Gesetzestext

 

1Ist einem Pflichtteilsberechtigten ein Erbteil hinterlassen, der geringer ist als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, so kann der Pflichtteilsberechtigte von den Miterben als Pflichtteil den Wert des an der Hälfte fehlenden Teils verlangen. 2Bei der Berechnung des Wertes bleiben Beschränkungen und Beschwerungen der in § 2306 bezeichneten Art außer Betracht.

A. Zweck.

 

Rn 1

Die §§ 23052307 sichern dem mit einem Erbteil bzw Vermächtnis bedachten Pflichtteilsberechtigten eine Mindestbeteiligung am Nachlass. Der erbende Pflichtteilsberechtigte soll nicht schlechter stehen als der völlig enterbte. Dazu gewährt § 2305 1 einen Pflichtteils restanspruch als in der Höhe begrenzten Pflichtteilsanspruch (RGZ 93, 3, 9); wenn der durch Verfügung vTw zugewandte Erbteil unzureichend ist. Er ist als Geldanspruch auf Ergänzung in der Auseinandersetzung geltend zu machen (§ 2046) und richtet sich gegen die Miterben.

B. Pflichtteilsberechtigter Erbe.

 

Rn 2

Der Pflichtteilsberechtigte muss (Mit-)Erbe, darf also nicht (enterbter) Ersatzerbe sein. Der ihm hinterlassene Erbteil muss geringer als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils (vgl § 2303 I 2) sein. Der Vergleich erfolgt anhand der Erb quote, also ob dem Pflichtteilsberechtigten eine Quote zugedacht wurde, die geringer ist als die halbe gesetzliche Erbquote (Celle ZEV 96, 307; 308; Köln ZEV 97, 298). Anrechnungs- oder Ausgleichungspflichten (§§ 2315, 2316) sind nach der Neufassung des § 2306 (§ 2306 Rn 1, 6) irrelevant (BeckOKBGB/Müller Rz 3; FA-ErbR/Lindner Rz 3; aA Damrau/Riedel Rz 6; MüKo/Lange Rz 4; Grünewald/Weidlich Rz 3; Staud/Otte Rz 15, zu § 2305 aF BGH NJW 93, 1197 [BGH 09.12.1992 - IV ZR 82/92]), da der Erbe, dem ein beschwerter Erbteil hinterlassen ist, der die Hälfte des gesetzlichen nicht übersteigt, nicht mehr § 2305 bedarf, um wirtschaftlich wenigstens so zu stehen, wie der Enterbte. Er kann ausschlagen und den Pflichtteil erlangen (§ 2306 I 1 [nF]). Ist keine Quote zuerkannt, ist sie für den Berechtigten nach dem Verhältnis des ihm zufallenden Wertes zum Gesamtnachlass zu ermitteln (BGH NJW 93, 1005).

C. Höhe des Zusatzpflichtteils.

 

Rn 3

Der Pflichtteilsrestanspruch bemisst sich aus der Differenz zwischen der Hälfte des gesetzlichen Erbteils und dem hinterlassenen Erbteil (BGH NJW 21, 2115 [BGH 26.05.2021 - IV ZR 174/20] Rz 22). Im Falle von Beschränkungen oder Beschwerungen ist jedoch die Werthaltigkeit des hinterlassenen Erbteils nicht mehr durch § 2306 I 1 gesichert (§ 2306 Rn 1). Durch § 2305 2 ist klargestellt, dass Lasten nicht durch den Zusatzpflichtteil nach § 2305 aufgefangen werden: Sie werden bei der Berechnung des an der Hälfte des gesetzlichen Erbteils fehlenden Wertes nicht mitberücksichtigt (BGH NJW 21, 2115 [BGH 26.05.2021 - IV ZR 174/20] Rz 22). Der Berechtigte erhält in einem solchen Fall weniger als nach § 2306 I 1 aF iVm § 2305, da der angenommene Erbteil weiter belastet bleibt und dies nicht durch einen erhöhten Zusatzpflichtteil ausgeglichen wird (BTDrs 16/8954 19). Der Ergänzungsanspruch geht nur auf das, was vom Wert des angenommenen Erbteils (ohne Berücksichtigung der Lasten) zum Pflichtteil fehlt. Ist der zugewendete Erbteil wirtschaftlich unter Berücksichtigung der Lasten weniger wert als der Pflichtteil, bietet sich Ausschlagung an (§ 2306 Rn 6). Bei Zugewinngemeinschaft kann der überlebende Ehegatte Ausgleich bis zur Höhe des großen Pflichtteils verlangen, da er als Erbe keinen Anspruch auf Zugewinnausgleich hat (§ 1371 I). Als Ausfluss der Testierfreiheit (Vor § 2303 Rn 2) zulässig ist eine Verwirkungsklausel, nach der der überlebende Ehegatte einen Erbteil zwischen kleinem und großem Pflichtteil unter der Bedingung erhält, dass er keinen Pflichtteilsrestanspruch geltend macht (MüKo/Lange Rz 11; Soergel/Dieckmann Rz 5; Staud/Otte Rz 9); der überlebenden Ehegatten kann ausschlagen und dadurch den kleinen Pflichtteil nebst Zugewinnausgleich erlangen (§ 1371 II, III; § 2303 Rn 10).

D. Ausschlagung.

 

Rn 4

Bei § 2305 ist iGgs zu § 2306 eine Ausschlagung gerade nicht erforderlich (BGH NJW 21, 2115 [BGH 26.05.2021 - IV ZR 174/20] Rz 11). Der Pflichtteilsberechtigte kann im Fall des § 2305 1 nicht den unzureichenden unbelasteten Erbteil ausschlagen und stattdessen den vollen Pflichtteil verlangen (Prot V, 503). Trotz Ausschlagung kann er den Pflichtteilsrestanspruch beanspruchen (BGH NJW 73, 995, 996 [BGH 21.03.1973 - IV ZR 157/71]; 93, 1005, 1007). Nur der Ehegatte oder Lebenspartner in Zugewinngemeinschaft (vgl § 6 1 LPartG) hat noch nach Ausschlagung einen Anspruch auf den kleinen Pflichtteil sowie auf Zugewinnausgleich (§ 1371 III; § 2303 Rn 10). Die Ausschlagungserklärung ist uU nach § 119 I anfechtbar (Hamm aaO 46 ff; BeckOKBGB/Müller Rz 8; aA NK/Bock Rz 8), s § 2306 Rn 10; zur Ausschlagung unter Vorbehalt s § 2306 Rn 9.

E. Sonstiges.

 

Rn 5

Der Anspruch ist eine Nachlassverbindlichkeit, für die die Miterben (gesamtschuldnerisch; § 2058) nur beschränkt haften, selbst wenn sie ggü anderen Nachlassgläubigern unbeschränkbar haften (§ 2063 II). Verjährung: § 2317 Rn 11.

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