Gesetzestext

 

(1) Ein Vertrag, der zwischen Personen geschlossen wird, die oder deren Vertreter sich zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in demselben Staat befinden, ist formgültig, wenn er die Formerfordernisse des auf ihn nach dieser Verordnung anzuwendenden materiellen Rechts oder die Formerfordernisse des Rechts des Staates, in dem er geschlossen wird, erfüllt.

(2) Ein Vertrag, der zwischen Personen geschlossen wird, die oder deren Vertreter sich zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in verschiedenen Staaten befinden, ist formgültig, wenn er die Formerfordernisse des auf ihn nach dieser Verordnung anzuwendenden materiellen Rechts oder die Formerfordernisse des Rechts eines der Staaten, in denen sich eine der Vertragsparteien oder ihr Vertreter zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses befindet, oder die Formerfordernisse des Rechts des Staates, in dem eine der Vertragsparteien zu diesem Zeitpunkt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, erfüllt.

(3) Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das sich auf einen geschlossenen oder zu schließenden Vertrag bezieht, ist formgültig, wenn es die Formerfordernisse des materiellen Rechts, das nach dieser Verordnung auf den Vertrag anzuwenden ist oder anzuwenden wäre, oder die Formerfordernisse des Rechts des Staates erfüllt, in dem dieses Rechtsgeschäft vorgenommen worden ist oder in dem die Person, die das Rechtsgeschäft vorgenommen hat, zu diesem Zeitpunkt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

(4) Die Absätze 1, 2 und 3 des vorliegenden Artikels gelten nicht für Verträge, die in den Anwendungsbereich von Artikel 6 fallen. Für die Form dieser Verträge ist das Recht des Staates maßgebend, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

(5) Abweichend von den Absätzen 1 bis 4 unterliegen Verträge, die ein dingliches Recht an einer unbeweglichen Sache oder die Miete oder Pacht einer unbeweglichen Sache zum Gegenstand haben, den Formvorschriften des Staates, in dem die unbewegliche Sache belegen ist, sofern diese Vorschriften nach dem Recht dieses Staates

a) unabhängig davon gelten, in welchem Staat der Vertrag geschlossen wird oder welchem Recht dieser Vertrag unterliegt, und
b) von ihnen nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf.

A. Einführung.

 

Rn 1

Mit Art 11 sieht die ROM I für Formfragen eine Sonderanknüpfung vor und entzieht sie der alleinigen Herrschaft des Vertragsstatuts. Leitlinie ist, wie im autonomen Recht, die Begünstigung der Formwirksamkeit durch alternative Anknüpfung an Orts- und Geschäftsrecht.

 

Rn 2

Die Unterschiede zu den auf Schuldverträge seit 17.12.09 nicht mehr anwendbaren Art 11 I–IV EGBGB (s Art 11 EGBGB Rn 1) sind gering, da es sich um die Umsetzung von Art 9 EVÜ handelt, dessen in der Praxis bewährte (vgl Mankowski IPRax 06, 110) Regelungen Art 11 grds übernimmt. Es kann daher weitgehend auf die Kommentierung des Art 11 EGBGB verwiesen werden, zumal dieser insoweit gem Art 18 EVÜ mit Auslegungsprärogative des EuGH (s Art 11 EGBGB Rn 2) auch international einheitlich auszulegen ist.

B. Anknüpfungsgegenstand.

 

Rn 3

Hinsichtlich der Qualifikation von Formfragen kann zur Orientierung auf Rspr und Lit zu Art 11 EGBGB (Art 11 EGBGB Rn 4 f) verwiesen werden.

 

Rn 4

Neben der Form des Vertrags selbst erfasst Art 11 nach III auch diejenige von einseitigen Rechtsgeschäften, die sich auf einen geschlossenen oder zu schließenden Vertrag beziehen. Das Formstatut gilt in seiner ganzen Weite daher nicht nur für die vertragskonstitutiven Willenserklärungen, sondern auch etwa für Kündigungen, Anfechtungen u. dgl, nicht aber etwa für dingliche Verfügungen. Gesellschaftsrechtliche Rechtsgeschäfte unterliegen nach Art 1 II f ohnehin nicht der ROM I.

 

Rn 5

Nach Art 3 V ist auch der Rechtswahlvertrag selbst erfasst.

C. Anknüpfungspunkte.

I. Überblick.

 

Rn 6

Art 11 schreibt im Interesse eines favor negotii eine alternative Anknüpfung vor, entweder an den Abschlussort des Geschäftes oder an den Anknüpfungspunkt des Geschäftsstatuts, dem das Rechtsgeschäft, um dessen Form es geht, selbst unterliegt. Jedenfalls, soweit als Geschäftsstatut für den Vertrag ein anwendbares Recht gewählt werden kann, ist auch die Alternativität des Orts- und Geschäftsstatuts abdingbar (s Art 11 EGBGB Rn 10). Für Verbraucher- und Grundstücksverträge sehen IV und V Einschränkungen vor. Während Art 9 III EVÜ/Art 11 III EGBGB Vertretern noch einen eigenen Absatz widmete, sind sie in Art 11 ROM I mit einbezogen, und zwar sowohl in den von Platzgeschäften handelnden I als auch in den Distanzgeschäfte regelnden II.

II. Zur Auswahl stehende Rechtsordnungen.

1. Platzgeschäfte (Abs 1).

 

Rn 7

Die Formerfordernisse für Platzgeschäfte knüpft I alternativ an das Geschäftsrecht und an das am Abschlussort (dazu s Art 11 EGBGB Rn 12 – Vornahmeort) geltende Recht an. Dass es sich auch bei der Verweisung auf das Ortsrecht um eine Sachnormverweisung handelt, lässt sich der eindeutig sachrechtsbezogenen Formulierung ›Formerfordernisse‹ entnehmen.

2. Distanzgeschäfte (Abs 2).

 

Rn 8

Für Distanzgeschäfte wird die Auswahl der alternativen Anknüpfungspunkte ggü Art 11 EGBGB noch vermehrt, indem neben dem Geschäftsrecht und dem schlichten Aufenthalt auch der gewöhnliche Aufenthalt einer der Vertragsparteien gilt. Den gew...

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