Rn 3

Nach Wortlaut und Sinn des § 320 wird ein Leistungsverweigerungsrecht des Gläubigers durch seine Pflicht zur Vorleistung ausgeschlossen. Eine solche Pflicht kann auf Gesetz oder Vereinbarung beruhen. Gesetzliche Vorschriften über Vorleistungspflichten sind etwa die §§ 556b, 579, 581 II, 587 I, 614, 640, 641. Dabei hat der Werkunternehmer freilich nur insofern vorzuleisten, als er das Werk zunächst ohne Gegenleistung fertigstellen muss; die Vergütung kann er dann Zug um Zug gegen die Abnahme verlangen, § 641. Doch wird die Vorleistungspflicht jetzt durch § 632a abgeschwächt. Vorleistungspflichten aufgrund einer Vereinbarung liegen insb in einer Kreditierung der Gegenleistung, zB bei Abzahlungsgeschäften. Das Reisevertragsrecht des BGB enthält keine von § 320 abweichende Vorleistungspflicht, BGHZ 203, 335 Rz 19.

 

Rn 4

Bei Vorleistungspflichten ist zu unterscheiden zwischen beständigen und unbeständigen. Bei letzteren sind für Leistung und Gegenleistung voneinander verschiedene feste Termine bestimmt. Nach Eintritt des früheren Termins ist der betroffene Schuldner zunächst vorleistungspflichtig; das endet aber, sobald auch der spätere Termin eingetreten ist. Danach gilt also wieder § 320. Dagegen besteht bei der beständigen Vorleistungspflicht stets ein Abstand zwischen den Terminen (zB ›Zahlung vier Wochen nach Lieferung‹); hier gilt § 320 für die später zu erbringende Leistung ausnahmslos.

 

Rn 5

Für die Vereinbarung über eine Vorleistungspflicht sind im Handelsverkehr vielfach Klauseln üblich, so etwa ›Netto Kasse gegen Faktura‹; danach muss sofort nach Eingang der Rechnung gezahlt werden, entspr bei ›Kassa gegen Konnossement‹ (RGZ 59, 23, 25). Häufig sind Vorleistungspflichten des Bestellers bei umfangreichen Werkverträgen, wo bestimmte Teile schon nach deren Fertigstellung bezahlt werden müssen (vgl § 632a). Auch sog Smart Contracts enthalten faktisch eine Abbedingung des Zurückbehaltungsrechts (Wagner AcP 222, 56, 79 ff).

 

Rn 6

Unwirksam wird eine Vorleistungspflicht nach § 321. Darüber hinaus kommt § 242 in Betracht. So soll eine Vorleistung etwa unzumutbar sein, wenn der Empfänger die ihm obliegende Gegenleistung ernsthaft und endgültig verweigert (vgl BGHZ 50, 175, 177), zB weil er die Vertragswirksamkeit leugnet (BGHZ 88, 240, 248 mN; MüKo/Emmerich Rz 31). Gleiches gilt, wenn er sich mit einem Rücktritt verteidigt. Doch lebt die Vorleistungspflicht wieder auf, wenn der Vorleistungsgläubiger seine eigene Verpflichtung doch noch vorbehaltlos anerkennt (BGHZ 88, 91, 97).

 

Rn 7

Str ist dagegen, ob in solchen Fällen der Beklagte regelmäßig nach §§ 320, 322 zur Leistung Zug um Zug zu verurteilen (so MüKo/Emmerich Rz 32) oder ob die Klage abzuweisen ist (so bisweilen die Rspr: Es sei sinnlos, dem Kläger ein Recht zuzusprechen, dessen Ausübung er von vornherein abgelehnt habe, BGHZ 50, 175, 177 f). Wenigstens idR dürfte der ersten Ansicht zu folgen sein. Doch kann der zunächst Vorleistungspflichtige die Auflösung des Vertrages nach § 323 betreiben (eine Fristsetzung kann nach § 323 II 1 unnötig sein); vgl MüKo/Emmerich Rz 32.

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