Gesetzestext

 

(1) 1Ist das Werk vor der Abnahme infolge eines Mangels des von dem Besteller gelieferten Stoffes oder infolge einer von dem Besteller für die Ausführung erteilten Anweisung untergegangen, verschlechtert oder unausführbar geworden, ohne dass ein Umstand mitgewirkt hat, den der Unternehmer zu vertreten hat, so kann der Unternehmer einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung und Ersatz der in der Vergütung nicht inbegriffenen Auslagen verlangen. 2Das Gleiche gilt, wenn der Vertrag in Gemäßheit des § 643 aufgehoben wird.

(2) Eine weitergehende Haftung des Bestellers wegen Verschuldens bleibt unberührt.

A. Überblick/Grundlagen.

 

Rn 1

§§ 644, 645 betreffen die Gefahrtragung und damit die Frage, welche Rechtsfolgen sich ergeben, wenn die geschuldete Werkleistung nicht erbracht werden kann oder nachträglich beeinträchtigt wird, ohne dass eine der Vertragsparteien die hierfür maßgeblichen Umstände zu vertreten hat (Staud/Peters § 644 Rz 1). Sie regeln unmittelbar nur die Vergütungsgefahr (Grüneberg/Retzlaff §§ 644/645 Rz 1; AnwK/Raab § 644 Rz 6), die freilich nur dann auf den Besteller übergehen kann, wenn er – nach allg Regeln – auch die Leistungsgefahr trägt und der Unternehmer nicht mehr iRd Erfüllung zur Herstellung des vertragsgerechten Werkes gegen Zahlung der vertraglichen Vergütung verpflichtet ist (so zutr: AnwK/Raab § 644 Rz 2). Der Regelungsgehalt der §§ 644, 645 erhellt sich in seinen Einzelheiten nur durch eine Gegenüberstellung mit den Bestimmungen des allg Schuldrechts zur Verteilung der Leistungs- und Vergütungsgefahr.

 

Rn 2

Der Unternehmer bleibt nach allg Regeln grds zur Leistung verpflichtet, bis der geschuldete Werkerfolg bewirkt ist – § 362 I. Er trägt also die Leistungsgefahr. Anders im Ausgangspunkt nur, wenn die Leistung gem § 275 I unmöglich wird oder vom Unternehmer gem § 275 II, III verweigert werden kann. Darüber hinaus wird er nach Abnahme von der Leistungsverpflichtung gem § 635 III frei, wenn er die Nacherfüllung wegen unverhältnismäßigen Aufwandes verweigern darf. IÜ darf der Besteller ihn nach ergebnislosem Ablauf einer angemessenen Nacherfüllungsfrist durch Geltendmachung der sich aus § 634 ergebenden Mängelrechte von weiteren Bemühungen um eine vertragsgerechte Herstellung der Werkleistungen ausschließen (s § 634 Rn 3 ff).

 

Rn 3

Die Vergütungsgefahr trägt der vorleistungspflichtige Unternehmer grds bis zur Abnahme – § 644 I 1. Das gilt gem § 326 I 1 vorbehaltlich der Ausnahmetatbestände in § 326 II 1 (überwiegendes Verschulden des Bestellers und Annahmeverzug) auch dann, wenn er zuvor gem § 275 I–III von der Leistungsverpflichtung frei wird. Demggü behält der Unternehmer den Anspruch auf die Gegenleistung, wenn er gem § 275 I–III die nach Abnahme geschuldete Nacherfüllung nicht zu erbringen braucht – § 326 I 2. Hat der Besteller vor der Abnahme die Verschlechterung oder den Untergang des Werkes zu vertreten, kann der Unternehmer uU Schadensersatz gem § 280 I beanspruchen (Celle BauR 10, 1234); evtl werthaltige Teilleistungen muss der Besteller bezahlen (Grüneberg/Retzlaff §§ 644, 645 Rz 4). In dieses Regelungsgefüge greift § 645 zu Gunsten des Unternehmers ein.

B. Sachgefahr – § 644 I S 3.

 

Rn 4

Von der Leistungs- und Vergütungsgefahr zu unterscheiden ist die Sachgefahr. Sie betrifft die vom Besteller für die Werkerstellung beigestellten Stoffe und Materialien, für die der Unternehmer nach allg Grundsätzen obhutspflichtig ist (BGH NJW 83, 133; s iE § 631 Rn 30). Verletzt der Unternehmer diese Obhutspflichten schuldhaft, haftet er gem §§ 280 I, 241 II auf Schadensersatz. Sonst sind der Untergang und die Verschlechterung der Stoffe und Materialien für den Unternehmer zufällig und er wird gem § 644 I 3 von der Sachgefahr freigestellt, die dann der Besteller trägt. Das ändert freilich nichts daran, dass der Unternehmer keine Vergütung für das unausführbar gewordene Werk erhält (Grüneberg/Retzlaff §§ 644/645 Rz 4). Der Unternehmer hat zu beweisen, dass er keine Obhutspflichten verletzt hat. Im Annahmeverzug des Bestellers kommen ihm die Haftungserleichterungen des § 300 zugute (AnwK/Raab § 644 Rz 18).

C. Übergang der Vergütungsgefahr.

I. Grundsatz: Abnahme – § 644 I.

 

Rn 5

Im Ausgangspunkt gilt: Der Unternehmer trägt die Vergütungsgefahr bis zur Abnahme, danach trägt sie gem § 644 I 1 der Besteller und die Regelungen des § 645 werden durch §§ 633 ff verdrängt (iE § 633 Rn 4 ff).

II. Vor Abnahme.

1. Annahmeverzug – § 644 I S 2.

 

Rn 6

Der Zeitpunkt des Gefahrübergangs wird vorverlegt, wenn der Besteller in Annahmeverzug gerät – § 293 ff, weil er das vertragsgerecht hergestellte und angebotene Werk nicht abnimmt (nicht bei Annahmeverzug durch unterbliebene Mitwirkungshandlung nach § 642 – AnwK/Raab § 644 Rz 16, str., aA MüKo/Busche § 644 Rz 8 mwN).

2. Versendung – § 644 II.

 

Rn 7

Die Vergütungsgefahr geht in Anlehnung an die Regelung in § 447 auch beim Werkvertrag vor der Abnahme auf den Besteller über, wenn der Unternehmer das Werk auf sein Verlangen an einen anderen Ort als den Erfüllungsort (Ort der Werkherstellung) versendet (s hierzu: § 447 Rn 8 ff).

3. § 645 I S 1.

 

Rn 8

Gem § 645 I 1 trägt der Besteller die Vergütungsgefahr (teilweise, s Rn 13) auch vor der Abnahme, wenn das Werk wegen e...

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