Rn 1

Am 11.1.09 ist die ROM II-Verordnung (IPR-Anh 2) in Kraft getreten. Sie löst – im Wesentlichen durch die Regelungen in Art 10 ROM II (s dort) – das in Art 38 für die ungerechtfertigte Bereicherung niedergelegte nationale Kollisionsrecht im Rahmen ihres zeitlichen (Art 31 f ROM II) und sachlichen (Art 1 ROM II) Anwendungsbereichs ab (s dort auch Vorbemerkung vor ROM II Rn 5 f). Art 38 findet danach jetzt nur noch Anwendung auf Altfälle, in denen das schadensbegründende Ereignis vor dem 11.1.09 eingetreten ist (Art 31 f ROM II), womit für die ungerechtfertigte Bereicherung in Anlehnung an den durch Art 2 I ROM II auf die Folgen einer solchen erstreckten Schadensbegriff das Ereignis gemeint ist, welches die Bereicherung verursacht hat (s Art 31 f ROM II Rn 1; Wagner IPrax 08, 1, 17). Abgesehen davon gilt Art 38 II über den 11.1.09 hinaus für die Eingriffskondiktion, soweit diese im Zusammenhang steht mit einer gem Art 1 II lit g ROM II vom Regelungsbereich der VO ausdrücklich ausgenommenen Verletzung der Privatsphäre oder des Persönlichkeitsrechts (Grüneberg/Thorn Art 38 Rz 4). Zum Verhältnis zwischen Art 32 I Nr 5, der die bereicherungsrechtlichen Folgen der Nichtigkeit des Vertrages dem Vertragsstatut zuweist (s Rn 5), und ROM II – s dort Art 10 Rn 4.

 

Rn 2

Art 38 enthält Regelanknüpfungen für Tatbestände der ungerechtfertigten Bereicherung, die typologisch nach den Erscheinungsformen des Bereicherungsausgleichs im deutschen materiellen Recht gegliedert sind. I betrifft die Fälle der Leistungskondiktion (Rn 4 ff), II die der Eingriffskondiktion (Rn 8 f) und III dient als Auffangtatbestand für Kondiktionen in sonstiger Weise (Rn 10). Schon aus dem knapp gefassten Wortlaut der Vorschrift erhellt sich, dass Art 38 anstelle eines detaillierten Anknüpfungssystems lediglich Grundregeln aufstellt, die im Zusammenspiel mit Art 41 (zur Bedeutung der Vorschrift für akzessorische Anknüpfungen s dort) die notwendige Flexibilität gewährleisten sollen, um für die kollisionsrechtliche Beurteilung der zT überaus komplexen Sachverhalte des Bereicherungsausgleichs insb iRv Mehrpersonenverhältnissen eine ausreichend sichere und zugleich handhabbare Rechtsgrundlage zu schaffen (MüKo/Junker Art 38 Rz 1). Ziel des in Art 38 niedergelegten Regelungssystems ist es, einen kollisionsrechtlichen Gleichlauf zwischen außervertraglichen Bereicherungsansprüchen und den ihnen zugrunde liegenden Rechtsverhältnissen sicherzustellen (Begr RegE BRDrs 759/98, 15 = BTDrs 14/343, S 8; s.a.: AnwK/Huber Art 38 Rz 3). Das ist für die Leistungskondiktion das Vertragsstatut, für die Eingriffskondiktion das Deliktsstatut (Hohloch/Jaeger JuS 00, 1133, 1134; Spickhoff NJW 99, 2209, 2211). Die Anknüpfungsregeln des Art 38 sind also idS akzessorisch (vgl bspw für Leistungskondiktion: Saarbr EWiR 03, 707).

 

Rn 3

Aus Art 4 I folgt, dass Rück- und Weiterverweisungen nach Art 38 grds als Gesamtverweisungen zu befolgen sind. Das gilt allerdings nicht, soweit dies dem Sinn der Verweisung widersprechen würde (grds hierzu: BTDrs 10/5632 39; Mäsch RabelsZ 97, 307; vgl auch: MüKo/Junker Art 38 Rz 34 f). Die sich hieraus ergebenden Beschränkungen eines Renvoi reichen weit: So enthält zunächst Art 12 I lit e ROM I eine ausdrückliche Ausn vom Prinzip der Gesamtverweisung, weil die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung eines nichtigen Schuldvertrages danach unmittelbar dem Vertragsstatut unterliegt. Auch darüber hinaus ist die Verweisung in Art 38 I mit Rücksicht auf ihre akzessorische Bindung an das Vertragsstatut als Sachnormverweisung anzusehen (zur Unterscheidung: Art 4 Rn 2, 10 ff). Des Weiteren führt der erstrebte kollisionsrechtliche Gleichlauf zwischen den Tatbeständen der Eingriffskondiktion (Art 38 II) und deliktischen Ansprüchen jedenfalls immer dann zur Sachnormverweisung, wenn auch die deliktische Anknüpfungsnorm einer solchen unterliegt (AnwK/Huber Art 38 Rz 51; MüKo/Junker Art 38 Rz 35; Fischer IPrax 02, 1, 9; aA: Grüneberg/Thorn Art 38 Rz 3). Ebenfalls unbeachtlich ist der Renvoi bei nachträglicher Rechtswahl – Art 42 iVm Art 4 II (MüKo/Junker Art 38 Rz 36) – und – nach hier vertretener Auffassung – iRd Ausweichklauseln gem Art 41 I, II Nr 1, nicht hingegen nach Art 41 II Nr 2 (iE hierzu: Art 41 Rn 2).

 

Rn 4

Das Bereicherungsstatut ist entscheidend für alle mit dem jeweiligen Bereicherungsanspruch in Zusammenhang stehenden Fragen. Es betrifft also nicht nur die Entstehung und den Umfang des Anspruchs, sondern auch seine Erstreckung auf Nutzungen und Surrogate, evtl Wertersatzansprüche, den Einwand des Wegfalls der Bereicherung sowie die Folgen der Saldierung und der in § 818 IV normierten Haftungsverschärfung. Art 40 II (Kappungsgrenze) gilt nicht (MüKo/Junker Art 38 Rz 32). Keine Anwendung findet Art 38 auf die Gläubigeranfechtung außerhalb des Insolvenzverfahrens, für die das Statut des anzufechtenden Erwerbsvorganges gilt (§ 19 AnfG; BGH NJW 99, 1395; Ddorf IPRax 00, 534, 537 [OLG Düsseldorf 25.08.1999 - 12 U 186/94]).

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