Gesetzestext

 

(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Herstellung des Werkes den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

(3) Ein Kostenanschlag ist im Zweifel nicht zu vergüten.

A. Regelungsgehalt.

 

Rn 1

Ist in einem Werkvertrag keine Vereinbarung über die Vergütung getroffen worden, wird gem I unter den dort genannten Voraussetzungen eine stillschweigende Einigung über die Entgeltlichkeit fingiert. Die Auslegungsregel des II füllt in diesen Fällen und bei Vereinbarung einer Vergütung dem Grunde nach eine mangels Regelung der Vergütungshöhe bestehende Vertragslücke. Dabei wird auf die taxmäßige oder übliche Vergütung abgestellt. III wurde durch das SMG (BTDrs 14/6040, 259) eingeführt und regelt, dass der Kostenanschlag im Zweifel nicht zu vergüten ist.

B. § 632 I – Fiktion der Vergütungsvereinbarung.

I. Wirkungsweise und Zweck.

 

Rn 2

Gem § 632 I gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Herstellung des Werkes nach den Umständen nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Darin liegt die Fiktion einer Vergütungsvereinbarung (MüKo/Busche § 632 Rz 6; Staud/Jacoby, § 632 Rz 45; aA Soergel/Teichmann § 632 Rz 2 – Auslegungsregel), die als wesentliche Vertragsbedingung (essentialia negotii) notwendige Voraussetzung für das Zustandekommen eines wirksamen entgeltlichen Vertrages ist. Dessen Abschluss wird durch die Fiktion indes nicht ersetzt (BGH NJW 99, 3554 [BGH 24.06.1999 - VII ZR 196/98]), deren Funktion vielmehr darin besteht, den mit Rechtsbindungswillen getroffenen rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen auch dann zur Geltung zu verhelfen, wenn die Vertragsparteien sich (nur) über die Vergütung nicht verständigt haben. Damit ist die Anwendung der Regeln über den offenen oder versteckten Einigungsmangel iSd §§ 154, 155 zur Vermeidung der Rechtsfolgen eines Dissenses in diesem Punkt ausgeschlossen. Darüber hinaus kommt im Geltungsbereich der Fiktion eine Anfechtung wegen Irrtums nach § 119 nicht in Betracht (MüKo/Busche § 632 Rz 6; aA Soergel/Teichmann § 632 Rz 2). Die Rechtsfolgen des § 632 treten kraft Gesetzes ein. Auf einen entsprechenden Willen des Bestellers kommt es nicht an (BGH NJW-RR 96, 952 [BGH 23.01.1996 - X ZR 63/94]). Ergibt sich hingegen aus den Umständen, dass sich die Vertragsparteien nicht rechtgeschäftlich mit einem entgeltlichen Vertrag haben binden wollen, so ist kein Vertrag zustande gekommen und § 632 I greift nicht.

II. Voraussetzung: Wirksamer Werkvertrag.

 

Rn 3

Aus den obigen Erwägungen folgt, dass die Anwendung des § 632 I das Zustandekommen eines Werkvertrages voraussetzt (BGHZ 136, 33). Die Vertragsparteien müssen sich also mit Ausnahme der Vergütung über alle vertragswesentlichen Vertragsbedingungen mit Rechtsbindungswillen geeinigt haben. Insoweit ist die Abgrenzung zum Gefälligkeitsverhältnis (s hierzu § 631 Rn 3) und zur unentgeltlichen Akquisition (§ 631 Rn 4) von Bedeutung, darüber hinaus sind die Besonderheiten bei bedingt geschlossenen Verträgen zu beachten (§ 631 Rn 5). Die Darlegungs- und Beweislast für das Zustandekommen des Vertrages trägt nach allg Grundsätzen der Unternehmer, der eine Vergütung beansprucht (BGH NJW 99, 3554 [BGH 24.06.1999 - VII ZR 196/98]; NJW 97, 3017 [BGH 05.06.1997 - VII ZR 124/96]). Weil sich der Vertragsschluss mangels ausdrücklicher vertraglicher Abreden nicht selten nur den Umständen entnehmen lässt, kann der iÜ iRd § 632 I zu berücksichtigende Erfahrungssatz der Entgeltlichkeit schon in diesem Zusammenhang für die Abgrenzung von Gefälligkeitsverhältnissen und Akquisition Bedeutung erlangen (s § 631 Rn 3 f).

III. Keine Vergütungsvereinbarung.

 

Rn 4

Wird in einem Werkvertrag eine Vergütungsvereinbarung getroffen oder ist die Vergütung aus dem Vertrag bestimmbar, findet § 632 keine Anwendung (so beim Einheitspreisvertrag oder bei Vereinbarung eines Stundenlohns – BGH NJW 02, 1107; BGHZ 132, 229). Der Besteller schuldet dann die vereinbarte Vergütung. Eine Vergütung ist nicht vereinbart, wenn die Vertragsparteien die Frage der Vergütung weder positiv noch negativ geregelt haben (BGH ZfBR 95, 16 [BGH 14.07.1994 - VII ZR 53/92]; Köln NJW-RR 02, 1425 [OLG Köln 30.04.2001 - 19 W 12/01]).

 

Rn 5

Für das Architekten- und Ingenieurfach ergibt sich das geschuldete Honorar entweder aus der bei Vertragsschluss getroffenen Vergütungsabrede (§ 7 I HOAI); sonst gilt das auf der Grundlage der bindenden Preisvorgaben der HOAI zu ermittelnde Mindesthonorar als vereinbart (§ 7 VI HOAI). Die Architektenvergütung ist also immer ›vereinbart‹ iSd § 631 I, so dass § 632 I, II schon deshalb keine Anwendung findet. Es kommt für die Bestimmung der Vergütung der Architekten und Ingenieure iRd Geltungsbereichs der HOAI also weder auf die Üblichkeit der sich hieraus ergebenden Honorarsätze (so zutr: Korbion/Mantscheff/Vygen/Vygen § 1 Rz 3 mwN), noch auf die Rechtsnatur der HOAI als Taxe iSd § 632 II an. Sie stellt vielmehr in der dargestellten Weise bindendes Preisrecht für Architekten- und Ingenieurleistungen dar, wenn das geschuldete Werk na...

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