Rn 24

Ihm liegt eine eigenartige Kombination aus Vorerbschaft und (Dauer-)Testamentsvollstreckung zugrunde. Es wird ein behinderter Abkömmling des Erblassers zum grds nicht befreiten Vorerben eingesetzt. Dass dies mit einer Erbquote, die seine Pflichtteilsquote übersteigt (Soergel/Harder/Wegmann § 2100 Rz 24) oder unter Pflichtteilsverzicht geschieht, ist trotz der Änderung des § 2306 Abs 1 noch erforderlich, nämlich, um die Entstehung eines auf den Sozialhilfeträger überleitbaren Pflichtteils(rest)anspruchs zu verhindern (Weidlich ZEV 20, 136). Die Vorerbschaft sichert dem Behinderten die Nutzungen des Nachlasses; dem Testamentsvollstrecker wird auferlegt, sie ihm zukommen zu lassen (§ 2216), vielfach mit der Einschränkung, dass er dabei nach billigem Ermessen handelt und der Vorerbe nur solche Leistungen erhalten soll, auf die der Sozialhilfeträger nicht zugreifen kann und die auch nicht auf die gewährten Sozialleistungen anrechenbar sind. Die Testamentsvollstreckung entzieht die Substanz des Nachlasses dem Zugriff der Eigengläubiger des Vorerben, insb der Sozialhilfeträger (§ 2214), auch ohne dass der Vorerbe nach allg Vorschriften (s Rn 64) die Sonderung der Vermögensmassen herbeiführen müsste; dem Testamentsvollstrecker kann auferlegt werden, die Substanz des Nachlasses dem Vorerben zur Verfügung zu stellen, soweit sie Schonvermögen iSd § 88 BSHG darstellt oder soweit die Erträge eine bestimmte Summe nicht erreichen (Weidlich ZEV 20, 136, 138). Diese Konstruktion ist in der Rspr anerkannt und nicht sittenwidrig (inzwischen gefestigte BGH-Rspr, zuletzt NJW 20, 58 [BGH 24.07.2019 - XII ZB 560/18] Rz 12); dies gilt insb auch für den Pflichtteilsverzicht des behinderten Sozialleistungsbeziehers (BGH ZEV 11, 258 Rz 13 ff m Anm Zimmer ZEV 11, 262 und Leipold ZEV 11, 528 [BGH 19.01.2011 - IV ZR 7/10]). Die Größe des hinterlassenen Vermögens ist unerheblich (Hamm ZEV 17, 158 [OLG Hamm 27.10.2016 - 10 U 13/16]). Zur Sicherung von Wohnraum Schneider ZEV 17, 617 und Weidlich ZEV 20, 138, 140. Steuerlich wird der Behinderte als Erwerber des gesamten Nachlasses behandelt (FG Köln ZEV 17, 727 [FG Köln 29.06.2017 - 7 K 2587/15]; s Rn 26).

Die Konstruktion eignet sich grds auch, wenn hoch verschuldete Personen (Soergel/Harder/Wegmann § 2100 Rz 23; Engelmann MDR 99, 968; Limmer ZEV 04, 133, 137 ff; Hartmann ZNotP 05, 82; Tersteegen ZErb 11, 234; J. Mayer MittBayNot 11, 445 und 12, 18), Langzeitarbeitslose oder sonstige Bedürftige (Litzenburger ZEV 09, 278) zu Erben eingesetzt werden sollen. Hier könnte die Grenze zur Sittenwidrigkeit aber überschritten sein, sofern der Bedachte nicht behindert ist und grds für sich selbst sorgen kann (SG Dortmund ZEV 10, 54 [SG Dortmund 25.09.2009 - S 29 AS 309/09 ER] mit abl. Anm. Keim; dazu Klühs ZEV 11, 15). Andererseits hat das BSG eine Dauervollstreckung nicht als sittenwidrig angesehen, wenn eine offensichtlich nicht behinderte Person dadurch ohne Anordnung von Vor- und Nacherbschaft auf Zuwendungen aus den Früchten des Erbteils beschränkt war (BSG ZEV 15, 484 [BSG 17.02.2015 - B 14 KG 1/14 R] mit Anm. Tersteegen; dazu Manthey/Trilsch ZEV 15, 618).

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