Gesetzestext

 

Durch den Leihvertrag wird der Verleiher einer Sache verpflichtet, dem Entleiher den Gebrauch der Sache unentgeltlich zu gestatten.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Der Leihvertrag begründet ein Dauerschuldverhältnis. Die Pflichten des Ver- und des Entleihers stehen nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis. Vertragsgegenstand sind Sachen (§ 90): Bewegliche wie unbewegliche, vertretbare (§ 91) und nicht vertretbare, idR nicht verbrauchbare (§ 92); ferner Sachgesamtheiten; Bsp vgl Rn 4. Der Verleiher hat den Gebrauch der Sache unentgeltlich zu gestatten; zu seinen Pflichten vgl § 601 Rn 1. Der Leihvertrag ist, unabhängig von der Dauer der Überlassung und vom Wert der Nutzung, formlos wirksam; § 550 ist nicht entspr anwendbar (BGH NJW 82, 820 [BGH 11.12.1981 - V ZR 247/80]).

B. Abgrenzung.

 

Rn 2

Der Entleiher erhält, anders als der Verwahrer (§§ 688 ff), das Recht zur Benutzung der Sache iRd Vereinbarung, im Gegensatz zur Schenkung aber nicht ihre Vermögenssubstanz (§ 516 Rn 7). Er darf sie weder verbrauchen noch über sie verfügen. Auch eine langfristige Nutzungsüberlassung, zB auf Lebenszeit des Entleihers (BGH NJW 82, 820 [BGH 11.12.1981 - V ZR 247/80]) oder über diejenige des Verleihers hinaus (BGH NJW 85, 1553 [BGH 20.06.1984 - IVa ZR 34/83]), führt nicht zur Qualifizierung als Schenkung. Der Verleiher bleibt Halter eines Kraftfahrzeugs iSd § 7 StVG (BGH NJW 62, 1678 [BGH 03.07.1962 - VI ZR 184/61]).

 

Rn 3

Der beiderseitige Rechtsbindungswille hebt den Leihvertrag vom bloßen Gefälligkeitsverhältnis ab. Da Gebrauchsüberlassungen oft nur konkludent, zB durch Überlassung der Benutzung, erfolgen, muss der Rechtsbindungswille aus den Umständen des Einzelfalls ermittelt werden. Kriterien sind der Wert einer anvertrauten Sache, die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit, das erkennbare Interesse des Begünstigten an der Erbringung der Leistung und die dem Leistenden erkennbare Gefahr, in welche jener durch eine fehlerhafte Leistung geraten kann (BGHZ 21, 102); ferner das erkennbare Interesse des Begünstigten, dass die Nutzungsdauer nicht beliebig verkürzt werden kann (BGH NJW 85, 313 [BGH 10.10.1984 - VIII ZR 152/83]). Gefälligkeitsverhältnisse sind gekennzeichnet durch die kurze Dauer der Gebrauchsüberlassung, die wirtschaftliche Belanglosigkeit und die jederzeitige Rückforderungsmöglichkeit (Soergel/Heintzmann Vor § 598 Rz 10), wie sie für Geschäfte des täglichen Lebens und im rein gesellschaftlichen Verkehr typisch sind (BGHZ 21, 102).

 

Rn 4

Bsp für die Abgrenzung aus der Rspr: Überlassung einer Wohnung (BGH NJW 12, 605; Hamm FamRB 13, 274: Leihe), unentgeltliche Nutzung eines Grundstücks zu Wohnwecken nach Erbringung nicht unerheblicher Arbeits- und Materialleistungen (BGH FamRZ 12, 207 Tz 26; FamRZ 15, 833) Tz 16: Leihe; s.a. NZM 17, 729 Tz 23); Mitnutzung einer im Alleineigentum des Partners einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft stehenden Wohnung (BGH NJW 08, 1649: Gefälligkeit); Einräumung eines unentgeltlichen schuldrechtlichen Wohnrechts (BGH FamRZ 07, 2333: Leihe); Benutzung eines Grundstücks als Zufahrt (Ddorf OLGZ 89, 118; Köln NJW-RR 92, 1497: Leihe); Abwasserleitung auf fremdem Grundstück (BGH NJW 94, 3156 [BGH 17.03.1994 - III ZR 10/93]: Leihe); Abstellen eines Kfz auf fremdem Grundstück (Köln OLGZ 72, 213: Gefälligkeit); Überlassung eines Wohnwagens (Frankf NJW-RR 98, 415 [OLG Frankfurt am Main 24.07.1997 - 15 U 211/96]: Leihe); eines Kfz (BGH NJW 79, 759 [BGH 29.11.1978 - VIII ZR 7/78]; Hamm NJW-RR 93, 672 und 00, 1047 [OLG Hamm 17.12.1999 - 29 U 54/99]: Leihe); eines Schleppers zum Bergen eines PKW (LG Paderborn ZfS 97, 447 [BGH 15.07.1997 - VI ZR 142/95]: Leihe); Überlassung von Kunstgegenständen an Museum (Ddorf NJW 90, 2000 [OLG Düsseldorf 02.08.1988 - 7 U 268/87]; Celle NJW-RR 94, 1473 [OLG Celle 29.06.1994 - 20 U 9/94]: Leihe), von Bildmaterial zur Prüfung der Veröffentlichung (Celle NJW-RR 02, 259 [OLG Celle 21.06.2001 - 13 U 160/00]: keine Leihe). Zur Überlassung eines Kfz als Vorführwagen oder für eine Probefahrt vgl Rn 6. Zur Abgrenzung der Leihe zur Miete § 535 Rn 10.

 

Rn 5

Bedeutung hat die Unterscheidung zwischen Leihe und Gefälligkeit für die Haftung auf Schadensersatz. Der BGH lehnt bei Gefälligkeiten die Analogie zu § 599 ab (NJW 92, 2474 [BGH 09.06.1992 - VI ZR 49/91]); vgl § 599 Rn 2. Richtiger erscheint die Annahme eines vertragsähnlichen Schuldverhältnisses mit der Folge, dass der Haftungsrahmen durch §§ 599 und 278 bestimmt wird und in dessen Schutzwirkung Dritte einbezogen sein können (MüKo/Häublein Rz 7 und § 599 Rz 6). Die Abgrenzung verliert damit an Gewicht.

 

Rn 6

Der einverständlichen Überlassung einer Sache iRv Vertragsverhandlungen liegt kein selbstständiges Vertragsverhältnis iS einer Leihe zugrunde. Sie ist Teil des vorvertraglichen Schuldverhältnisses gem § 311 II. Das gilt insb für die Überlassung eines Kfz als Vorführwagen oder für eine Probefahrt (BGH NJW 64, 1225 [BGH 18.02.1964 - VI ZR 260/62]; 68, 1472 [BGH 21.05.1968 - VI ZR 131/67]; Köln NJW 96, 1288 [OLG Köln 20.11.1995 - 16 U 32/95]).

 

Rn 7

Ein vom Entleiher...

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