Gesetzestext

 

(1) Diese Verordnung gilt für vertragliche Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen. Sie gilt insbesondere nicht für Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten.

(2) Vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen sind:

a) der Personenstand sowie die Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit von natürlichen Personen, unbeschadet des Artikels 13;
b) Schuldverhältnisse aus einem Familienverhältnis oder aus Verhältnissen, die nach dem auf diese Verhältnisse anzuwendenden Recht vergleichbare Wirkungen entfalten, einschließlich der Unterhaltspflichten;
c) Schuldverhältnisse aus ehelichen Güterständen, aus Güterständen aufgrund von Verhältnissen, die nach dem auf diese Verhältnisse anzuwendenden Recht mit der Ehe vergleichbare Wirkungen entfalten, und aus Testamenten und Erbrecht;
d) Verpflichtungen aus Wechseln, Schecks, Eigenwechseln und anderen handelbaren Wertpapieren, soweit die Verpflichtungen aus diesen anderen Wertpapieren aus deren Handelbarkeit entstehen;
e) Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarungen;
f) Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht, das Vereinsrecht und das Recht der juristischen Personen, wie die Errichtung durch Eintragung oder auf andere Weise, die Rechts- und Handlungsfähigkeit, die innere Verfassung und die Auflösung von Gesellschaften, Vereinen und juristischen Personen sowie die persönliche Haftung der Gesellschafter und der Organe für die Verbindlichkeiten einer Gesellschaft, eines Vereins oder einer juristischen Person;
g) die Frage, ob ein Vertreter die Person, für deren Rechnung er zu handeln vorgibt, Dritten gegenüber verpflichten kann, oder ob ein Organ einer Gesellschaft, eines Vereins oder einer anderen juristischen Person diese Gesellschaft, diesen Verein oder diese juristische Person gegenüber Dritten verpflichten kann;
h) die Gründung von ›Trusts‹ sowie die dadurch geschaffenen Rechtsbeziehungen zwischen den Verfügenden, den Treuhändern und den Begünstigten;
i) Schuldverhältnisse aus Verhandlungen vor Abschluss eines Vertrags;
j) Versicherungsverträge aus von anderen Einrichtungen als den in Artikel 2 der Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen genannten Unternehmen durchgeführten Geschäften, deren Zweck darin besteht, den unselbstständig oder selbstständig tätigen Arbeitskräften eines Unternehmens oder einer Unternehmensgruppe oder den Angehörigen eines Berufes oder einer Berufsgruppe im Todes- oder Erlebensfall oder bei Arbeitseinstellung oder bei Minderung der Erwerbstätigkeit oder bei arbeitsbedingter Krankheit oder Arbeitsunfällen Leistungen zu gewähren.

(3) Diese Verordnung gilt unbeschadet des Artikels 18 nicht für den Beweis und das Verfahren.

(4) Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Begriff ›Mitgliedstaat‹ die Mitgliedstaaten, auf die diese Verordnung anwendbar ist. In Artikel 3 Absatz 4 und Artikel 7 bezeichnet der Begriff jedoch alle Mitgliedstaaten.

A. Funktion: Teilregelung zum Anwendungsbereich.

 

Rn 1

Art 1 I–III bestimmen den sachlichen Anwendungsbereich von ROM I. Sie werden durch Art 23–26 ergänzt, aus denen sich die Abgrenzung zu anderem IPR unionsrechtlichen Ursprungs in besonderen Bereichen der vertraglichen Schuldverhältnisse (Art 23), zum EVÜ (Art 24) und generell zum staatsvertraglichen IPR (Art 25–26) ergibt. Die Ausschlüsse in Art 1 II entsprechen denen in Art 1 EVÜ bzw ex Art 37 EGBGB (s www.pww-oe.de). Seinerzeit neu war insbesondere der ausdrückliche Ausschluss der cic aus dem Anwendungsbereich des europäischen Schuldvertragsrechts (dazu Rn 25).

 

Rn 2

Der räumliche Anwendungsbereich von ROM I folgt aus Art 288 II AEUV iVm Art 1 IV: Sie gilt nach Art 288 II AEUV grds in allen Mitgliedstaaten unmittelbar ggü allen Unionsbürgern und ihnen nach Art 54, 62 AEUV gleichgestellten Gesellschaften (s Staud/Magnus Einl zu ROM I Rz 42–51). Eine Ausnahme, die Dänemark betrifft, ergibt sich aus Art 1 IV iVm Erw 46 und Art 25 I (dazu unten Rn 28).

 

Rn 3

Mit dem BREXIT ist das Vereinigte Königreich (VK) aus der EU zum 31.1.2020 (›Stichtag‹) ausgeschieden. Für die Fortgeltung von ROM I im VK ist zu unterscheiden: (1) Für bis zum Stichtag (aber nach dem 17.12.09, Art. 29) abgeschlossene Verträge mit Bezug zum VK gilt ROM I, weil das VK seinerzeit eine Opt-In-Erklärung abgegeben hat (Erw 45; COM [2008] 730 endg). (2) Für zwischen dem 1.2.20 und 31.12.20 abgeschlossene Verträge mit Bezug zum VK gilt ROM I, weil sich die EU und das VK im Abkommen über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft (Austrittsabkommen, ABl 2019/C 384 I/01) auf die Fortgeltung von ROM I bis zum Ende des Übergangszeitraums geeinigt hatten (Art 66, 126 Austrittsabkommen). Der Übergangszeitraum endete am 31.12.20 (Art 126) (OGH BeckRS 21, 45428). (3) Seit dem 1.1.21 gilt ROM I im VK aufgrund englischer Gesetzgebung auf der Stufe einfachen englischen Gesetzesrechts (section 3 European Union [...

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