Gesetzestext

 

(1) Vor Reisebeginn kann der Reisende jederzeit vom Vertrag zurücktreten. Tritt der Reisende vom Vertrag zurück, verliert der Reiseveranstalter den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis. Der Reiseveranstalter kann jedoch eine angemessene Entschädigung verlangen.

(2) Im Vertrag können, auch durch vorformulierte Vertragsbedingungen, angemessene Entschädigungspauschalen festgelegt werden, die sich nach Folgendem bemessen:

1. Zeitraum zwischen der Rücktrittserklärung und dem Reisebeginn,
2. zu erwartende Ersparnis von Aufwendungen des Reiseveranstalters und
3. zu erwartender Erwerb durch anderweitige Verwendung der Reiseleistungen.

Werden im Vertrag keine Entschädigungspauschalen festgelegt, bestimmt sich die Höhe der Entschädigung nach dem Reisepreis abzüglich des Werts der vom Reiseveranstalter ersparten Aufwendungen sowie abzüglich dessen, was er durch anderweitige Verwendung der Reiseleistungen erwirbt. Der Reiseveranstalter ist auf Verlangen des Reisenden verpflichtet, die Höhe der Entschädigung zu begründen.

(3) Abweichend von Absatz 1 Satz 3 kann der Reiseveranstalter keine Entschädigung verlangen, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen. Umstände sind unvermeidbar und außergewöhnlich im Sinne dieses Untertitels, wenn sie nicht der Kontrolle der Partei unterliegen, die sich hierauf beruft, und sich ihre Folgen auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären.

(4) Der Reiseveranstalter kann vor Reisebeginn in den folgenden Fällen vom Vertrag zurücktreten:

1.

für die Pauschalreise haben sich weniger Personen als die im Vertrag angegebene Mindestteilnehmerzahl angemeldet; in diesem Fall hat der Reiseveranstalter den Rücktritt innerhalb der im Vertrag bestimmten Frist zu erklären, jedoch spätestens

a) 20 Tage vor Reisebeginn bei einer Reisedauer von mehr als sechs Tagen,
b) sieben Tage vor Reisebeginn bei einer Reisedauer von mindestens zwei und höchstens sechs Tagen,
c) 48 Stunden vor Reisebeginn bei einer Reisedauer von weniger als zwei Tagen,
2. der Reiseveranstalter ist aufgrund unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände an der Erfüllung des Vertrags gehindert; in diesem Fall hat er den Rücktritt unverzüglich nach Kenntnis von dem Rücktrittsgrund zu erklären.

Tritt der Reiseveranstalter vom Vertrag zurück, verliert er den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis.

(5) Wenn der Reiseveranstalter infolge eines Rücktritts zur Rückerstattung des Reisepreises verpflichtet ist, hat er unverzüglich, auf jeden Fall aber innerhalb von 14 Tagen nach dem Rücktritt zu leisten.

A. Zweck.

 

Rn 1

Vor Antritt der Reise kann (nur) der Reisende jederzeit ohne Angabe von Gründen formlos zurücktreten (I), zB weil er nach (ggf frühzeitiger) Buchung das Interesse verloren hat, krank oder beruflich unabkömmlich geworden ist. Er muss dann nicht den Reisepreis zahlen (I 2), §§ 326 II, 649 gelten insoweit nicht, aber den Veranstalter entschädigen (I 3, II). Daher wird § 651h verdrängt, wenn die für den Reisenden günstigeren Rücktritts- bzw Kündigungsmöglichkeiten bestehen. III gilt für besondere Umstände, die die Geschäftsgrundlage berühren (BGH 18.12.12 – X ZR 2/12 Rz 18); auch, wenn sie die Reise unmöglich machen. § 326 ist insoweit verdrängt. Zu den Corona-Folgen s Rn 9 und Lit § 651a Rn 3.

B. Voraussetzungen.

 

Rn 2

Grds setzt der Rücktritt einen geschlossenen Reisevertrag voraus. Nicht erfasst sind öffentlich-rechtliche Verträge (OVG Münster NJW 88, 1872; VG Berlin NJW 00, 2040 [VG Berlin 28.01.2000 - 3 A 559.99]; VerwG Saarl 1 K 21/05: jeweils zur Klassenfahrt).

 

Rn 3

Die Rücktrittserklärung des Reisenden muss vor Beginn der Reise, dh bevor der Reisende die erste Reiseleistung wenigstens zT in Anspruch nimmt (LG München I RRa 02, 183), erklärt werden (I 1). Das ist zB der Fall für die Zeit der Fahrt zum Abflughafen (LG München I aaO), nicht aber nach Einchecken durch Gepäckaufgabe (Dresd NJW-RR 01, 1610 [OLG Dresden 28.08.2001 - 3 U 1338/01]) oder Antritt des Zubringerfluges (AG München RRa 03, 91 [AG München 19.08.2002 - 251 C 17010/02]). Nach Reisebeginn ist § 651h nicht anwendbar (LG Köln RRa 04, 130 [LG Köln 02.03.2004 - 11 S 279/03]), auch nicht entspr. Bei Reiseabbruch gilt dann § 649 entspr.

 

Rn 4

Die erforderliche Rücktrittserklärung ggü dem Veranstalter (entspr § 349) oder einer empfangsberechtigten Person (idR: Reisebüro [§ 91 II 1 HGB]) erfolgt durch einseitige, formfrei mögliche, empfangsbedürftige Willenserklärung (Frankf 30.6.22 – 16 U 132/21 Rz 48). Sie wird mit Zugang wirksam (§ 130). Die Erklärung kann konkludent erfolgen, zB durch ein Verhalten, das zeigt, dass der Reisende die Reise nicht mehr durchführen will, zB indem er nicht zum Antritt erscheint (hM). Dieses gilt aus Sicht des Veranstalters auch, wenn der Reisende im Einzelfall keinen Rücktrittswillen hat, sich zB verspätet und keine andere Nachricht gibt. ...

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