Gesetzestext

 

(1) Ist dem Vertrag ein Kostenanschlag zugrunde gelegt worden, ohne dass der Unternehmer die Gewähr für die Richtigkeit des Anschlags übernommen hat, und ergibt sich, dass das Werk nicht ohne eine wesentliche Überschreitung des Anschlags ausführbar ist, so steht dem Unternehmer, wenn der Besteller den Vertrag aus diesem Grunde kündigt, nur der im § 645 Absatz 1 bestimmte Anspruch zu.

(2) Ist eine solche Überschreitung des Anschlags zu erwarten, so hat der Unternehmer dem Besteller unverzüglich Anzeige zu machen.

A. Allgemeines/Regelungszweck.

 

Rn 1

§ 649 korrespondiert mit § 632 III, wonach der Kostenanschlag im Zweifel nicht zu vergüten ist. Dass er gleichwohl nicht ohne Rechtswirkungen bleibt, folgt aus § 649 I. Danach hat der Besteller ein Sonderkündigungsrecht, wenn die veranschlagten Kosten nicht eingehalten werden können. Praktischer Hintergrund für diese Regelung ist die werkvertragstypische Besonderheit, dass die Parteien mit Rücksicht auf die Unwägbarkeiten betreffend den tatsächlich für die Erreichung des geschuldeten Werkerfolges erforderlichen Aufwand im Zeitpunkt des Vertragsschlusses oft nicht verlässlich absehen können, wie hoch die letztlich zu zahlende Vergütung sein wird (iE hierzu: § 631 Rn 35). Diese Unsicherheit trifft insbes den Besteller, der grds das volle Risiko einer seinen Äquivalenzerwartungen widersprechenden Preisentwicklung trägt. Anders ausgedrückt: Er muss in Ermangelung anderweitiger vertraglicher Abreden (s §§ 631 I, 632 I, II) nicht den bei Vertragsschluss kalkulierten, sondern den tatsächlich für die Verwirklichung des Werkerfolges erforderlichen Aufwand bezahlen. Das ist der Fall, wenn die Parteien keine Vergütungsvereinbarung getroffen (s § 632 Rn 4 ff) oder einen Einheitspreisvertrag (ebenso Stundenlohnvertrag) geschlossen haben (s § 631 Rn 38), wohingegen beim Pauschalvertrag grds der Unternehmer das Preisentwicklungsrisiko übernommen hat (s § 631 Rn 39 ff). Mit der Erstellung und Überreichung eines Kostenanschlages durch den Unternehmer bewegen sich die Vertragsparteien in der Mitte zwischen diesen Vertragsvarianten. Der Unternehmer übernimmt mit dem Kostenanschlag zwar keine der Pauschalpreisvereinbarung vergleichbare Gewähr für die Höhe der Vergütung (s § 649 I – ›ohne Gewähr‹); der Besteller trägt also weiterhin das Preisentwicklungsrisiko. Dieses wird indes durch die Regelung in § 650 I in der Weise abgemildert, dass der Besteller sich bei einer wesentlichen Überschreitung des für seine Äquivalenzerwartung und damit für seine Vertragsentscheidung maßgeblichen Kostenanschlags vom Vertrag lösen kann. Der Vorteil dieser so eröffneten Kündigungsmöglichkeit ggü der ihm ohnehin gestatteten freien Kündigung nach § 649 liegt darin, dass der Unternehmer im Unterschied zu der Vergütungsfolge des § 648 2 (s dort Rn 6 ff) gem § 649 I eine Vergütung nur für tatsächlich erbrachte Leistungen sowie für nicht inbegriffene Auslagen erhält – § 645 I 1. Dogmatisch betrifft § 649 I also eine Störung der rechtsgeschäftlich verankerten Äquivalenzerwartung der Parteien und solcherart eine Störung der Geschäftsgrundlage iSd § 313 (BRHP/Voit § 650 Rz 2; Staud/Peters/Jacoby § 650 Rz 18; aA MüKo/Busche § 650 Rz 2 – Motivirrtum).

B. Kostenanschlag.

 

Rn 2

§ 649 I setzt einen Kostenanschlag iSd Vorschrift voraus. Um einen solchen handelt es sich, wenn der Unternehmer iRd Vertragsanbahnung aus seiner fachmännischen Sicht Angaben zu den voraussichtlich durch die Herstellung des Gewerkes erforderlichen Kosten macht (Grüneberg/Retzlaff § 650 Rz 1; AnwK/Raab § 650 Rz 4), nach denen der Besteller kalkulieren kann und kalkuliert hat; nur dann ist der Anschlag zur Vertragsgrundlage erhoben worden (NK-BGB/Raab § 650 Rz 6). Davon zu unterscheiden sind vertragsgestaltende Abreden der Parteien, mit denen der Unternehmer darüber hinaus die Gewähr für die Richtigkeit dieser Angaben übernimmt, etwa bei Pauschal-, Höchst- oder Maximalpreisabreden (s Rn 1 und § 631 Rn 39 ff), ebenso, wenn er die Einhaltung der veranschlagten Preise anderweitig garantiert (Grüneberg/Retzlaff § 650 Rz 1). Dann liegt kein Kostenanschlag iSd § 649 vor und die Rechtswirkungen des § 649 treten nicht ein (vgl BGH NJW-RR 87, 337). Ob die Kostenangaben des Unternehmers in Erwägung dessen als Kostenanschlag iSd § 650 anzusehen sind, ist eine Frage der nach allg Grundsätzen vorzunehmenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157) und muss im Einzelfall unter Berücksichtigung der Interessenlage entschieden werden (NK-BGB/Linz § 649 Rz 5). § 649 ist weder unmittelbar noch entspr anwendbar, wenn die Überschreitung einer Kostenangabe des Unternehmers auf unzutreffenden Angaben des Bestellers über den Umfang des herzustellenden Werks (hier: Bruttogeschoßfläche) beruht (BGH BauR 11, 1034, 1037).

C. Regelungsgehalt.

I. Kündigungsrecht – § 649 I.

 

Rn 3

Der Besteller darf den Vertrag kündigen, wenn das Werk nicht ohne eine wesentliche Überschreitung des Anschlages ausgeführt werden kann. Ob eine Überschreitung vorliegt, ist durch eine Gegenüberstellung der veranschlagten und der tatsächlich anfallenden Gesamtkosten zu ermitteln (Grüneberg/Retzlaff § 649 Rz 4)...

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