Rn 3

Die Grundgedanken des Schadensersatz statt der Leistung – die Konkurrenz von Schadensersatz und Erfüllung sowie das Recht zur zweiten Andienung (s § 280 Rn 40) – beherrschen nicht nur die Frage der Qualifikation des Schadens (s § 280 Rn 41), sondern auch die Ausfüllung der zusätzlichen Voraussetzungen der Ersatzfähigkeit. Das gilt sowohl für die Angemessenheit der Frist (Rn 7) als auch für die Klärung der Frage nach der Entbehrlichkeit der Fristsetzung (Rn 12 ff) und dabei insbes für die Konkretisierung der Generalklausel in § 281 II Alt 2 (Rn 1921).

I. Voraussetzungen.

 

Rn 4

§ 281 begründet zusätzliche Voraussetzungen nur für solche Fälle, in denen der Tatbestand des § 280 erfüllt ist. Nur insoweit kommt es auf Pflichtverletzung und Vertretenmüssen an. Aus dem Umstand, dass Schadensersatz statt der Leistung verlangt wird, ergeben sich keine abweichenden Anforderungen an die Pflichtverletzung; diese bleibt jeweils identisch (s § 280 Rn 10 ff). Nicht etwa werden die Voraussetzungen von § 281 in § 280 I 1 hineingelesen (s Vor § 275 Rn 7; problematisch daher Jauernig/Stadler § 281 Rz 16 [›Schaden aus der Nichtleistung bei Fristablauf‹]). Auf diese Pflichtverletzung bezieht sich auch das Vertretenmüssen (unrichtig Celle ZGS 06, 429, 431). Liegt dieses erst später vor als die (besser: der Beginn der) Pflichtverletzung ist dies hinreichend (Köln ZGS 06, 77 [in concreto Vertretenmüssen verneint]; vgl BGH NJW 05, 2852); dabei geht es freilich nicht um das Vertretenmüssen des Ausbleibens der Nacherfüllung (missverständlich Tiedtke/Schmidt 178 f; unrichtig Celle ZGS 06, 429, 431; offen gelassen in BGH NJW 05, 2854) als vielmehr der Pflichtverletzung, die sowohl dem ursprünglichen Erfüllungsanspruch als auch dessen Modifikation im Nacherfüllungsanspruch zugrunde liegt. Keine Voraussetzung von § 281 ist der Verzug des Schuldners (Jauernig/Stadler § 281 Rz 16; unrichtig OLGR Ddorf 06, 217 f), der aber vielfach vorliegen wird (s Grüneberg/Grüneberg § 281 Rz 7 [iE freilich missverständlich]).

1. Fristsetzungserfordernis.

 

Rn 5

Will der Gläubiger wegen Verletzung der Pflicht hinsichtlich einer Leistung seinen Schaden, dh sein Erfüllungsinteresse, geltend machen, dann muss er nach § 281 I 1 zunächst erfolglos eine angemessene (Nach-)Frist gesetzt haben (generell zum Nachfristmodell Wolf/Lange FS Kilian, 801–815 sowie Dubovitskaya JZ 12, 328 ff). Die Fristsetzung soll dem Schuldner vor Augen führen, dass er die Leistung nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt erbringen kann (BGH NJW 15, 2564 [BGH 18.03.2015 - VIII ZR 176/14] Rz 11). Technisch dient sie einerseits der Vorbereitung des Übergangs zum Schadensersatzanspruch und begrenzt andererseits das Recht des Schuldners zur zweiten Andienung (s § 280 Rn 40). Wegen dieser Begrenzung wirkt die Frist auch zum Nachteil des Gläubigers, der eine mehr als angemessen lange Frist gesetzt hat, die konstitutiv wirkt und vor deren Ablauf er weder zum Schadensersatz übergehen, noch eine Vertragsaufhebung erklären kann (Dubovitskaya JZ 12, 328, 330; Staud/Otto/Schwarze § 281 Rz B 45). Dies gilt erst recht, wenn es einer Fristsetzung wegen deren Entbehrlichkeit nicht bedurft hätte (BGH NJW 10, 1284 [BGH 08.12.2009 - XI ZR 181/08] Rz 33). Kein Fristsetzungserfordernis besteht bei Schadensersatzansprüchen statt der Leistung wegen unterbliebener Bereitstellung (§ 327c II 2) oder Mangelhaftigkeit (§ 327m III 1) digitaler Produkte (zum Anwendungsbereich s § 327) sowie Mangelhaftigkeit von Kaufsachen bei Verbrauchsgüterkaufverträgen (§ 475d II). An seine Stelle tritt die Aufforderung zur Bereitstellung, der der Schuldner unverzüglich nachkommen muss (§ 327c I) bzw das Nacherfüllungsverlangen, dem der Schuldner in angemessener Frist nachkommen muss (§ 327l I 2 bzw § 475d I Nr 1). S hierzu Rn 2.

 

Rn 6

Bei der Fristsetzung handelt es sich um eine geschäftsähnliche Erklärung, auf die die §§ 104 ff Anwendung finden; sie ist im Blick auf die mögliche Konstitutivität (Rn 5) nicht lediglich rechtlich vorteilhaft iSv § 107 (aA 7. Aufl sowie Grüneberg/Grüneberg § 281 Rz 9). Die Erklärung des Gläubigers muss den betroffenen Anspruch hinreichend genau bezeichnen (Huber/Faust 118). Die Fristsetzung muss hinreichend bestimmt eine Frist mit zumindest berechenbarem Ende bezeichnen – mehrfaches oder ständiges Mahnen genügt nicht; ausnahmsweise soll die Aufforderung zu ›unverzüglicher Leistung‹ genügen können (RGZ 75, 354, 357). Derartige Fälle sollten jedoch unter § 281 II Alt 2 als solche der Entbehrlichkeit der Frist behandelt werden (s Rn 19, Rn 20). Die vom BGH vertretene Gegenauffassung (BGH NJW 09, 3153 [›umgehende Mängelbeseitigung‹]; BGH NJW 16, 3654 [BGH 13.07.2016 - VIII ZR 49/15] [Bitte um ›schnelle Behebung‹]; ihm folgend Dubovitskaya JZ 12, 328, 330 ff) entspricht – va im Blick auf den Schutz des Rechts zur zweiten Andienung – nicht dem Regelungszweck.

 

Rn 7

Eine Fristsetzung vor Fälligkeit ist grds unwirksam (NK/Dauner-Lieb § 281 Rz 22); unschädlich ist jedoch, wenn mit der Fristsetzung zugleich die Fälligkeit begründet wird (Derleder/Zänker NJW 03, 277...

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