Rn 35

Die Haftung der Parteien nach Art 79 I CISG ist ebenfalls verschuldensunabhängig. Auf persönliche Verschuldensfähigkeit kommt es nicht an. Aber auch die Einhaltung der objektiv geforderten Sorgfalt reicht zur Entlastung nicht aus, vielmehr muss der Schuldner beweisen, ›dass die Nichterfüllung auf einem außerhalb [seines] Einflussbereichs liegenden Hinderungsgrund beruht und dass [von ihm] vernünftigerweise nicht erwartet werden konnte, den Hinderungsgrund bei Vertragsabschluss in Betracht zu ziehen oder den Hinderungsgrund oder seine Folgen zu vermeiden oder zu überwinden‹ (zu Einzelheiten s Schlechtriem/Schwenzer Art 79 CISG Rz 10 ff). Diese Entlastung ist allerdings nur für die Haftung auf Schadensersatz möglich (vgl Art 79 V CISG). Anderen Rechtsbehelfen des Gläubigers kann sich der Schuldner nicht entziehen; für Naturalerfüllung s jedoch Art 28 CISG.

 

Rn 36

Der Sache nach handelt es sich bei Art 79 CISG um einen Haftungsausschluss wegen höherer Gewalt. Dieser Standard einer strengen, verschuldensunabhängigen Haftung war dem BGB in seiner ursprünglichen Fassung weitgehend fremd (Ausnahme §§ 206 [ex § 203 II] und 1996 I 1). Inzwischen hat dieser Standard freilich in Umsetzung der Richtlinien über Pauschalreisen und Zahlungsdienste sowie des Europaratsübereinkommens über die Gastwirtehaftung Einzug gehalten: §§ 651h III, 651n I Nr 3, 676c Nr 1 (ungewöhnliches und unvorhersehbares Ereignis; Wortlaut hinsichtlich Externalität offen), 701 III Var 5. Einen entspr Standard begründet Art 5 III FluggastrechteVO (außergewöhnliche Umstände). Unter höherer Gewalt ist ein externes Hindernis der Pflichterfüllung zu verstehen, das der Schuldner weder vermeiden noch überwinden kann (s RGZ 117, 12, 13; BGHZ 100, 185, 188). Mit der Externalität des Störungsursprungs ist nicht gemeint, dass es sich um ein menschlich nicht beherrschbares Ereignis handeln muss. Vielmehr soll dieses Erfordernis lediglich Hindernisse aus der Sphäre des Schuldners ausschließen (vgl BGH NJW 17, 2677 [BGH 16.05.2017 - X ZR 142/15]). An die Vermeidbarkeit und Überwindbarkeit sind die Anforderungen des Fahrlässigkeitsmaßstabes (§ 276 II) zu stellen. Technische Defekte eines Flugzeugs können ein Luftverkehrsunternehmen daher nicht entlasten (BGHZ 194, 258 Rz 16), Vogelschlag jedoch schon (BGH BeckRS 13, 19863 Rz 13). Häufig wird auch die Unvorhersehbarkeit der Störung gefordert (s etwa den Wortlaut von § 651j I aF). Freilich handelt es sich dabei nicht um eine eigenständige Voraussetzung der höheren Gewalt, vielmehr ist die Vorhersehbarkeit der Störung ein bei der Auslegung des Vertrages zu berücksichtigender Umstand, der auf eine Risikoübernahme durch den Schuldner hindeutet (Schmidt-Kessel Standards vertraglicher Haftung 127 f, 450 f). Eine solche Risikoübernahme schließt die Berufung auf höhere Gewalt aus. Eine solche kann sich aus ausdrücklichen Regelungen des Vertrags (Bsp Klauseln für den Fall einer Schließung der Straße von Hormus) aber auch aus anderen Umständen ergeben.

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