (BTDrs 19/22634, 47).

II. Maßnahmen untergeordneter Bedeutung.

 

Rn 5

Eine Maßnahme ist iSd Gesetzes untergeordnet, wenn sie dem Verw überlassen werden kann und es eine Förmelei wäre, extra einen Beschl zu fassen (s.a. Rn 4). Auch insoweit (s Rn 2) ist auf die Sichtweise eines durchschnittlichen WEigtümers in der konkreten WE-Anlage abzustellen.

 

Rn 6

Bspw das Fällen eines Baums, die Vermietung von Flächen oder der Abschluss von Versorgungsverträgen können, müssen aber nicht untergeordnete Maßnahmen sein.

III. Wahrung einer Frist/Abwendung eines Nachteils (§ 27 I Nr 2).

1. Überblick.

 

Rn 7

§ 27 I Nr 2 gibt dem Verw für die GdW ein Notgeschäftsführungsrecht und eine entspr Pflicht (s.a. BGH NJW 16, 1310 [BGH 25.09.2015 - V ZR 246/14] Rz 15). Nach – unzutreffender – Ansicht kann ein Notgeschäftsführungsrecht ferner aus §§ 670, 257 BGB folgen (BGH NZM 11, 454 [BGH 18.02.2011 - V ZR 197/10] Rz 26); dieses wird jedenfalls durch § 27 I Nr 2 verdrängt.

2. Abwendung eines Nachteils.

 

Rn 8

Der Nachteil kann ein rechtlicher oder ein tatsächlicher sein (BRDrs 168/20, 84). Die Nachteile müssen solche sein, die 1. nicht § 27 I Nr 1 unterfallen und 2. wegen ihrer Eilbedürftigkeit es nicht erlauben, eine Versammlung einzuberufen (BRDrs 168/20, 84; s.a. Hamm ZWE 11, 415, 416; BayObLG ZMR 04, 604). Bsp für tatsächliche Nachteile: Ausfall der Heizungsanlage, Brand, Explosion, Gasleck (LG Frankfurt aM ZWE 16, 275), Rohrbruch, Sturm, Überschwemmung, ggf öffentlich-rechtliche Gefahren (s.a. § 26 Rn 58). Bsp für rechtliche Nachteile (s.a. Rn 10): Kündigungs- oder Verjährungs- (Ddorf ZMR 94, 521), Anfechtungs- und/oder vereinbarte Fristen, eine defekte Klingel- und Gegensprechanlage (AG Köningswinter ZWE 22, 374 Rz 21). Eilanträge im Zwangsvollstreckungsrecht oder nach § 80 V VwGO (OVG Lünebg BauR 86, 684).

 

Rn 9

Entscheidend ist, ob das gemE gefährdet wäre, wenn nicht umgehend gehandelt würde (BayObLG ZMR 97, 325). § 27 I Nr 2 deckt grds nur solche Maßnahmen, die eine Gefahrenlage für das gemE beseitigen, nicht aber solche, die der dauernden Behebung der Schadensursache dienen (BGH NZM 11, 454 [BGH 18.02.2011 - V ZR 197/10] Rz 27; LG München I ZWE 11, 42).

3. Wahrung einer Frist.

 

Rn 10

Der Ablauf einer Frist ist immer ein rechtlicher Nachteil, den es abzuwenden gilt. Die Frist ist nur deshalb in § 27 I Nr 2 genannt, weil es sich um den praktisch häufigsten Fall handelt, in dem ein Rechtsnachteil (Rn 8) verhindert werden soll (BRDrs 168/20, 84). Dass diese Voraussetzung etwa bei einem Grundbuchberichtigungsanspruch vorliegen könnte, ist idR nicht vorstellbar (aA zum alten Recht Karlsr Justiz 73, 307). Entspr gilt aber auch für ein Verfahren nach §§ 485 ff ZPO (aA BGH NJW 81, 282 [BGH 25.09.1980 - VII ZR 276/79] unter II....

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