Rn 28

§ 278 spricht von ›Schuldner‹ und ›Verbindlichkeit‹, setzt also eine Sonderverbindung voraus. Eine solche besteht regelmäßig in den Fällen II 1 Alt 1 (sonst kann der Geschädigte kaum warnen) und Alt 2 (es gibt ja meist schon einen Schadensersatzanspruch). Dagegen ist bei I eine Sonderverbindung zwar insb bei Haftung aus Vertragsverletzung oder cic gegeben, nicht aber bei der Deliktshaftung. Wenn der Ersatzanspruch aus Delikt stammt, wird also insb Kindern ein Aufsichtsverschulden ihrer Eltern bei der Schadensentstehung nicht angerechnet. Wenn neben dem Schädiger auch die Eltern als Anspruchsgegner in Betracht kommen, etwa, weil sie das verletzte Kind unzureichend beaufsichtigt haben, kommt es wegen § 1664 oft zu einer gestörten Gesamtschuld (dazu § 426 Rn 23, § 840 Rn 5). Nach Eintritt des schädigenden Ereignisses gilt II 2, 278 aber uneingeschränkt (BGH NJW 88, 2667 [BGH 01.03.1988 - VI ZR 190/87]). So müssen Kinder zB – wegen der dann schon bestehenden Ersatzpflicht – ein Verschulden der Eltern an der Ausweitung des Schadens gegen sich gelten lassen, etwa wenn eine ärztliche Behandlung verzögert wird (RGZ 156, 193, 205).

 

Rn 29

Die eben geschilderte Auffassung des II 2 als Rechtsgrundverweisung auf § 278 wird aber durch den Wortlaut nicht zwingend gefordert. Vielmehr kann man die ja bloß ›entspr‹ Anwendung auch als Rechtsfolgeverweisung verstehen: Dann kommt es auf eine Sonderverbindung zwischen Schädiger und Geschädigtem im Zeitpunkt der Schädigung nicht an.

 

Rn 30

Während in der Lit nicht selten die Ansicht von o Rn 29 vertreten wird, hat die Rspr die (va für Kinder günstigere) Ansicht von o Rn 28 vorgezogen: etwa BGHZ 24, 325, 327; 116, 60, 74. Freilich sollen dann auch die §§ 31, 831 entspr anwendbar sein (BGHZ 3, 46; 8, 142, 151), die aber für Kinder nicht in Betracht kommen. Da wirklich überzeugende Gegengründe nicht ersichtlich sind, ist II 2 in der Praxis als Rechtsgrundverweisung (mit der Konsequenz von o Rn 28) zu verstehen.

 

Rn 31

Bei Annahme einer Rechtsgrundverweisung gilt für den Gehilfen auch das weitere Merkmal des § 278 entspr, nämlich das der Einschaltung (vgl § 278 Rn 13). Anzurechnen ist also nur ein Verschulden von Gehilfen, die der Geschädigte in die Erfüllung seiner Obliegenheiten eingeschaltet hat, zB die Ehefrau wird mit der Begleitung eines Transports betraut (BGHZ 3, 46, 51). Nicht Erfüllungsgehilfe ist dagegen der Architekt des Bauherrn bei der Kontrolle des Bauunternehmers: Diese Kontrolle obliegt dem Bauherrn nicht, so dass er den Architekten nicht eingeschaltet hat (Karlsr VersR 62, 188).

 

Rn 32

Einige Sondervorschriften (wie § 9 StVG, § 6 I ProdhaftG, § 11 UmwHaftG, § 34 LuftverkG, § 27 AtomG) stellen bei der Beschädigung einer Sache ein Verschulden des Sachbewahrungsgehilfen dem Verschulden des Geschädigten gleich. Hier wird also ohne die Erfordernisse von § 278 zugerechnet. Ebenfalls ohne die Einschränkung des § 278 ermöglicht § 846 die Zurechnung von Drittverschulden im Todesfall, welches ansonsten auch nicht zurechenbar wäre.

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