A. Einführung.

 

Rn 1

Das Versprechen der Leistung an einen Dritten wird häufig, jetzt auch in der amtlichen Überschrift des § 328, als ›Vertrag zugunsten Dritter‹ bezeichnet. Das kann zu dem Eindruck verleiten, als handele es sich um einen eigenen Vertragstyp. Doch wäre das unrichtig, wie schon die Stellung der §§ 328 ff im Allgemeinen Schuldrecht zeigt. Vielmehr geht es um eine Variante, die prinzipiell bei allen Typenverträgen vorkommen kann: Die Leistung wird zwar dem Vertragspartner versprochen, sie soll aber an einen Dritten erbracht werden und diesem zugutekommen (MüKo/Gottwald § 328 Rz 4). Häufig soll dieser Dritte auch einen eigenen Anspruch auf die Leistung haben (vgl § 328 II, sog echter Vertrag zugunsten Dritter). Doch ist das nicht notwendig (sog unechter Vertrag zugunsten Dritter, vgl dazu § 328 Rn 12 ff). In beiden Fällen entsteht ein Drei-Personen-Verhältnis; das kann zu Schwierigkeiten bei der Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht führen (vgl § 812 Rn 76 ff). Zur Anknüpfung von Ansprüchen Dritter im IPR Castendiek IPRax 22, 449.

 

Rn 2

Neben diese gesetzlich geregelte Konstellation ist durch ein auf den (oft nur hypothetischen) Parteiwillen gestütztes Richterrecht (vgl etwa BGHZ 138, 257, 261; 181, 12; BGH MDR 17, 73 Rz 15 ff; s.a. Zenner NJW 09, 1030) eine weitere getreten, die im Kern inzwischen zum Gewohnheitsrecht verfestigt sein dürfte (vgl die Darstellung in BGHZ 133, 168, 170 ff): Ein Dritter soll zwar nicht die Leistung erhalten, doch sollen ihm ggü die Schutzpflichten nach § 241 II bestehen; insb soll sein Integritätsinteresse vor Schäden aus einer schlechten Leistung geschützt sein. Man spricht hier von einem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte. Diese Rechtsfigur hat inzwischen namentlich bei der Expertenhaftung große Bedeutung erlangt, insb weil sie über § 823 I hinaus auch bei bloßen Vermögensverletzungen schützt.

 

Rn 3

Begrifflich bedeutet der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte einen Einbruch in das Dogma vom Gläubigerinteresse (§ 249 Rn 99), ähnl wie das auch für die Drittschadensliquidation zutrifft (§ 249 Rn 102 ff). Ein Unterschied besteht aber darin, dass der Dritte selbst seinen eigenen Schaden geltend macht, nur leitet er seinen Ersatzanspruch aus einem fremden Vertrag (oder aus fremden Vertragsverhandlungen, vgl u. Rn 14) her.

 

Rn 4

Der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte kann die Belastung des Schuldners vermehren (zB wenn außer dem Mieter selbst auch noch dessen in der Mietwohnung wohnende Angehörige ersatzberechtigt sein sollen). Daher kann eine Drittschutzwirkung nur unter besonderen Voraussetzungen bejaht werden. Sie sollen hier vorweg erörtert werden, weil die §§ 328 ff allenfalls ausnahmsweise für den Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte passen.

B. Der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte.

I. Voraussetzungen.

1. Leistungsnähe des Dritten.

 

Rn 5

Der Dritte muss sich bestimmungsgemäß in der Nähe (im Gefahrenbereich) der Leistung befinden (BGHZ 70, 323, 329). Dabei wird bisweilen formuliert, der Dritte müsse den Gefahren aus der Leistung in gleicher Weise ausgesetzt sein wie der Gläubiger (etwa BGHZ 129, 136, 168; allgemeiner BGHZ 133, 168, 173; 166, 117 Rz 52). Das trifft aber in einigen Fallgruppen nicht zu. So kann ein vom Verkäufer bestelltes unrichtiges, weil einen zu hohen Wert angebendes Gutachten für den Verkäufer sogar günstig sein; trotzdem sind spätere Käufer in den Schutzbereich des Gutachtervertrages einbezogen worden (u. Rn 8). Richtig ist wohl nur, dass der Dritte auch statt des Gläubigers den Vertragsgefahren ausgesetzt sein kann (Schlechtriem FS Medicus [99], 529 ff).

 

Rn 6

Häufig gehen aber Gefahren für Dritte nicht von der Leistung aus, sondern von sonstigen Einwirkungen auf den Dritten. So ist das seine Mutter beim Einkauf begleitende Kind von BGHZ 66, 51 (Rn 14) nicht durch den Erwerb der Mutter geschädigt worden, sondern durch den Zustand des Geschäftsraums. In solchen Fällen kann man nicht auf die Leistungsnähe abstellen, sondern muss etwa von Einwirkungsnähe sprechen (Canaris ZIP 04, 1781, 1787).

2. Einbeziehungsinteresse des Gläubigers.

 

Rn 7

Insb wenn man den Drittschutz mit der Vertragsauslegung begründet, muss man konsequenterweise ein Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten in den vertraglichen Schutzbereich verlangen. Das hat der BGH zunächst mit der Formulierung getan, der Gläubiger müsse ›sozusagen für das Wohl und Wehe des Dritten mitverantwortlich‹ sein (etwa BGHZ 51, 91, 96). Diese Mitverantwortlichkeit ist gefolgert worden für nahe Angehörige aus der Unterhaltspflicht des Versprechensempfängers und für Dienstverpflichtete aus § 618; es geht dabei im Wesentlichen um Körperverletzungen (s Wertenbruch FS U. Huber [06], 637, 639 f). Generell genügt es, wenn dem Gläubiger Schutzpflichten gegenüber dem Dritten aufgrund einer Sonderverbindung in Gestalt eines sonstigen Vertrages oder zumindest eines Gefälligkeitsverhältnisses oder eines besonderen sozialen Kontaktes obliegen (BGH MDR 17, 73 [BGH 17.11.2016 - III ZR 139/14] Rz 19).

 

Rn 8

Aber auch dieses Erfordernis ist nicht überall durchgehalten worden. Denn insb beim Vertrauen eines Dritten auf eine berufliche (sachverständige) Au...

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