Gesetzestext

 

Es wird vermutet, dass demjenigen, welcher in dem Erbschein als Erbe bezeichnet ist, das in dem Erbschein angegebene Erbrecht zustehe und dass er nicht durch andere als die angegebenen Anordnungen beschränkt sei.

A. Zweck.

 

Rn 1

Der Erbschein ist regelmäßig als eine mit öffentlichem Glauben versehene Urkunde (§§ 2365, 2366, 2369) zum Nachweis der Rechtsnachfolge geeignet (s Rn 4, § 2353 Rn 1), auch zB zum Nachweis eines erbrechtlichen Rechtsübergangs, solange noch der Erblasser im Grundbuch (vgl § 35 GBO) eingetragen ist (Frankf DNotZ 05, 384 f). Nachlassschuldner dürfen aber ihre Erfüllung nicht von seiner Vorlage abhängig machen, es sei denn, anderes ist vereinbart (§ 2353 Rn 6).

B. Umfang der Richtigkeitsvermutung.

 

Rn 2

Der Erbschein bezeugt positiv das ausgewiesene Erbrecht und bei Miterben die Größe der Erbteile. In negativer Hinsicht wird aufgrund der Vollständigkeitsvermutung vermutet, dass keine nichtbezeugten Verfügungsbeschränkungen, dh Anordnung der Nacherbfolge (§ 2363; vgl München FamRZ 12, 1174) oder Testamentsvollstreckung (§ 2364), bestehen (BGH NJW 21, 3727 Rz 12); Sonderfälle sind Hoffolge- und territorial beschränkter Erbschein (§ 2369).

 

Rn 3

Nicht wird vermutet, dass diese Beschränkungen tatsächlich (Frankf WM 93, 803, 805 [OLG Frankfurt am Main 18.01.1993 - 4 U 173/91]; KG DNotZ 56, 195, 198; aA RGRK/Kregel Rz 7) oder keine anderen, mit dem Erbrecht nicht selbst verbundene Beschränkungen bestehen, zB aufgrund Nachlassinsolvenz oder -verwaltung, Übertragung oder Verpfändung des Erbteils oder Bestellung eines Nießbrauchs an ihm, Begründung der Gütergemeinschaft (Firsching/Graf Rz 4.273). Es besteht keine Vermutung bzgl solcher Angaben, die nicht zum notwendigen Inhalt des Erbscheins (§ 2353 Rn 2) gehören (zB idR Berufungsgrund, Vermächtnis, Nachlasszugehörigkeit einzelner Nachlassgegenstände, Nichteintritt des Nacherbfalls).

C. Wirkung.

 

Rn 4

§ 2365 begründet durch die widerlegliche (§ 292) Vermutung eine Beweiserleichterung für den Inhaber des Erbscheins. Über §§ 2365 ff schützt der Erbschein (s Rn 2) im rechtsgeschäftlichen Verkehr mit dem im Zeugnis als Erben Bezeichneten gutgläubige Dritte. Der Erbschein muss formell gültig erteilt (§ 2353 Rn 28) und in Kraft sein; sein Besitz ist nicht nötig. Eine Bindung des Prozessgerichts an ihn besteht nicht (s § 2353 Rn 4). Es bleiben hier auch die Beweise zulässig, die schon im Erbscheinverfahren berücksichtigt wurden (Nürnbg WM 63, 1200). Die Rechtsvermutung setzt nicht voraus, dass der Erbschein vorgelegt oder dem Rechtsverkehr bekannt ist (BGH NJW WM 71, 54). Sie wirkt für und wider den Erbscheinserben und ist im Prozess mit Dritten analog § 292 ZPO zu widerlegen.

 

Rn 5

Sie gilt nicht im Zivilverfahren zwischen Erbprätendenten (zB im Verfahren nach § 2362), und zwar unabhängig von den Parteirollen (NK/Kroiß Rz 12; MüKo/Grziwotz Rz 23; Staud/Herzog Rz 50), nach aA wohl für den Kläger (RG DR 44, 339; München ZEV 95, 459, 460). Die Vermutung gilt ferner nicht, insoweit sich Erbscheine widersprechen (BGHZ 33, 314; FamRZ 90, 1111; § 2368 Rn 7) oder der Testamentsvollstrecker das Erbrecht des Erbscheinserben bestreitet (BGH WM 87, 565).

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