Rn 5

Der Pflichtteilsberechtigte muss durch Enterbung (§ 1938) durch Verfügung vTw (Testament oder Erbvertrag, nicht: Vertrag gem § 311b IV) von der Erbfolge ausgeschlossen worden sein (I 1). Daran fehlt es, wenn jemand auch ohne die ausschließende Verfügung vTw nicht zum Erben berufen wäre, zB bei Rechtshandlungen, die das gesetzliche Erbrecht beseitigen. Daher liegt kein Ausschluss iSv I vor beim Erb- oder Pflichtteilsverzicht (§§ 2346, 2349), bei Pflichtteilsentziehung (§§ 2333 ff) oder der Erklärung der Erbunwürdigkeit (§§ 2344, 2345). Auch durch Ausschlagung entfällt das Pflichtteilsrecht (Ausnahmen: § 1371 III und § 2306 I). Kein Ausschluss besteht beim auflösend bedingten (zB Jastrow'sche Klausel, § 2317 Rn 6) oder befristeten Erben oder beim aufschiebend bedingt oder befristet eingesetzten Erben, der Nacherbe ist (BeckOKBGB/Müller Rz 33; s.a. München NJW-RR 07, 949 [OLG München 21.12.2006 - 31 Wx 71/06]). Beim gleichzeitigen Versterben kommt es nicht zum gesetzlichen Erbrecht (§ 1923 I), das somit nicht ausgeschlossen sein kann.

 

Rn 6

Die Begünstigung durch Aufl, Bestellung zum Testamentsvollstrecker, Einsetzung zum Ersatzerben (der nicht zur Erbfolge gelangt) oder grds die Zuwendung durch Vermächtnis schließt Ausschluss nicht aus; bei Vermächtnissen gilt jedoch § 2307. Beim Berliner Testament (vgl § 2269) sind die Abkömmlinge durch die gegenseitige Erbeinsetzung der Ehegatten bzgl des Erstverstorbenen enterbt, auch wenn sie nach dem Tod des überlebenden Ehegatten Schlusserben sind (BGH NJW 57, 422 f [BGH 15.12.1956 - IV ZR 101/56]). Beim Erben mit zu geringem Erbteil gewährt § 2305 einen Zusatzpflichtteil. Beziehen Pflichtteilsberechtigte Sozialleistungen, versuchen Erblasser (zB Eltern) zu verhindern, dass im Erbfall der Träger der Sozialhilfe gem § 2 I SGB XII, § 9 SGB I Leistungen verweigert, bis der Pflichtteil aufgebraucht ist. Abschirmungen in Behinderten- oder Bedürftigentestamenten (dazu Klühs ZEV 11, 15 ff) als Verfügungen vTw, in denen Eltern eines geschäftsunfähigen (oder lediglich lernbehinderten) Kindes die Nachlassverteilung durch eine kombinierte Anordnung von (nicht befreiter) Vor- und Nacherbschaft (vgl § 2100 Rn 24) sowie einer – mit konkreten Verwaltungsanweisungen versehenen – Dauertestamentsvollstreckung so gestalten, dass das Kind Vorteile aus dem Nachlass erhält, der Sozialhilfeträger auf diesen aber nicht zugreifen kann, sind in Hinblick auf den Vorrang der Testierfreiheit (Vor § 2303 Rn 2) grds nicht sittenwidrig (BGH 27.3.13 – XII ZB 679/11 Rz 20; s.a. BGH NJW 20, 58 [BGH 24.07.2019 - XII ZB 560/18] Rz 6). Denn die Gestaltung, wie sie § 2338 ähnl eröffnet, soll verhindern, dass das Familienvermögen durch Pflegekosten in kurzer Zeit aufgezehrt wird, den Familienfrieden wahren und idR wirtschaftlich dem Behinderten dienen. Auch ein vom Leistungsbezieher erklärter Pflichtteilsverzicht (und das zugrunde liegende Kausalgeschäft, § 2346 Rn 12 ff) verstößt weder für sich genommen noch in Gesamtschau mit dem elterlichen ›Berliner Testament‹ gegen die guten Sitten, und zwar selbst dann nicht, wenn der Verzichtende sowohl bei Vornahme des Verzichts als auch im Zeitpunkt des Erbfalls hilfebedürftig ist (BGH NJW 11, 1586, 1587 ff [BGH 19.01.2011 - IV ZR 7/10]). Die ungesicherte Unterhaltsfunktion des Pflichtteilsrechts schützt nicht den Sozialhilfeträger (str; s.a. § 31 IV Nr 1 SGB II); entspr kann er auch nur sehr begrenzt Unterhaltsansprüche des Bedürftigen ggü dessen Eltern auf sich überleiten (§§ 19 III, 92, 94 II SGB XII; s § 2317 Rn 9). Ihn trifft bloß als grds hinzunehmender Reflex die Aufrechterhaltung der Bedürftigkeit (zu Unterhaltsverträgen BGH NJW 09, 842, 843 f [BGH 05.11.2008 - XII ZR 157/06]; 1346, 1347 [BGH 06.02.2009 - V ZR 130/08]). Das gilt entspr sogar bei der Ausschlagung einer werthaltigen Erbschaft durch den Berechtigten selbst, die die Sozialhilfebedürftigkeit des vorläufigen Erben fortbestehen lässt (BGH NJW 11, 1586, 1587 f [BGH 19.01.2011 - IV ZR 7/10]; zum Erbverzicht § 2346 Rn 7). Aus Art 14 GG folgt als negative Erbfreiheit auch das Recht zur Ausschlagung, um sich des Vonselbst-Erwerbs (§§ 1922, 1942) erwehren zu können. Richtig scheint, dass § 138 zumindest beim auflösend bedingten Verzicht oder dann greift, wenn vom Verzicht gezielt der Anspruch auf Erträge, die nicht auf Sozialhilfeleistungen anrechenbar sind, ausgeschlossen wird (vgl SG Dortmund ZEV 10, 54 [SG Dortmund 25.09.2009 - S 29 AS 309/09 ER] m Anm Keim).

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