Gesetzestext

 

(1) Diese Verordnung berührt nicht die Anwendung der internationalen Übereinkommen, denen ein oder mehrere Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Annahme dieser Verordnung angehören und die Kollisionsnormen für vertragliche Schuldverhältnisse enthalten.

(2) Diese Verordnung hat jedoch in den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten Vorrang vor den ausschließlich zwischen zwei oder mehreren Mitgliedstaaten geschlossenen Übereinkommen, soweit diese Bereiche betreffen, die in dieser Verordnung geregelt sind.

A. Prinzip 1: Vorrang bestehender völkerrechtlicher Verträge (Abs 1).

 

Rn 1

Art 25 regelt das Verhältnis zwischen dem unionsrechtlichen IPR in ROM I und staatsvertraglichem IPR im Bereich des internationalen Schuldvertragsrechts. Kein Vertrag, keine Verordnung zu Lasten Dritter (vgl Erw 41, Art 34 WVRK, Art 351 I AEUV und Brödermann/Iversen/Brödermann Rz 431 ff). Deshalb bestimmt I, dass im Zeitpunkt der Annahme von ROM I fortbestehende Staatsverträge mit Kollisionsnormen Vorrang haben und grds weiter anzuwenden sind. ROM I gilt insoweit grds nicht; wichtig ist dies zB im Verhältnis zu Frankreich und Italien, s Art 26 Rn 2. Dadurch wird in das Verhältnis zwischen Mitgliedstaaten iSv Art 1 IV und anderen Staaten (Dänemark (s Rn 2), Staaten außerhalb der EU) nicht eingegriffen. Welche Staatsverträge betroffen sind, ist entsprechend den Regelungen in Art 26 bekannt gemacht worden (s Art 26 Rn 1, Rn 2). Zum sachlichen Anwendungsbereich von Art 25 s v Hein in FS Meinhard Schröder [12], 29, 30 ff. Zum Teil gestattet die Union den Mitgliedstaaten auch seit Inkrafttreten von ROM I, sektorspezifische Fragen auszuhandeln und abzuschließen (vgl Erw 42; Art 81 AEUV sowie VO (EG) Nr 662/2009, ABl 2009 L 200/25, s dazu Hüßtege/Mansel/Leible Art 25 Rz 6 f).

 

Rn 2

Dänemark: Nach Art 1 IV 1 iVm Erw 46 ist Dänemark kein Mitgliedstaat iSv Art 25 noch iSv Art 24 (Francq Clunet 09, 41, 48; insoweit auch NK-BGB, Bd. 6, Hüßtege/Mansel/Leible Art 24 Rz 4; aA MüKoIPR/Martiny Art 25 Rz 10). Deshalb ist I anzuwenden auf die Bestimmung der Anwendbarkeit des EVÜ im Verhältnis zwischen Dänemark und Deutschland bzw anderen Mitgliedstaaten iSv Art 1 IV 1. Danach sind die deutschen bzw. Mitgliedstaats-Gerichte verpflichtet, bei Fällen mit Verbindung zum Recht Dänemarks das EVÜ anzuwenden (aA für die deutschen Gerichte NK-BGB, Bd. 6, Hüßtege/Mansel/Leible Art 24 Rz 4; s.a. unten Rn 3). Die Anwendbarkeit des EVÜ durch deutsche Gerichte im Verhältnis zu Dänemark wird durch Art 25 (und Art 24, s Art 24 Rn 5) nicht berührt. Unerheblich für die völkerrechtliche Verpflichtung zur Anwendung des EVÜ ist der Umstand, dass die BRD 1986 im Lichte der Inkorporation des EVÜ ins EGBGB bei der Zustimmung zum EVÜ erklärt hat, die Art 1–21 EVÜ werden keine unmittelbare Anwendung finden (Art 1 II ZustG zum EVÜ, BGBl 1986 II 809). Die Nichtanwendung des EVÜ setzte dessen ordnungsgemäße Kündigung voraus. Nach Art 25 GG sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts (so auch pacta sunt servanda, s Art 26 WVRK) Bestandteil des Bundesrechts, gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes. Die Anwendung von ROM I in Dänemark-Fällen setzte daher – wie seinerzeit bei der EuGVO – den Abschluss einer Sonderkonvention voraus (vgl ABl 2005 L 299/62; in Kraft seit 1.7.07, ABl 2007 L 94/70). Es muss insoweit bei dem in Art 25 I verankerten Grundsatz ›kein Vertrag, keine Verordnung zu Lasten Dritter‹ bleiben (s Rn 1). Auch die Gesetzgebungsgeschichte von ROM I belegt, dass allen Beteiligten stets die Möglichkeit des Nebeneinanders von ROM I und EVÜ gewärtig war, falls sich ein Mitgliedstaat bei Nutzung bestehender völkerrechtlicher Vorbehalte nicht entschließt, der ROM I ›beizutreten‹ (s Stellungnahme ECOSOC zum ROM I V, ABl 2006 C 31/58). Schließlich basiert auch das Unionsrecht auf dem Respekt des Völkerrechts (arg Art 351 AEUV).

 

Rn 3

Dänische Gerichte wenden weiter das EVÜ an (NK-BGB, Bd. 6, Hüßtege/Mansel/Leible Art 24 Rz 4). Für deutsche Gerichte ist dies streitig (wie hier Kobl IPRax 15, 255 [OLG Koblenz 19.09.2012 - 2 U 1050/11]; ähnlich Roth, für eine analoge Anwendung der ex Art 27 ff EGBGB, IPRax 15, 222, 225; aA die wohl überwiegende Meinung s Rauscher/von Hein Art 1 Rz 70–72; NK-BGB, Bd. 6, Hüßtege/Mansel/Leible Art 24 Rz 4, Staud/Magnus Art 24 Rz 6: >Überlagerung’ des EVÜ; Leible/Lehmann RIW 08, 528, 532; Martiny RIW 09, 737, 739 unter Hinweis ua auf praktische Erwägungen und die unionsrechtliche Einbindung des EVÜ; ähnl Magnus IPRax 10, 27, 30 f unter Hinweis auf eine nach dem EVÜ zulässige Revision, wohl auch durch ›Vergemeinschaftung‹; Lando/Nielsen CMLR 09, 1687, 1689 ›it seems unreasonable to ask courts of the Member States to solve the issue‹). In der Praxis kann man diese Streitfrage offen lassen, soweit das EVÜ und ROM I gleichlaufen (ein Gegenbeispiel bieten Verbraucherkreditverträge einer dänischen Bank mit einem deutschen Verbraucher in Deutschland, bei dem Art 6 I zu deutschem Recht führt, Art 4 II EVÜ zu dänischem; Staud/Magnus Art 24 Rz 9), sonst kann die Auslegung von A...

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