Gesetzestext

 

(1) Auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten ist das Recht des Staates anzuwenden, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder wahrscheinlich beeinträchtigt werden.

(2) Beeinträchtigt ein unlauteres Wettbewerbsverhalten ausschließlich die Interessen eines bestimmten Wettbewerbers, ist Artikel 4 anwendbar.

(3)a) Auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus einem den Wettbewerb einschränkenden Verhalten ist das Recht des Staates anzuwenden, dessen Markt beeinträchtigt ist oder wahrscheinlich beeinträchtigt wird.
b) Wird der Markt in mehr als einem Staat beeinträchtigt oder wahrscheinlich beeinträchtigt, so kann ein Geschädigter, der vor einem Gericht im Mitgliedstaat des Wohnsitzes des Beklagten klagt, seinen Anspruch auf das Recht des Mitgliedstaats des angerufenen Gerichts stützen, sofern der Markt in diesem Mitgliedstaat zu den Märkten gehört, die unmittelbar und wesentlich durch das den Wettbewerb einschränkende Verhalten beeinträchtigt sind, das das außervertragliche Schuldverhältnis begründet, auf welches sich der Anspruch stützt; klagt der Kläger gemäß den geltenden Regeln über die gerichtliche Zuständigkeit vor diesem Gericht gegen mehr als einen Beklagten, so kann er seinen Anspruch nur dann auf das Recht dieses Gerichts stützen, wenn das den Wettbewerb einschränkende Verhalten, auf das sich der Anspruch gegen jeden dieser Beklagten stützt, auch den Markt im Mitgliedstaat dieses Gerichts unmittelbar und wesentlich beeinträchtigt.

(4) Von dem nach diesem Artikel anzuwendenden Recht kann nicht durch eine Vereinbarung gemäß Artikel 14 abgewichen werden.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Art 6 normiert spezielle Anknüpfungsregeln für unlauteren Wettbewerb (I, II) und den freien Wettbewerb einschränkendes Verhalten (III). Sie sind gem Erw 21 1 nicht als Ausnahmen von Art 4 I, sondern als Präzisierung dieser Grundregel anzusehen. Gleichwohl ist Art 6 ggü Art 4 vorrangig (so auch Th Schmidt Kollisionsrechtseinheit und Sachrechtsvielfalt im Binnenmarkt 21, 377 ff sowie in Bezug auf Art 4 III EuGH NJW 16, 2727 Rz 44 f). Zudem wird für den Anwendungsbereich des Art 6 die Rechtswahl ausgeschlossen (Art 6 IV; zu einer denkbaren Ausn s.u. Rn 6). Art 6 I, II gehen letztlich auf Art 5 des urspr Kommissionsvorschlags zurück (während das Europäische Parlament die gesamte wettbewerbsrechtliche Sonderregelung zugunsten eines Rückgriffs auf die Grundanknüpfung streichen wollte); Art 6 III wurde erst durch den Gemeinsamen Standpunkt des Rates vorbereitet und erhielt im Mitentscheidungsverfahren seine jetzige Form.

B. Anwendungsbereich.

I. Unlauterer Wettbewerb.

 

Rn 2

Unlauterer Wettbewerb iSd Art 6 I, II umfasst nach Erw 21 2 die Regeln zum Schutz von Wettbewerbern, Verbrauchern und Öffentlichkeit (einschl des Wettbewerbs als Institution, s nur Lindacher GRUR Int 08, 453). Der Begriff ist autonom auszulegen (ungenau daher Hamm MMR 14, 175, 176 [OLG Hamm 17.12.2013 - 4 U 100/13], aber iE vertretbar; s jetzt Th Schmidt Kollisionsrechtseinheit und Sachrechtsvielfalt im Binnenmarkt 21, 164 ff). Dabei lassen sich aus gemeinschaftsrechtlichen Rechtsakten (insb aus der RL 2005/29/EU über unlautere Geschäftspraktiken, ABl 05, L 149/22) Anhaltspunkte gewinnen, welche Bereiche auf jeden Fall erfasst werden (s.a. Mankowski GRUR Int 05, 634, 636; Köhler FS Coester-Waltjen 501, 502; ausf Bauermann Der Anknüpfungsgegenstand im europäischen Internationalen Lauterkeitsrecht 15, 81 ff mwN); diese Rechtsakte betreffen jedoch mit ihren Verbraucherschutzregeln nur einen Ausschnitt des iRd Art 6 maßgeblichen Bereichs – und auch diesen nicht vollständig (dazu jetzt umfassend Th Schmidt Kollisionsrechtseinheit und Sachrechtsvielfalt im Binnenmarkt 21, 236 ff; für eine Heranziehung der PVÜ Hellner YbPrIntL 07, 49, 68; zu PVÜ und TRIPS Th Schmidt Kollisionsrechtseinheit und Sachrechtsvielfalt im Binnenmarkt 21, 222 ff). Weiterhin nennt der erste Kommissionsentwurf als Bsp (KOM [03] 427 17): Handlungen, die auf die Nachfrage Einfluss zu nehmen trachten, die das Angebot von Wettbewerbern behindern sollen oder mit denen Vorteile eines Wettbewerbers missbraucht werden. Die Anknüpfung nach Art 6 I, II umfasst Ansprüche Privater (einschl anspruchsberechtigter Verbände, s nur Th Schmidt Kollisionsrechtseinheit und Sachrechtsvielfalt im Binnenmarkt 21, 346 ff; zur Abgrenzung zur lex fori BeckOGK/Poelzig/Windorfer/Bauermeister Art 6 Rz 40 ff mwN zum kontroversen Meinungsstand) wegen unlauteren Wettbewerbsverhaltens; praktisch wichtig sind hier insb Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche (s zu Letzteren insb EuGH NJW 16, 2727 Rz 39 ff), auch Unterlassungsklagen wegen der Verwendung missbräuchlicher Klauseln in Verbraucherverträgen (EuGH NJW 16, 2727 Rz 48; München MMR 19, 532, 533 [OLG München 10.01.2019 - 29 U 1091/18]; Bambg BeckRS 21, 3523; Bauermann Der Anknüpfungsgegenstand im europäischen Internationalen Lauterkeitsrecht 15, 285 ff; zu Bedenken gegen eine lauterkeitsrechtliche Anknüpfung aber Art 4 Rn 19), wobei ...

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