Rn 23

Schädigt bei betriebsbezogenen Tätigkeiten der Arbeitnehmer den Arbeitgeber (s § 611 Rn 91 ff), haftet der Arbeitnehmer bei leichtester Fahrlässigkeit unter bestimmten Voraussetzungen (s Rn 24) nicht, während bei mittlerer, ausnahmsweise sogar bei grober Fahrlässigkeit eine Schadensteilung eintritt (vgl BAG NJW 90, 468, 469 f [BAG 12.10.1989 - 8 AZR 276/88] [Missverhältnis zwischen Schadensrisiko und Verdienst]; BAG AP § 254 Nr 15 Rz 41 [einkalkulierter und versicherter Verlust]); der vorsätzlich handelnde und – von Ausnahmen abgesehen – auch der grobfahrlässig handelnde Arbeitnehmer haften hingegen voll (BAG AP § 254 Nr 15 Rz 30). Das Verschulden muss sich nicht nur auf die Pflichtverletzung, sondern auch auf den Eintritt eines Schadens beziehen (BAG AP § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr 122; BAG AP § 254 Nr 15 Rz 34). Der Gefahrentlastung des Arbeitnehmers liegt der Gedanke zugrunde, dass das mit seiner Tätigkeit verbundene Schädigungsrisiko letztlich ein Betriebsrisiko des Arbeitgebers ist. Konsequenterweise ist dieses Betriebsrisiko gleich einem Mitverschulden des entstandenen Schadens analog § 254 in Rechnung zu stellen; das schließt die Berücksichtigung eines echten Mitverschuldens nicht aus (ErfK/Preis § 619a Rz 8). Der Anwendungsbereich ist auf Arbeitnehmer beschränkt; zur Anwendung auf andere Dienstleister vgl BGH VersR 16, 1464 Rz 28 ff (für Binnenschiffahrtslotsen abgelehnt).

 

Rn 24

Die (umstr) Voraussetzung, dass die Schädigung in Ausführung einer ›gefahrgeneigten Arbeit‹ geschehen war (BAG BB 90, 64 [BAG 12.10.1989 - 8 AZR 741/87]), ist aufgegeben (BAG (GS) AP Nr 103 zu § 611 Haftung des Arbeitnehmers; BGH NJW 94, 856; vgl zu weiteren Einzelheiten Schaub Arbeitsrechts-Handbuch 428 ff; Löwisch/Caspers/Klumpp Arbeitsrecht 535 ff). ›Gefahrgeneigt‹ spielt jetzt nur noch bei Abwägung von Verschulden und Betriebsrisiko eine Rolle (s BAG AP § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr 106). Außerdem sind bei der Ermittlung des Risikos die folgenden Gesichtspunkte zu berücksichtigen: Die Höhe des Schadens (ErfK/Preis § 619a Rz 16), ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes oder durch Versicherungen deckbares Risiko (BAG AP § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr 92) und die Stellung des Arbeitsnehmers im Betrieb (ErfK/Preis § 619a Rz 16). Die Höhe des Arbeitsentgelts kann nur insoweit Bedeutung erlangen, als darin möglicherweise eine – die Haftungsmilderung dann ausschließende – Risikoprämie für den Arbeitnehmer enthalten ist (BAG AP § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr 106). Hingegen haben persönliche Verhältnisse des Arbeitnehmers wie die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, seine Familienverhältnisse, sein bisheriges Verhalten und sein Lebensalter keinen Einfluss auf die betriebliche Risikostruktur; entgegen der Auffassung der Rspr bleiben sie daher richtigerweise außer Betracht (Löwisch/Caspers/Klumpp Arbeitsrecht 536). Dasselbe gilt für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers (BGH AP § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr 1).

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