Gesetzestext

 

(1) 1Ansprüche aus unerlaubter Handlung unterliegen dem Recht des Staates, in dem der Ersatzpflichtige gehandelt hat. 2Der Verletzte kann verlangen, dass an Stelle dieses Rechts das Recht des Staates angewandt wird, in dem der Erfolg eingetreten ist. 3Das Bestimmungsrecht kann nur im ersten Rechtszug bis zum Ende des frühen ersten Termins oder dem Ende des schriftlichen Vorverfahrens ausgeübt werden.

(2) 1Hatten der Ersatzpflichtige und der Verletzte zur Zeit des Haftungsereignisses ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat, so ist das Recht dieses Staates anzuwenden. 2Handelt es sich um Gesellschaften, Vereine oder juristische Personen, so steht dem gewöhnlichen Aufenthalt der Ort gleich, an dem sich die Hauptverwaltung oder, wenn eine Niederlassung beteiligt ist, an dem sich diese befindet.

(3) Ansprüche, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen, können nicht geltend gemacht werden, soweit sie

1. wesentlich weiter gehen als zur angemessenen Entschädigung des Verletzten erforderlich,
2. offensichtlich anderen Zwecken als einer angemessenen Entschädigung des Verletzten dienen oder
3. haftungsrechtlichen Regelungen eines für die Bundesrepublik Deutschland verbindlichen Übereinkommens widersprechen.

(4) Der Verletzte kann seinen Anspruch unmittelbar gegen einen Versicherer des Ersatzpflichtigen geltend machen, wenn das auf die unerlaubte Handlung anzuwendende Recht oder das Recht, dem der Versicherungsvertrag unterliegt, dies vorsieht.

A. Allgemeines.

I. Normstruktur.

 

Rn 1

Art 40 ff wurden mit Wirkung vom 11.1.09 in weitem Umfang durch die ROM II-VO (IPR-Anh 2) abgelöst. Sie gelten jetzt nur noch außerhalb des Anwendungsbereichs der VO (insb für außervertragliche Schuldverhältnisse, die sich aus der Verletzung der Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte oder aus Schäden durch Kernenergie ergeben, sowie für Altfälle, Art 32 ROM II Rn 1), s insb R Wagner IPRax 08, 314, 316 f. Die Regelungen werden daher nur im Überblick mit Schwerpunkt auf den Fallgruppen, für die sie weiterhin gelten, dargestellt.

II. Anwendungsbereich des Deliktsstatuts.

 

Rn 2

Art 40 erfasst die außervertragliche Schadenshaftung (BTDrs 14/343, 11) einschl verschuldensunabhängiger Haftung, zB Gefährdungshaftung (BTDrs 14/343, 11; BGHZ 23, 56, 57 mwN; 87, 95, 97; NJW-RR 09, 1482 Rz 9), § 829 BGB (Staud/v Hoffmann Vorbem zu Art 40 Rz 5 mwN), zivilrechtlicher Aufopferungshaftung (Staud/v Hoffmann Vorbem zu Art 40 Rz 4 mwN) oder § 945 ZPO (Ddorf VersR 61, 1144, 1145), gilt aber nicht für die Staatshaftung (diese richtet sich nach dem Recht des Amtsstaates, BTDrs 14/343, 10; BGHZ 155, 279, 293; NJW 11, 3584 Rz 10; Köln NJW 05, 2860, 2861 f; zw Celle VersR 05, 793). Str ist die Qualifikation von Schadensersatzansprüchen aus Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (Staud/v Hoffmann Vorbem zu Art 40 Rz 3 mN). Zur Qualifikation der Existenzvernichtungshaftung § 826 BGB Rn 42.

 

Rn 3

Das Deliktsstatut erfasst Voraussetzungen und Rechtsfolgen unerlaubter Handlungen. Neben Schadensersatzansprüchen sind auch Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüche (zB BGHZ 35, 329, 333; 131, 332, 335; Hambg GRUR-RR 08, 31, 32) einschl der Verbandsklage gegen die Verwendung missbräuchlicher AGB (BGH ZIP 09, 2004 Rz 22; NJW 10, 2661 Rz 14) sowie – bei materiellrechtlicher Qualifikation – Auskunftsansprüche (Staud/v Hoffmann Vorbem zu Art 40 Rz 37; MüKo/Junker Art 40 Rz 104; BeckOK/Spickhoff Art 40 Rz 14, str) erfasst.

 

Rn 4

Bei ortsgebundenen Verhaltensnormen ist – unabhängig vom Deliktsstatut – für die Rechtmäßigkeit des Verhaltens das Recht des Ortes, an dem es erfolgte, maßgeblich, insb bei Verkehrsregeln.

 

Rn 5

Selbstständig anzuknüpfende Vorfragen können sich insb im Zusammenhang mit der Anspruchsberechtigung ergeben, zB wer Erbe ist, wem Unterhaltsansprüche gegen den Getöteten zustanden (zB BGH NJW-RR 87, 147 [BGH 30.09.1986 - VI ZR 274/85]; Frankf ZfS 04, 452, 454) oder Bestehen und Inhalt eines evtl verletzten Namensrechts (BTDrs 14/343, 10).

III. Vorrangige Regelungen.

 

Rn 6

Gemäß Art 3 Nr 2 ggü dem Deliktsstatut vorrangige Staatsverträge spielen eine geringe Rolle. Wichtiger ist die ROM II-VO, die nach Art 3 Nr 1 lit a innerhalb ihres Anwendungsbereichs vorgeht. Zu relevantem Einheitsrecht s im Zusammenhang mit den einzelnen Verweisungen.

 

Rn 7

Spezielle Anknüpfungsregeln finden sich im Kartell- und Insolvenzrecht. Vorrangig ggü Art 40 I ist die einseitige Anknüpfungsregel zugunsten des deutschen Rechts für Wettbewerbsbeschränkungen, die sich im Inland auswirken, in § 185 II GWB (der teilw, aber nicht vollständig in Art 6 III ROM II aufgeht, s Art 6 ROM II Rn 3). Da die Rechtsfolgen von Verstößen gegen europäisches Kartellrecht vom GWB (insb von § 33a GWB) erfasst sind, gilt auch insoweit § 185 II GWB (Bulst EWS 04, 403, 408 – zu § 130 GWB aF); für das Verhältnis zwischen EU-Kartellrecht und Kartellrecht von Drittstaaten wird Art 101 AEUV als einseitige Kollisionsnorm iSd Auswirkungsprinzips interpretiert (EuGH Slg 88, 5193 Rz 11 ff zu Art 85 EGV).– Im Insolvenzrecht ist im Verhältnis zu Staaten der EU mit Ausn Dänemarks in Bezug auf die Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen g...

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