Rn 5

Der Unternehmer hat den Besteller ohne schuldhaftes Zögern (dh unmittelbar nach Erlangung der Kenntnis von den für die Kostensteigerung maßgeblichen Umständen) von einer zu erwartenden Überschreitung des Kostenanschlags zu unterrichten. Zweck dieser Verpflichtung ist es, dem Besteller die für die Ausübung seines Kündigungsrechts erforderliche Informationen zu vermitteln und ihn vor Übervorteilung zu schützen. Das Unterlassen der (rechtzeitigen) Anzeige stellt eine Pflichtverletzung dar, die iVm § 280 I zu Schadensersatzansprüchen des Bestellers führen kann, soweit der Unternehmer den Verstoß gegen die Anzeigepflicht zu vertreten hat. Zu ersetzen ist das negative Interesse des Bestellers, der gem § 249 I so zu stellen ist, wie er bei rechtzeitiger Unterrichtung gestanden hätte. Ein erstattungsfähiger Schaden entsteht ihm folglich nur dann, wenn er (hypothetisch) in Kenntnis der Kostensteigerung von der Kündigungsmöglichkeit des § 649 I Gebrauch gemacht hätte (Karlsr BauR 03, 1589; Frankf NJW-RR 89, 209, 210). Dann ist weiter zu unterscheiden: Ist nach den Umständen davon auszugehen, dass er das Werk anderweitig durch einen Ersatzunternehmer hätte fertigstellen lassen, besteht der Schaden in dem hierdurch bedingten Mehraufwand, der sich aus der Differenz zwischen der im Falle der zu unterstellenden Kündigung an den Unternehmer gem § 645 I zu zahlenden Vergütung zzgl der danach angefallenen Drittunternehmerkosten und dem tatsächlich an den Unternehmer zu leistenden Werklohn ergibt. Andernfalls (die Werkleistungen wären nicht fertiggestellt worden) ist im Ausgangspunkt auf den Teil der an den Unternehmer tatsächlich zu zahlenden Vergütung abzustellen, den der Besteller bei hypothetischer Kündigung des Vertrages unter Berücksichtigung der Vergütungsregelung in §§ 650 I, 645 I 2 nicht hätte zahlen müssen.

 

Rn 6

Dann allerdings würde der Besteller die nach dem hypothetischen Kündigungszeitpunkt vom Unternehmer erbrachten Leistungen faktisch kostenlos erhalten. Um dem zu begegnen, werden in Rspr und Lit unterschiedliche Lösungswege beschritten, die von einer Beschränkung des Werklohnanspruchs des Unternehmers auf den Betrag des Kostenanschlages zzgl einer zulässigen Überschreitung (Grüneberg/Retzlaff § 649 Rz Rz 3; Rohlfing/Thiele MDR 98, 632; Werner FS Korbion 473, 478; Schenk NZBau 01, 470, 473), über die Berücksichtigung des objektiven Werts der nach dem hypothetischen Kündigungszeitpunkt erbrachten Leistungen im Wege der Vorteilsausgleichung (Celle NJW-RR 03, 1243, 1245 [OLG Celle 03.04.2003 - 22 U 179/01]; für die Berücksichtigung subjektiver Kriterien: Kniffka/von Rintelen § 649 Rz 31 mwN; ähnl: Frankf NJW-RR 89, 209, 210) bis zu einer bereicherungsrechtlich verankerten Anrechnung der unter Berücksichtigung subjektiver Gesichtspunkte dem Besteller zugeflossenen Wertsteigerung reichen (so: NK-BGB/Raab § 650 Rz 19; vgl auch: Köhler NJW 83, 1633, 1635). Insoweit erscheint der in den Grundsätzen des Schadensersatzrechts verankerte Weg über eine mit subjektiven Beurteilungskriterien durchsetzte Vorteilsausgleichung vorzugswürdig.

 

Rn 7

Darlegungs- und beweispflichtig für die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 649 II und den sich aus einer evtl Pflichtverletzung ergebenden Schaden ist grds der Besteller (Ausnahme: Verschulden – § 280 I S 2), und zwar auch hinsichtlich der hypothetischen Kündigung (Frankf OLGR 00, 305; Celle OLGR 03, 261), die sich allerdings plausibel bereits aus einer mit den dem Besteller zur Verfügung stehenden Finanzmitteln nicht zu vereinbarenden Kostensteigerung ergeben kann (ähnl: NK-BGB/RBruinier/Raab § 649 Rz 20).

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