Gesetzestext

 

(1) Auf die gewillkürte Stellvertretung ist das vom Vollmachtgeber vor der Ausübung der Vollmacht gewählte Recht anzuwenden, wenn die Rechtswahl dem Dritten und dem Bevollmächtigten bekannt ist. Der Vollmachtgeber, der Bevollmächtigte und der Dritte können das anzuwendende Recht jederzeit wählen. Die Wahl nach Satz 2 geht derjenigen nach Satz 1 vor.

(2) Ist keine Rechtswahl nach Absatz 1 getroffen worden und handelt der Bevollmächtigte in Ausübung seiner unternehmerischen Tätigkeit, so sind die Sachvorschriften des Staates anzuwenden, in dem der Bevollmächtigte im Zeitpunkt der Ausübung der Vollmacht seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, es sei denn, dieser Ort ist für den Dritten nicht erkennbar.

(3) Ist keine Rechtswahl nach Absatz 1 getroffen worden und handelt der Bevollmächtigte als Arbeitnehmer des Vollmachtgebers, so sind die Sachvorschriften des Staates anzuwenden, in dem der Vollmachtgeber im Zeitpunkt der Ausübung der Vollmacht seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, es sei denn, dieser Ort ist für den Dritten nicht erkennbar.

(4) Ist keine Rechtswahl nach Absatz 1 getroffen worden und handelt der Bevollmächtigte weder in Ausübung seiner unternehmerischen Tätigkeit noch als Arbeitnehmer des Vollmachtgebers, so sind im Falle einer auf Dauer angelegten Vollmacht die Sachvorschriften des Staates anzuwenden, in dem der Bevollmächtigte von der Vollmacht gewöhnlich Gebrauch macht, es sei denn, dieser Ort ist für den Dritten nicht erkennbar.

(5) Ergibt sich das anzuwendende Recht nicht aus den Absätzen 1 bis 4, so sind die Sachvorschriften des Staates anzuwenden, in dem der Bevollmächtigte von seiner Vollmacht im Einzelfall Gebrauch macht (Gebrauchsort). Mussten der Dritte und der Bevollmächtigte wissen, dass von der Vollmacht nur in einem bestimmten Staat Gebrauch gemacht werden sollte, so sind die Sachvorschriften dieses Staates anzuwenden. Ist der Gebrauchsort für den Dritten nicht erkennbar, so sind die Sachvorschriften des Staates anzuwenden, in dem der Vollmachtgeber seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

(6) Auf die gewillkürte Stellvertretung bei Verfügungen über Grundstücke oder Rechte an Grundstücken ist das nach Artikel 43 Absatz 1 und Artikel 46 zu bestimmende Recht anzuwenden.

(7) Dieser Artikel findet keine Anwendung auf die gewillkürte Stellvertretung bei Börsengeschäften und Versteigerungen.

(8) Auf die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne dieses Artikels ist Artikel 19 Absatz 1 und Absatz 2 erste Alternative der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des Vertragsschlusses die Ausübung der Vollmacht tritt. Artikel 19 Absatz 2 erste Alternative der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 ist nicht anzuwenden, wenn der nach dieser Vorschrift maßgebende Ort für den Dritten nicht erkennbar ist.

A. Einführung.

 

Rn 1

Mit Art 8 hat das IPR der Stellvertretung erstmals eine gesetzliche Regelung gefunden. Der Gesetzgeber hat sie systematisch richtig im 2. Abschnitt über die Rechtsgeschäfte platziert und hierzu eine durch die Abschaffung der Entmündigung schon 1990 frei gewordenen Stelle im Gesetz genutzt. Intertemporal anwendbar ist Art 8 auf alle seit dem 17.6.17 erteilten Vollmachten; für Altfälle gilt das bisherige, unkodifizierte Recht (Art 229 § 41 EGBGB, vgl LG Mannheim GRUR-RR 18, 273; zum alten Recht s.u.). Inhaltliche Änderungen gegenüber der bisherigen Rechtspraxis waren nicht beabsichtigt.

 

Rn 2

Die gesetzliche Stellvertretung richtet sich nicht nach Art 8, sondern wird kollisionsrechtlich dem jeweiligen Grund der Vertretung zugeordnet, unterliegt mithin für den gesetzlichen oder bestellten Vormund, Betreuer oder Pfleger dem Vormundschaftsstatut des Art 24 bzw. des Haager Erwachsenenschutzüb (dazu Art 24 Rn 12), für die Eltern dem Eltern-Kind-Statut des Art 21 (gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes) bzw bei Anordnung als Schutzmaßnahme iSd MSÜ diesem bzw seinem Nachfolgeabk KSÜ (dazu s Art 21 EGBGB Rn 2, Rn 5), für den Testamentsvollstrecker dem Erbstatut des Art 25 (Heimatrecht des Erblassers) oder für die Organe der Gesellschaft dem gesetzlich bislang (s aber Rn 2) nicht geregelten Gesellschaftsstatut (BGH NJW 03, 3270; 01, 305; BGHZ 128, 44; 32, 258; Celle NJW-RR 06, 32; Sitz- oder Gründungsort, s.u. IntGesR Rn 3 ff). Bei Verkehrsgeschäften ist zu beachten, dass die Vertretungsmacht uU nach Art 12 erweitert sein kann (s Art 12 EGBGB Rn 8, Rn 5).

 

Rn 2a

Demgegenüber gilt für die gewillkürte Stellvertretung eine Sonderanknüpfung (BGHZ 128, 47; 64, 192; Köln NJW-RR 96, 411). Dies lässt sich etwa schon dem Ausschluss der Stellvertretung aus dem Vertragsstatut (Art 1 II Buchst g ROM I) entnehmen. Die selbstständige, vom Geschäftsstatut unabhängige Anknüpfung dient dem Verkehrsschutz. Vor ihrer Kodifizierung in Art 8 galten die folgenden Grundsätze, die mangels inhaltlicher Änderungsabsicht weiter für dessen Auslegung von Bedeutung sind.

B. Bisherige Anknüpfung.

I. Anknüpfungsgegenstand.

 

Rn 2b

Der Anknüpfungsgegenstand umfasste neben der ausdrücklichen Vollmacht auch die Duldungs- oder Anscheinsvollmacht (BGHZ 43, 21; Köln NJW-RR 96, 411; AG...

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